Wowi-Dämmerung in Berlin

Hauptstadt-Airport Das Debakel um die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens zeigt: Die Zeit des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit geht zu Ende. Und das ist auch gut so
Als Aufsichtsratschef der Berliner Flughafengesellschaft will Klaus Wowereit nicht mehr weitermachen. Als Berliner Senatschef dagegen schon
Als Aufsichtsratschef der Berliner Flughafengesellschaft will Klaus Wowereit nicht mehr weitermachen. Als Berliner Senatschef dagegen schon

Foto: Sean Gallup / Getty Images

Es gab mal eine Zeit, da war Klaus Wowereit so etwas wie der König von Berlin. Seine Koalitionspartner konnte er sich nach Belieben aussuchen, die Opposition war harmlos und selbst die Springer-Presse biss sich am Regierenden Bürgermeister von Berlin die Zähne aus.

Das ist lange her. Nun herrscht in Berlin Wowi-Dämmerung. Zum vierten Mal musste die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens verschoben werden. Bei der ersten Absage im Mai 2012 war es noch eine Berliner Provinzposse. Die zweite Verschiebung war ein schwerer Imageschaden. Inzwischen ist die Sache längst ein handfester Skandal. Denn dass es erneut nichts mit der geplanten Eröffnung werden würde, war intern seit dem 18. Dezember bekannt. Aber anstatt die Öffentlichkeit zu informieren, sprach Wowereit, der als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft die Verantwortung trägt, wolkig davon, dass der Eröffnungstermin im Herbst 2013 nicht zu garantieren sei. Wie die Lage wirklich aussah, erfuhr die Öffentlichkeit dann aus den Zeitungen. Dass Wowereit nun den Vorsitz des Flughafen-Kontrollgremiums niedergelegt hat, wird nicht reichen. Denn es geht um wesentlich mehr als nur um formale Zuständigkeiten.

Es geht darum, dass die Berliner Politik nicht in der Lage ist, ein so großes Projekt zu steuern. Es geht um viele Millionen Euro, die Berlin zusätzlich für das Großprojekt hinblättern muss, weil die Eröffnung immer wieder verschoben wird. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Berliner Senats. Und es geht um einen lustlos agierenden Regierenden Bürgermeister, der schwer angeschlagen ist. Die Grünen wollen einen Misstrauensantrag gegen ihn einbringen. Dass er angenommen wird, ist unwahrscheinlich. Aber es wird interessant sein, wie viele Abgeordnete aus der rot-schwarzen Regierungskoalition gemeinsam mit der Opposition stimmen werden.

Eines ist dagegen jetzt schon sicher: Das Prinzip Wowereit, es funktioniert nicht mehr. Jahrelang hat sich der einstige Hoffnungsträger der SPD-Linken in der Hauptstadt so durchgemauschelt, immer mit einem lockeren Spruch auf den Lippen. Wenn es mal Probleme gab, dann ließ sich Wowereit davon nicht aus der Ruhe bringen. Er machte einfach weiter wie bisher. Und kam damit durch. Hinterher war er dann noch stärker als vorher. Und damit verkörperte er lange Zeit auch das Berliner Lebensgefühl.

Das ist jetzt vorbei. Denn es ist genau dieser Politikstil, der Wowereit nun zum Verhängnis geworden ist. Weitermachen wie bisher: Das wird kaum gehen. In den Umfragen ist der Berliner Senatschef bereits abgestürzt, nun droht der einstige Liebling der Partei im Bundestagswahlkampf neben dem Spitzenkandidaten Peer Steinbrück zu einer weiteren Belastung zu werden. Und ob die vierte auch die letzte Terminverschiebung war, lässt sich kaum sagen.

In der Berliner SPD ist Wowereits Macht längst erodiert. Der Partei- sowie der Fraktionschef sind nicht mehr seine Gefolgsleute. Im Gegenteil: Sie achten auf inhaltliche Distanz zum Mann im Roten Rathaus. Kein Wunder: Bei den Berliner Sozialdemokraten haben die Überlegungen, wie die Zeit nach Wowereit aussehen könnte, längst begonnen. Doch ein Nachfolger ist derzeit nicht in Sicht. Starke Politiker hat der machtbewusste Senatschef neben sich nicht zugelassen. Wowereits einstiger Kronprinz Michael Müller wurde vom Parteivorsitz gestürzt, er wäre höchstens ein Mann für den Übergang. Der neue Berliner Parteivorsitzende Jan Stöß ist noch nicht so weit, ebensowenig wie die türkischstämmige Arbeits- und Familiensenatorin Dilek Kolat.

Doch eines ist sicher: Die Ära Wowereit in Berlin geht zuende. Und man muss sagen: Das ist auch gut so.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

Philip Grassmann

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