Das Märchen vom Surferparadies

Deutsche Telekom Hamburg wird zur ersten HotSpot-City Deutschlands. Das nützt dem Image der Deutschen Telekom, dem Verbraucher nur bedingt

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Das Märchen vom Surferparadies

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Die Deutsche Telekom hat angekündigt Hamburg großflächig mit WLAN HotSpots zu versorgen. Gemeint sind vor allem touristische Zentren wie der Hafen, dort bei den Landungsbrücken, dem Fischmarkt und dem Cruise Terminal Altona, außerdem die Shopping-Meilen Mönckebergstraße, Jungfernstieg, Gänsemarkt und Große Bleichen. Anschließend soll St. Pauli mit dem Schwerpunkt rund um die Reeperbahn hinzukommen.

Der Zugang soll täglich für eine Stunde kostenlos sein. Wenn diese eine Stunde nicht reicht, kann man sich einen Tagespass von der Telekom für knapp fünf Euro kaufen um unbegrenzt surfen zu können. Dadurch käme man bei einem siebentägigen Aufenthalt in Hamburg auf 35 Euro. So also stellt sich die Deutsche Telekom ein „Surferparadies“ vor.

Durch verschiedene Schlagzeilen ist der Konzern in der Vergangenheit immer wieder in Verruf geraten. Für einen Aufschrei unter Netzpolitikern sorgten die Drosselkompläne Anfang dieses Jahres. Neukunden haben seit Mai 2013 nur noch ein bestimmtes Datenkontingent zur Verfügung. Wird dieses überschritten, drosselt die Telekom die Übertragungsrate auf 384 KBit/s. Von der Datenmenge ausgenommen sind Telekomeigene Unterhaltungsmedien im T-Entertainment. Deshalb sprechen Netzaktivisten und –politiker hier von einem Zwei-Klassen-Netz. Außerdem wurde der Deutschen Telekom in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, den Netzausbau der Breitband- und Glasfasernetze aufzuhalten. So investierte sie unter anderem in das aufwendige VDSL2-Vectoring. Dieses Verfahren kitzelt die letztmöglichen Kapazitäten aus den alten Kupferleitungen. Dadurch spart die Telekom viel Geld und schafft einen Quasifortschritt. Dass sich die Telekom jetzt als der große Heilsbringer des Netzausbaus präsentiert, ist zynisch. Zwar investiert sie auch Milliarden in den Glasfaserausbau und will bis 2016 24 Millionen Haushalte ans Netz anbinden (derzeit ca. 12 Millionen), trotz allem sind die HotSpot-City Pläne mit Vorsicht zu genießen. Das WLAN-Netz, das aufgespannt werden soll, ist weder umfassend kostenlos noch frei zugänglich. Um sich einwählen zu können, muss eine Anmeldung mit einer Mobilfunknummer stattfinden. Dadurch ist es möglich, jedes einzelne Datenpaket einer Nummer und zweifelsfrei einer Person zuzuordnen. Außerdem ist die kostenfreie Nutzungsdauer pro Tag auf eine Stunde beschränkt.

Dass sich die Telekom jetzt auch im HotSpot-Bereich eine Monopolstellung erarbeitet, kann die Verbraucher nur beunruhigen. Ein Konzern, der in seinen Mobilfunk- und Internetanschlussverträgen ein Zwei-Klassen-Netz aufbaut, darf nicht ganze Städte als Einziger versorgen dürfen. Der Verbraucher hat keine Chance auf einen anderen Anbieter auszuweichen, sollte er mit den Datenschutz- oder Netzneutralitätsbestimmungen der Telekom nicht einverstanden sein.

Das Grundproblem, weshalb Deutschland beim Thema Open Access Wifi hinterher hinkt, ist aber vor allem in der Politik zu suchen. Durch die sogenannte „Störerhaftung“ ist es in Deutschland nahezu unmöglich ein offenes, freizugängliches WLAN zu betreiben. Der Anschlussinhaber haftet für Straftaten, wie zum Beispiel Urheberrechtsverletzungen, die in seinem Netz begangen werden. Dass diese Rechtsauffassung in Zeiten des Internets veraltet und höchst umstritten ist, zeigt der eineinhalb Jahre andauernde Rechtsstreit einer Rentnerin aus Berlin. Ihr wurde vorgeworfen einen Film in einer Tauschbörse angeboten zu haben. Obwohl die Frau nachweisen konnte, dass sie zwar einen Internetanschluss, aber weder Router noch Computer zum Tatzeitpunkt besaß, ging der Fall bis vor den Bundesgerichtshof. Solange es in Deutschland keine Initiative der Politik gibt, geltendes Recht in dieser Hinsicht zu ändern und die Anschlussinhaber besser abzusichern, haben die Verbraucher im öffentlichen Raum immer das Nachsehen. Entweder müssen sie sich in einem Café oder Einkaufszentrum einen Zugangscode holen und dabei häufig die eigene Anschrift oder andere persönliche Daten preisgeben. Oder ein Telekommunikationskonzern wie die Deutsche Telekom schafft ein eigenes bezahlpflichtiges Städte umspannendes WLAN-Netz und erklimmt somit eine Monopolstellung. Diese dann als Surferparadies zu verkaufen, ist reinstes Marketing. Für die Verbraucher ist das alles eher teurer Zirkus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philou Pfab

https://geschicktgendern.de/ Cultural Manager, Design Thinker

Philou Pfab

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