Inside Wikileaks: Transparenz um jeden Preis?

Transparenz Der Film Inside Wikileaks stellt die Frage, ob das Streben nach transparenten Instituten das Leben von Informanten gefährden darf. Die Antwort bleibt uns überlassen

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Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt lässt die Frage offen, ob die Veröffentlichungen durch Julian Assange auf Wikileaks tatsächlich Menschenleben gekostet haben. In einer fiktiven Nebenhandlung wird die Flucht des libanesischen Informanten der US-Regierung Dr. Tarek Haliseh dargestellt. Seine Flucht wurde durch die Veröffentlichung von US-amerikanischen Botschaftendepeschen, die Wikileaks von Bradley Manning erhalten hatte, notwendig. Der Film wirft hierdurch die Frage auf, wie weit das Streben nach transparenten Institutionen gehen darf? Darf es das Leben von Informanten gefährenden?

http://digitalrealism.wordpress.com/wp-includes/js/tinymce/plugins/wordpress/img/trans.gifIm konkreten Fall der Wikileaks Enthüllungen kann diese Frage nicht endgültig geklärt werden. Aber diese ist auch in Zukunft für die Veröffentlichungspraxis von internen Informationen relevant. Denn auch wenn der Begriff des Whistleblowers neu ist, ist es die Praxis der Darlegung von internen Informationen an die Öffentlichkeit nicht und ihre Fortführung in der Zukunft ist mehr als wahrscheinlich.

Am Ende des 19. Jahrhunderts war es der französischen Majors Georges Picquart der seine eigentlich militärinternen Recherchen über die Affäre Dreyfus der Öffentlichkeit zugänglich machte. Im Watergate Skandal der 1970er Jahre bestätigte der damaligen stellvertretender Direktor des FBI Mark Felt den Reportern der Washington Post ihre Thesen. Aktuell sind es die immer noch andauernden Veröffentlichungen von Wikileaks und die Überwachungsaffäre, die durch die Enthüllungen von Edward Snowden ausgelöst wurden, die dafür sprechen, dass auch in Zukunft weiter mit unbequemen Informationen für Behörden zu rechnen ist. Neu an den aktuellen Fällen des Whistlblowings sind allerdings die Prominenz der Whistleblower und die Möglichkeiten der Medien der Netzwerkgesellschaft, die es gestatten Informationen sehr schnell und unproblematisch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund wird auch noch mal die Gefahr für die Demokratie deutlich, die von der systematischen und flächendeckenden Überwachung der Bevölkerung durch die Geheimdienste ausgeht. Behörden können sich noch stärker dagegen immunisieren für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen zu werden.

Wie aber sollen zukünftige Wistleblower mit der Frage umgehen, was veröffentlicht werden soll. Ist die Gefährdung von Informanten ein Kriterium um Informationen zurückzuhalten?

Der Film zeigt drei mögliche aber auch sehr stereotypische Lösungen für das Problem. Während es dort den staatlichen Behörden nur um den Schutz ihrer Informanten geht, verfolgt Julian Assange die Strategie der totalen Transparenz in Bezug auf das Handeln von mächtigen Organisationen. Als vernünftige Alternative zwischen diesen beiden Polen wird die Strategie von Daniel Domscheidt-Berg und den Reportern des Guardians präsentiert. Ihre Strategie ist es die Informationen zunächst zu prüfen und anschließend, falls es möglich ist, in einer Form zu veröffentlichen, die nicht das Leben von Informanten gefährdet.

Der Film stiehlt sich mit diesem Lösungsvorschlag allerdings aus einem moralischen Dilemma, das nicht so einfach gelöst werden kann. Im fiktiven Fall des libanesischen Informanten sprechen zwei Argumente für eine Veröffentlichungspraxis, die eine Gefährdung seines Lebens bewusst in Kauf nehmen darf. Zum einem ist er durch sein Arrangement mit der US-Regierung das Risiko seiner Enttarnung bewusst eingegangen. Zum anderem sind die entsprechenden Behörden für den Schutz ihrer Informanten verantwortlich. Diese beiden Argumente rechtfertigen aber keine rücksichtslose Veröffentlichungspraxis. Die Veröffentlichung muss immer im konkreten Fall abgewogen werden. Einer Gefährdung von Informanten auf der einen Seite muss immer einer ein vergleichbarer Nutzen auf der anderen Seiten gegenüber stehen. Das heißt, durch die Veröffentlichung muss eine vergleichbare Gefährdung auf einer anderen Seiten abgewandt werden. In einem konkreten Fall steht der Whistleblower oder der Journalist aber vor dem Problem, dass beides nur abschätzt werden kann. Eine rationale Entscheidung ist also unmöglich und es muss auf der Basis von moralischen Prinzipien entschieden werden. Ist der Wert der Transparenz höher einzuschätzen als der Wert eines Menschenlebens? Diese Entscheidung liegt letztlich in der Verantwortung der Whistleblower und der Journalisten. Das Risikobewusstsein auf Seiten der Informanten und der Behörden ist dabei immer ein Argument, das im Zweifel für eine Veröffentlichung spricht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philipp Adamik

Philipp Adamik war wissenschaftlicher Assistent am soziologischen Seminar der Universität Basel. Er ist Herausgeber des Blogs thedigitalisedworld.org.

Philipp Adamik

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