Emily Segal: Zeugin einer dekadenten Zeit

It-Literatin Emily Segal sieht sich als eine Anthropologin der 2010er Jahre. Ist ihr erster Roman „Rückläufiger Merkur“ das Nebenprodukt ihres Burnouts? Aber ja!
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 35/2022

Eines Tages verlor die Trendforscherin Emily Segal die Fähigkeit, Mode-Codes zu lesen. Es ergab alles keinen Sinn mehr – ein Problem für jemanden, dessen Aufgabe es ist, kulturelle Zeichen zu entziffern, ihre Bedeutung zu antizipieren und die Erzählungen der Zukunft zu stricken.

Die Protagonistin des Romans Rückläufiger Merkur heißt wie seine Autorin, und diese Verwirrung ist gewollt. Denn hier handelt es sich um einen autofiktionalen Roman, und das Buch fügt sich in jenen Makrotrend der Literatur ein, in dem Fiktion und Fakten ineinanderfließen – ein kollektives „main character syndrome“, sagten manche, also die obsessive Selbstbezogenheit einer Generation. Segal hingegen sagt: „Das ist ein Bildungsroman, in dem ich eine