Ein Weizen zu viel

Eventkritik Waldemar "Waldi" Hartmann ist ehemaliger Kneipen-Wirt und omnipräsente Sport-Plaudertasche in der ARD. Nun zieht er mit seiner eigenen Show über die Bühnen der Republik

Viertel vor acht, der Saal in der Urania, einem Veranstaltungszentrum im Berliner Stadtteil Schöneberg, füllt sich langsam mit Leuten. Ein ganz eigenes Publikum, die meisten zwischen 50 und 60 Jahre alt, viele Ehepaare, die Männer tragen graue oder beige Cordjacketts, die Frauen gesteppte Westen in gedeckten Farben. In der Mitte des Raumes steht ein kleinen Beamer. Das Logo von Waldemar Hartmann mit seinem neuen Kabarett-Programm wird auf eine Leinwand auf der Bühne proijziert, "Born to be Waldi", über dem I bei Waldi schwebt ein schwarzer Schnurrbart. Das proijezierte Bild wackelt allerdings immer hin und her, wenn Zuschauer auf der Suche nach ihren Plätzen an den Beamer stoßen.

Acht Uhr, bis auf ein paar Plätze ist der Saal gefüllt. Laute Rockmusik, die One-Man-Show beginnt, Waldemar Hartmann, der zur Sport-Plaudertasche gewandelte Kneipen-Wirt aus Augsburg stürmt die Bühne. Er trägt ein enges Polo-Shirt mit seinem Logo drauf, es spannt über dem Weißbier-Bauch. Aber Waldi lässt's trotzdem rocken und gibt erst mal eine Luftgitarren-Einlage wie ein Teenager. Waldis Erfolgsrezept ist es, einen Millionenpublikum an den Fernsehschirmen zu suggerieren, sie säßen mit einem netten Typen in der Kneipe am Tresen. Jetzt will er dieses Prinzip auf die Kabarettbühnen dieser Republik übertragen.


Das Prinzip der Waldi-Show ist einfach. Hartmann erzählt eine Anekdote, drauf folgt ein Clip auf der Leinwand - etwa die legendäre Szene mit Rudi Völlers Wutausbruch in Island. Nach dem Clip wird dieser von Hartmann live mit Sprüchen kommentiert. "Sie sehen das nach sechs Jahren offenbar immer noch gern", sagt er nicht ohne Stolz. Allerdings bedauert er, dass Völler seinen Vorwurf, Waldi habe zum Zeitpunkt des Interviews schon "drei Weizen" intus gehabt, dann wieder revidierte. Wäre einfach cooler gewesen, meint Waldi, wenn Völler den Vorwurf der drei Weizen so hätte stehen lassen.

Doch leider will im Fortgang des Abends der DVD-Player, der an den Beamer angeschlossen ist, nicht so recht wie Waldi will. Dreimal ist groß auf der Leinwand zu sehen: Pause, Play, Invalid Key und dann ist der Player auch schon wieder aus. Waldi drückt auf der Fernbedienung herum, Schweiß steht ihm auf der Stirn und er wendet sich hilfesuchend an seinen Techniker. "Gestern Abend bei der Probe ging's noch", meint Waldi. Er wirkt wie ein älterer Mann, der mit der neuen Technik nicht mehr klarkommt. Eine weitere Probe hätte der Show wohl ganz gut getan.

Inhaltlich kann Waldis Kabarett auch nicht überzeugen. Wenn man als Gast 25 Euro für eine Karte ausgibt, erwartet man eigentlich etwas mehr, als dass nur bekannte Youtube-Videos gezeigt werden. 25 Clips sind es insgesamt. Doch das Publikum scheint – generationsbedingt – nichts von der Dreistigkeit mitzubekommen. Die Geschichten, die erzählt werden, handeln von einer Verwechslung zwischen Waldi und Rainer Calmund ("Calli ist ein Fettwanst, ich bin doch nur ein anfänglicher Fettwanst.") und betrunkenen Schiedsrichtern. Die beste Anekdote erzählt von Mehmet Scholl. Ein Schiedsrichter gab ihm mal eine Gelbe Karte in einer Situation, die hundert Prozent eine Rote verdient hätte. Der Grund: Der Schiri hatte seinem Sohn das Trikot von Scholl versprochen, welches durch eine Rote Karte wohl nie in sein Besitz gekommen wäre.

Er macht Witze über Blaskapellen

Waldis Kommentare zu einzelnen Videos überzeugen auch nicht gerade durch Humor oder Scharm. Sie sind meist einfach ordinäre Sprüche, wie man sie in verrauchten Eckkneipen allzu oft hört. So kommentiert Waldi ein Video mit einer Blaskapelle, welche anlässlich zu seinem Geburtstag spielt: "Wusste gar nicht, wer an meinem Geburtstag alles geblasen hat."

Aber Waldi ist ja auch nicht nur da, um die Leute zu unterhalten – er will auch sein Buch verkaufen. Die Bücher sind demonstrativ auf der Bühne auf Waldis Tischen platziert. Nach der Show, so Waldis Tipp, könne man die Bücher auch gleich noch signieren lassen. Und trotz Waldis flacher Sprüche kaufen sich in der Pause schon die ersten Zuschauer die Elaborate des Dampfplauderers.

Die Zugabe, wie sollte es anders sein, ist auch noch ein Video mit dem Song Daddy Cool, zu dem Waldemar Hartmann an der Seite der Bühne tanzt. Und was war eigentlich die Idee hinter dieser Show? Er wolle "mal sein eigener Programmdirektor sein", hatte Waldi am Anfang des Abends gesagt. Am Ende des Abends hofft man, dass das eine Ausnahme bleibt.

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