Hommage an die Illustration

Kunst Es ist ein in Deutschland bisher einmaliges Projekt. Der Freitag hat in Kooperation mit der Ausstellung Illustrative 09 eine komplette Ausgabe illustriert.

Die New York Times gibt es seit 158 Jahren. Einmal in dieser langen Zeit erwies sich das Traditions-Blatt als visionär. 1970 startete dieTimes ihre Op-Ed-Rubrik, eine Meinungsseite, auf der ausschließlich die Leser der Zeitung zu Wort kommen sollten. Wenn man so will, war das die Vorwegnahme des interaktiven Journalismus, Jahre bevor das eigentliche Medium dafür, das Internet, überhaupt erfunden worden war. Um die Seite optisch von den anderen abzuheben, wurden die Texte illustriert. Aber das waren keine Zeichnungen im klassischen Sinn. Es waren intellektuelle Statements, visuelle Kommentare, die oft so brilliant waren, dass sie einen neuen Zugang zu den Texten eröffneten. Manchmal spitzten sie den Inhalt zu. Manchmal überdrehten sie ihn. Und manchmal konterkarierten sie ihn. Natürlich veröffentlichen auch andere Zeitungen Illustrationen. Aber kein Blatt hat das Zusammenspiel von Texten und Illustrationen so perfektioniert wie die New York Times. Und dafür auch Künstler wie Andy Warhol, Keith Haring oder Art Spiegelman begeistern konnte.

Die Entschleunigung der Nachrichten

In Deutschland ist diese Kunst der Kombination erst im Entstehen. Tageszeitungen ziehen es im Allgemeinen vor, Karikaturen zu veröffentlichen, die man ebenso schnell konsumiert wie ein Foto. Magazine und Wochenzeitungen drucken Illustrationen schon eher, meist allerdings als Ausnahme von der Regel. Der Freitag geht einen anderen Weg. Wir haben für Illustrationen feste Plätze in der Zeitung. Jede Woche. Und wir versuchen, das Prinzip, das die New York Times etabliert hat, mit unseren Mitteln umzusetzen. Denn es ist nicht so, dass Illustrationen angesichts der enormen Fülle und der weltweiten Verfügbarkeit von Fotos überflüssig geworden wären. Im Gegenteil, sie sind interessanter denn je. In der Daten- und Bilderflut, die jeden Tag über uns hereinbricht, sind sie der Versuch, die Welt auf eine andere, subjektive Weise abzubilden. ­Sie entschleunigen den Konsum von Nachrichten. Und sie ermöglichen ganz andere Assoziationen als das geschriebene Wort.

Wir freuen uns deshalb besonders, dass der Freitag in dieser Ausgabe komplett illustriert erscheint. Und wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen der Leser. Denn eine komplett illustrierte Zeitung ist in Deutschland bisher noch nicht erschienen – sieht man einmal von der Zeit ab, als es zwar Zeitungen, aber noch keine Fotos gab.

Möglich wurde diese Hommage an die Kunst der Illustration durch eine Kooperation mit der Illustrative 2009. Seit vier Jahren organisiert der Kurator Pascal Johanssen diese Ausstellung, in der die besten Arbeiten eines Jahres von etwa 60 Künstlern gezeigt werden. Wir waren uns schnell einig, dass der Freitag ein ideales Forum ist, um dieses einzigartige Projekt gemeinsam auf die Beine zu stellen. Und das Experiment ist geglückt: Viele der Illustrationen ergänzen die Texte oder gehen inhaltlich sogar über sie hinaus – ganz im Sinne der Op-Ed-Seite der New York Times.

Von der Redaktion gab es keine Vorgaben, wir haben uns ganz auf die Künstler verlassen, die uns empfohlen wurden hat und wir freuen uns, dass es gelungen ist, eine große Vielfalt an Illustratoren für das Vorhaben zu begeistern. Es ist nicht nur ein Überblick über die verschiedenen Stile, sondern auch über die technischen Möglichkeiten. Denn offenbar verschwimmen inzwischen die Grenzen zwischen Fotografie und Illustration. Im Blatt sind jedenfalls zwei Fotos abgedruckt, die eine Art Zwitter sind: Keine klassische Illustration, aber auch kein klassisches Foto.


Die Illustrative 09 wird am 15.10.09 in der Villa Elisabeth in Berlin eröffnet und endet am 1.11. 09. Auf der Ausstellung zeigen rund 60 Künstler ihre Arbeiten aus dem vergangenen Jahr.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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