Kleines Land, großes Signal

Landtagswahl An der Saar gibt es eine linke Mehrheit. Aber es wird eine bürgerliche Regierung geben. Eigentliche Sieger sind die Piraten - weil sie auch im Flächenstaat siegen können

Das wichtigste Ergebnis dieser Landtagswahl ist nicht, dass es im Saarland voraussichtlich eine große Koalition geben wird. Und es ist ebenfalls nicht von überragender Bedeutung, dass die CDU mit 35 Prozent der Wählerstimmen (ARD-Hochrechnung 19:41 Uhr) unerwartet klar vor der SPD (30,7 Prozent) liegt. Oder dass die Linke (16,2 Prozent) im Lafontaine-Land deutlich verloren hat. Diese Wahl wird wegen eines anderen Ergebnisses im Gedächtnis bleiben: Die Piratenpartei kommt auf 7,5 Prozent der Wählerstimmen. Obwohl das Saarland so klein ist, geht von diesem Ergebnis ein starkes Signal aus: Die Piraten können auch in Flächenländern erfolgreich sein. Sie sind eben nicht nur attraktiv für Großstädter, sie können auch anders. Einen Teil dieses in der Höhe doch unerwarteten Sieges verdankt die junge Partei sicher ihrer ebenso jungen wie unkonventionellen Spitzenkandidatin Jasmin Maurer. Doch nach diesem Wahltag kann niemand mehr behaupten, der Erfolg sei ein Zufallsprodukt der ungewöhnlichen Umstände. Die Piraten, das steht jetzt fest, treffen tatsächlich einen Nerv im Wahlvolk. Mehr direkte Demokratie und Transparenz, keine Polit-Schwafeleien und Hinterzimmer-Kungeleien. Das ist noch kein Programm. Aber es ist ein Anfang, von dem ein Zauber ausgeht.

Linke Mehrheit, bürgerliche Regierung

Entzaubert ist dagegen der SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas, der in den Umfragen noch Kopf-an-Kopf mit der CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer lag. Er hat ganz offenkundig die SPD-Wähler mit seiner Vorfestlegung auf eine große Koalition nicht mobilisieren können. Und so ist einmal mehr in dieser Republik die Lage eingetreten, dass es zwar eine klare linke Mehrheit von SPD, Linkspartei und (wenn sie am Ende die Fünf-Prozent-Hürde überspringen) Grünen gibt, die Regierung aber eine bürgerliche sein wird. Zwar gibt es in der Saar-SPD einen starken Flügel, der es gerne mit der Linkspartei probieren würde. Aber die dafür notwendige Palastrevolution inklusive des Sturzes von Heiko Maas zeichnete sich am Wahlabend nicht ab. Warum auch? Schließlich hat die SPD sechs Prozent dazugewonnen und wird nach langen Jahren in der Opposition wieder am Kabinettstisch Platz nehmen.

Eingebrochen im Stammland-West

Die Linkspartei hat zwar ordentlich abgeschnitten. Aber es wird auch dem einstigen Bundesvorsitzenden und Saar-Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine langsam dämmern, dass die Linke im Westen einer veritablen Krise entgegengeht. Fünf Prozent Verlust muss die Partei in ihrem West-Stammland hinnehmen. Das ist ein ziemlicher Einbruch. Die Umfragen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verheißen jedenfalls nichts Gutes. Übertroffen wurden die Linken beim Wählerverlust nur von der FDP, die acht Prozent verloren und damit zum wiederholten Male vom Wähler pulverisiert wurde.

Modell Kramp-Karrenbauer?

Die CDU kann der nächsten Wahl am 6. Mai im hohen Norden entspannt entgegensehen. Sie hat in diesem Wahljahr, das doch eigentlich gar keines sein sollte, einen Auftakt nach Maß erwischt. Damit war eigentlich nicht zu rechnen. Denn das Bild der Bundespartei ist nach wie vor geprägt von Hick-Hack der Koalitionäre, taktischen Fouls und umstrittenen, schlecht kommunizierten Entscheidungen. Aber Kramp-Karrenbauer ist in gewissem Sinne auch das Gegenmodell zu Merkel. Denn bevor sie sich von immer unberechenbareren Partnern beschädigen ließ, beendete sie kurzerhand die Zusammenarbeit mit den Grünen und der FDP. Von dieser klaren Linie hat sie offenkundig profitiert. Für die Kanzlerin kommt dieses Saar-Modell nicht in Frage. Jedenfalls noch nicht.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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