Abendland, zeig endlich deine Zähne!

Filmkritik "Dracula Untold" von Gary Shore ist sowohl filmisches Desaster, als auch schauerliche Selbstreferenz des westlichen Zeitgeistes

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Karriere, Familie und Körperfettanteil kriegt dieser Dracula (Luke Evans) problemlos unter einen Hut
Karriere, Familie und Körperfettanteil kriegt dieser Dracula (Luke Evans) problemlos unter einen Hut

Foto: Screenshot Trailer

Die Geschichte des historischen Dracula, Vlad III Țepeș, bietet eigentlich reichlich Stoff für spannende Filme. Fast kann man es als eine Kunst bezeichnen, das die Macher von „Dracula Untold“ das Drehbuch des Films beinahe vollständig an diesem Material vorbei geschrieben haben. Das Resultat sind eine hanebüchene Handlung, Dialoge und schauspielerische Leistungen auf Telenovela-Niveau, und eine Charakterzeichnung, die holzschnittartig zu nennen die Zunft der Holzschneider aufs tiefste beleidigen würde. „Dracula Untold“ bietet weder spannende Einblicke in das ereignisreiche Leben des historischen Dracula, noch innovative Variationen des Vampir-Mythos, reflektiert aber auf schauerliche Weise den kulturellen Selbstverständnis des westlichen Abendlandes.

Regisseur Gary Shore präsentiert Vlad III. als Abbild des neoliberalen Superleistungsträgers. Ein Schönling mit Waschbrettbauch, der als idealer Despot nichts anderes möchte, als seinem Volk Frieden und Glück zu bringen. Ganz nebenbei ist er auch noch ein Suptervati für seinen vorbildlichen Sohn. Unterstützt wird von seiner Frau, die nicht nur fürsorgliche Mutti, sondern auch wollüstige Sexbombe ist. Karriere, Familie und Körperfettanteil kriegt dieser Dracula problemlos unter einen Hut. Wahrlich, dagegen sehen sogar William und Kate alt aus. Die Regenbogenpresse wäre gewiss begeistert über so ein Herrscherpaar, das man dem Pöbel als Vorbild verkaufen könnte.

Die Horden des Ostens und die Lämmer des Westens

Das Glück der modernen Kleinfamilie, die in einem schauderhaft animierten, neogotischen Neuschwanstein residiert, und deren glücklichen Untertanen wird allerdings bedroht. Unter der Flagge des Halbmondes bedrängt Sultan Mehmed mit seinen finsteren Heerscharen das friedliche Ländchen in den Karpaten. Wieder einmal wird das friedfertige christliche Abendland von den wilden Horden des Ostens bedroht. Mehmed kommt daher wie ein unverschämtes türkisches Ghettokid, dem man auch gleich den passenden Haarschnitt verpasst hat. Seine gigantischen Armeen aber, besonders die zu fanatischen Kampfmaschinen gedrillten Janitscharen, sind mordlüsterne Metzger, die wie gleich den IS-Kämpfern nach dem Blut der wehrlosen christlicher Lämmer dürsten.

Diese bösartigen Türken, die keinen Respekt vor ihren christlichen Nachbarn zeigen und immer unverschämtere Forderungen stellen, treiben den verzweifelten Dracula schließlich dazu, einen Pakt mit dem Bösen zu schließen, um der Gefahr zu begegnen. So muss der Möchtegern-Gutmensch zum blutsaugenden Monster mutieren, um die Türken bekämpfen zu können. Damit folgt der Film einem fragwürdigen Schwarz-Weiß-Schema, das leider all zu oft in Hollywood-Blockbustern zu beobachten ist. Die Logik des Films ist einfach: Um den abendländischen Christengutmenschen zu helfen braucht's schon eine dämonische Kraft von Außen, denn diese christlichen Abendländer sind ja viel zu zivilisiert, gutmütig und harmlos um selbst das Schwert in die Hand zu nehmen und den Türken Mores zu lehren. Mit der historischen Realität hat das natürlich wenig zu tun, aber die Islamhasser werden mit dem in diesem Film vermittelten Türken- und Islambild sehr zufrieden sein: Abendland, zeig eindlich deine Zähne!

Der tragische Tyrann

Dracula ist in diesem Film eine geplagte Kreatur, ein Herrscher, der Böses tun muss um Gutes zu erreichen. Seinen historischen Beinamen „der Pfähler“ trägt er zwar auch im Film, aber nur, weil er im Dienste der Türken den Wüterich geben musste, ganz gegen sein eigentlich friedliches Naturell. Die Schläge der Türken formten seine dunkle Seite in der Kindheit. Damit ist selbstverständlich jede Form der Gewalt gegen die Türken von vornherein gerechtfertigt. Die Bösen sind wie immer selbst schuld, wenn sie abgeschlachtet werden. Das abendlandrettende Gemetzel bedarf keiner Erklärung, man wehrt sich ja nur gegen die Aggression der fremden Eroberer. Zuviel geistiger Anspruch darf ja nicht sein, immerhin soll die (lieblos inszenierte) Effektschlacht den abendmüden Zuschauer primär unterhalten. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn sich die Drehbuchautoren wenigstens ein kleines bisschen mehr Mühe gegeben hätten. So aber präsentieren sie einen Dracula, mit dem sich gewiss jeder Diktator auf engste identifizieren kann. Wir wollen ja alle gar nicht foltern und morden, aber wir leben ja im Reich der Notwendigkeit und da muss es halt sein: Für die Freiheit, die Nation, den Islam, Christus oder was auch immer.

Soviel geschichtsklitternde Selbstbeweihräucherung erinnert fast schon an den faschistoiden Streifen „300“, aber dieser Vergleich wäre wohl zuviel des Guten. Dafür ist „Dracula Untold“ dann doch zu langweilig, ideen- und zahnlos. Die Spartiaten hatten wenigstens noch Spaß beim Zähnezeigen und draufhauen, aber dieser Gutmenschen-Dracula ist nur eine weichgezeichnete Heulsuse. Nein, dieser Vampir-Fürst, von dem bisher aus gutem Grund noch Nichts erzählt wurde, soll gar nicht böse sein und genau das macht ihn unglaubwürdig und zugleich langweilig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philipp Schaab

Studierte Religionswissenschaft, Geschichte und etwas Geographie in Heidelberg und Krakau. Schreibt über Religionen, Geschichte u. a. schöne Dinge.

Philipp Schaab

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