Vielleicht weil sie fürchten, dass andere hinter ihrem Rücken über sie herziehen, halten viele Leute Klatsch und Tratsch für keine gute Sache. Allgemein wird unterstellt, Tratschen sei vor allem ein weiblicher Zeitvertreib, Männer äußern sich da jedenfalls oft abfällig. Das dürfte daran liegen, dass sie oft an Gefühlslegasthenie leiden und die Feinheiten und Zwischentöne des Tratsches nicht verstehen. Sie tun das Gerede als bedeutungslos ab, obwohl es beim Tratsch um nichts Geringeres geht als um eine sinnhafte Verbindung zu unseren Mitmenschen.
Wir sind Herdentiere. Wir brauchen einen vertrauten Stamm, und der Tratsch ist ein wichtiges Mittel, diesen Stamm zusammenzuhalten. Heutzutage zerreißen wir uns unsere Mäuler am liebsten über Prominente. In einem kürzlich im Journal of Social Neuroscience veröffentlichten Aufsatz berichten Wissenschaftler darüber, wie die Gehirne der Probanden neuronal auf verschiedene Arten von Klatsch reagierten. Auch wenn die Testpersonen es nicht zugeben wollten: Über negative Promigerüchte freuten sie sich besonders, das belegt eine beträchtlich erhöhte neuronale Aktivität im Belohnungssystem ihrer Gehirne.
Es behagt uns, zu sehen, wie andere von ihrem Sockel stürzen. Wir betrachten den Misserfolg eines Prominenten so, als handelte es sich bei ihm oder ihr um einen Rivalen in unserem eigenen Stamm. Evolutionsgeschichtlich befinden wir uns immer noch nah an der Zeit, in der wir in kleinen Gruppen eng zusammenlebten. Wenn wir Klatsch über Prominente austauschen, wirkt das für unser Gehirn in etwa so, als ob wir uns gerade über gemeinsame Bekannte unterhielten. Der Eindruck, dass jemand sich mittels Tratsch in ungebührlicher Weise in die Angelegenheiten anderer einmischt, haben wir immer nur bei anderen – niemals aber, wenn wir selbst uns im Besitz interessanter Informationen über eine Person befinden und diese weitergeben.
Dem Evolutionspsychologen Robin Dunbar zufolge drehen sich zwei Drittel unserer Kommunikation um soziale Themen, um Menschen, nur ein Drittel um Kultur oder Politik. Dunbar hält den Austausch sozialer Informationen für eine entscheidende Primärfunktion der Sprache. Der Tratsch ermöglicht es, uns mit anderen zu vergleichen – und zu testen, welche sozialen Normen und Grenzen in unserem Stamm gerade gelten. Es geht darum, informiert zu sein. Und immer wieder zu lernen, dass das ganze Leben eine Suche ist.
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