Mut zur Alternative

NRW-Wahl Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist nach dem Wahlergebnis von NRW angeschlagen. Die SPD kann dagegen das Fundament für eine Rückkehr an die Macht im Jahr 2013 legen

Für die schwarz-gelbe Bundesregierung ist der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen eine Katastrophe. Seit Monaten zeichnete sich zwar ab, dass das schwarz-gelbe Bündnis in Düsseldorf Wählerstimmen verlieren würde. Nun ist das Ergebnis da. Und es lautet: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist ins bodenlose abgestürzt. Er hat, nach nur fünf Regierungsjahren, das schlechteste CDU-Ergebnis aller Zeiten in NRW eingefahren. Der FDP ist es nicht besser ergangen. Ihr Steuersenkungs-Wahlkampf ging an den Wählern vorbei. Nur acht Monate nach der Bundestagswahl ist die erste schwarz-gelbe Bastion gefallen. So ein Wahl-Desaster wie Rüttgers hat selbst der SPD-Amtsvorgänger Peer Steinbrück nicht erlebt, der 2005 wegen Hartz-IV abgewählt wurde.

Angela Merkel ist nach diesem Wahlsonntag angezählt. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ist weg, und ein Teil der schweren Niederlage geht auf ihr Konto: Schlechter Regierungsstart, ständige Querelen, verheerendes Taktieren in der Griechenland-Krise. Merkel hat nun ihre politische Gestaltungsfreiheit verloren. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke, die Kopfpauschale und Steuersenkungen sind – zum Glück – politisch kaum noch zu durchzusetzen.

Auch Vizekanzler Guido Westerwelle stehen nach diesem Debakel schwere Zeiten bevor. Sein Kurs in den vergangenen Monaten hat die FDP in die falsche Richtung geführt. Intern wurde er schon länger deswegen kritisiert, nicht zuletzt vom heutigen Düsseldorfer FDP-Wahlverlierer Andreas Pinkwart. Die Ursachenforschung wird für Westerwelle unangenehm ausfallen. Ob er im Herbst noch Parteivorsitzender ist, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine ohnehin schon instabile Bundesregierung, die in den nächsten Wochen und Monaten vor großen Herausforderungen beim Management der Krise stehen wird.

Für die SPD ist der Wahlausgang ein sensationelles Comeback. Denn eigentlich traute man der mutlosen Partei nach der Bundestagswahl höchsten noch die Rolle des Mehrheitsbeschaffers in großen Koalitionen zu. Der Wahlausgang gibt den Sozialdemokraten nun neuen Mut. Schließlich ist die Macht in Düsseldorf nach diesem Wahltag mit Händen zu greifen. Da fällt für viele Sozialdemokraten auch nicht ins Gewicht, dass die SPD erneut Stimmen verloren und in NRW ihr schlechtestes Ergebnis seit den 50er Jahren erreicht hat.

Hannelore Kraft hat nun voraussichtlich die Möglichkeit ein rot-grünes Bündnis zu reanimieren, mit einer hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme. Zu verdanken ist das nur dem ungebrochenen Höhenflug der Grünen, die ihren Stimmanteil erneut ausbauen konnten. Doch ein Bündnis mit den Grünen wäre für die SPD gleichbedeutend mit machtpolitischer Stagnation. Denn es gibt noch eine Alternative.

Ein rot-rot-grünes Bündnis in NRW wäre ein starkes politisches Signal. Denn es würde bedeuten, dass die SPD sich mit ihrer Rolle als strategischer Mehrheitsbeschaffer in einer großen Koalition nicht mehr abfinden will. Es würde bedeuten, dass die SPD den Mut hat, linke Politik zu vertreten. In NRW kann die SPD das Fundament für eine Rückkehr an die Macht bei der Bundestagswahl 2013 legen – aber nur gemeinsam mit den Grünen und der Linkspartei.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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