Hexenjagd oder moralische Panik? Adrian Daub glaubt nicht an eine „Cancel Culture“

Diskurs Alle reden von „Cancel Culture“, aber gibt es sie wirklich? Denn: Keiner kann sie definieren. Möglicherweise ist sie nur ein altes Gespenst mit vielen Verwandten. Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub klärt auf
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 48/2022
Hexenjagd oder moralische Panik? Adrian Daub glaubt nicht an eine „Cancel Culture“

Collage: der Freitag; Fotos: Adobe Stock, Getty Images

Unter den vielzitierten Gespenstern, die in der Kultur umgehen, ist Cancel Culture nicht mehr das jüngste, aber eines der hartnäckigsten. Wobei es sich dabei vielleicht eher um ein Gerücht handelt, behauptet Adrian Daub in seinem neuen Buch Cancel Culture Transfer. Ein Gerücht, das besagt, missliebige Meinungen dürften nicht mehr in der Öffentlichkeit geäußert werden, Intellektuelle, Künstler*innen, Politiker*innen, die vermeintliche Sprachregelungen missachteten, würden mundtot gemacht. Meinungskorridor, Gesinnungspolizei, man kennt es. Die Liste der Aufreger und Artikel darüber ist lang, Welt-Chef Ulf Poschardt etwa schreibt regelmäßig die Bedrohung der Freiheit durch eine außer Kontrolle geratene Moral herbei, zahlrei