Black Metal aus dem Orient

Musik Die saudische Band Al Namrood verbindet problemlos arabisch-orientalische Musiktraditionen mit dem grimmigen Sound des Black Metal – und riskiert dafür Kopf und Kragen

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Seit 2008 sind Al Namrood (in etwa: „Er ist der Ungläubige“) aktiv. Der Name verweist auf den babylonischen König Nimrod, der laut biblischer Überlieferung den legendären Turm zu Babel errichten ließ. In ihren Liedern setzt sich die Band mit der Tyrannei vorgeschichtlicher nahöstlicher Könige und mit den Göttern und Dämonen der Mythenwelt des alten Orients auseinander. Aber die Mitglieder von Al Namrood wollen mit ihren Texten nicht nur düstere Geschichte(n) über die dunkle Seite des Orients vermitteln und erzählen. Sie wenden sich damit offensiv gegen autokratischen Machtmissbrauch, Despotie, Korruption und religiöse Bevormundung.

Für eine Band aus einem Land, das von einem absoluten Monarchen mit der Knute des fundamentalistisch-wahhabitischen Islams regiert wird, ist das mehr als nur starker Tobak. Dazu verarbeitet Al Namrood den Zorn der Bandmitglieder über die Zustände in ihrer Heimat in einer der umstrittensten Musikrichtungen dieses Planeten: Black Metal.

Die Musik von Al Namrood vereint auf außergewöhnliche Weise die Aggressivität des Black Metal mit arabisch-orientalischen Rhythmen und Melodien. Dazu verwendet die Band auch traditionelle nahöstliche Instrumente wie Oud, Darbuka und Kanun. Als prägende musikalische Einflüsse nennen die Bandmitglieder die Metal-Bands Melechesh und Nile, vor allem aber Darkthrone, Behemoth und Marduk. Seit der Gründung von Al Namrood veröffentlichte die Band eine EP und vier Alben. Der neueste Longplayer „Heen Yadhar Al Ghaq“ (arab. „Wenn die Abenddämerung zum Vorschein kommt“) erschien in diesem Jahr.

Über die möglichen Konsequenzen seiner Aktivitäten ist sich Mephisto, Gitarrist und Bassist der Band, durchaus im Klaren. In einem Interview mit dem kanadischen Metalwebzine Rock'n Balls erklärte er freimütig:

„... as I mentioned, the government do not wish to see you doing any kind of metal, it's strictly forbidden. It's like a conspiracy against Islam so it must be privately. ... in Saudi Arabia drugs dealing is way better than making a black metal band. At least, if you are a drugs dealer you will be thrown in jail, but if you are a musician you will be beheaded. If someone is caught doing any metal exercise, they will first ask him if he is Muslim. If he turns out to be Muslim, he will be forcefully enrolled in a special religious program of some kind of brain washing to make him stop doing what he's doing. After the rehab, he will be integrated again to test his religion range. If he is not responding to the Islamic probation, he will be punished by 100 lashes and a jail time. If this punishment failed to make him stop, he will be sent to the superior court for execution order. But in case he says he is not Muslim, he will be considered as religion refuse and thus will be executed immediately.“

Wer in Saudi-Arabien Metal-Musik spielt und von den Behörden entdeckt wird, gilt als Bedrohung des islamischen Wertesystems. Die Musiker riskieren religiöse Zwangsumerziehung, Peitschenhiebe und Gefängnisstrafen, wer als saudischer Bürger noch dazu das Bekenntnis zum Islam widerruft, wird zum Tode verurteilt. Konzerte finden unter diesen Umständen nicht statt, was kaum verwundern dürfte. Die Sicherheit der Bandmitglieder hängt von der Loyalität ihrer Fans ab und der Tatsache, dass Metal in Saudi-Arabien noch weitgehend unbekannt ist und daher nicht im Fokus islamischer Glaubenseiferer steht. Die Band produziert ihre Musik selbst, damit sie anaoym bleiben und Musikstudios in Saudi-Arabien ohnehin verboten sind. Der Vertrieb wird von einem kanadischen Label übernommen.

Um sich in der konservativen saudischen Gesellschaft zu schützen, veröffentlicht die Band weder die richtigen Namen noch Fotos der Bandmitglieder. Auch die arabischen Texte werden nicht veröffentlicht. Nur ein kleiner Kreis von Gleichgesinnten unterstützt die Band vor Ort. Selbst die Familienmitglieder wissen nichts vom gefährlichen Hobby der Musiker.

Es ist ein zartes Pflänzchen subkulturellen Widerstands, der in Saudi-Arabien und anderen konservativ geprägten arabisch-islamischen Staaten erblüht. Vielleicht handelt es sich bei diesem Phänomen auch um ein Zeichen, dass durch die Effekte der Globalisierung hervorgerufenen kulturellen Wandels enstand. Auch Länder wie Saudi-Arabien können sich diesem Ereignis nicht dauerhaft verweigern. Das Internet überwindet ohne Probleme die kulturellen Sperrmauern der wahabbitischen Trutzburg am roten Meer. Dessen Inhalte nagen am Sockel der fundamentalistischen Staatsreligion, die das öffentliche Leben in Saudi-Arabien bis ins kleinste Detail beeinflusst und dominiert.

Noch sind Bands wie Al Namrood einsame Rufer in der Wüste der arabischen Halbinsel. Schon aus Sichertsgründen vermeiden die Mitglieder der Band jede Öffentlichkeitsarbeit in den arabischsprachigen Ländern und orientieren sich primär zu den Märkten toleranterer Länder der alten und neuen Welt. Aufgeben wollen die engagierten Metaller trotz aller Gefahren und Hindernisse nicht. Der von Mephisto geäußerte Grund sollte den Sittenwächtern in Saudi-Arabien zu Denken geben:

Saudi Arabia is the biggest motivation you could ever get to start a black metal band.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philipp Schaab

Studierte Religionswissenschaft, Geschichte und etwas Geographie in Heidelberg und Krakau. Schreibt über Religionen, Geschichte u. a. schöne Dinge.

Philipp Schaab

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