Der Marketingwitz von Facebook, Google und Co

Datenschutz US-amerikanische Internetkonzerne fordern ein Ende flächendeckender Überwachung, um das Vertrauen in Technologie Made in USA wieder herzustellen. Eine Farce

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Der Marketingwitz von Facebook, Google und Co

Foto: KAREN BLEIER/AFP/Getty Images

Dass der Begriff Big Data inzwischen zum Schimpfwort geworden ist, liegt nicht an vermeintlich paranoiden Datenschützern, die hinter jeder Erfassung von individuellen Nutzerdaten Missbrauch und Willkür vermuten. Stattdessen sind es Geheimdienste, Regierungen und die großen Internetkonzerne, die so viele Daten von uns sammeln, speichern und auswerten wie nur irgend möglich. Dem individuellen Nutzer bleiben nur die Möglichkeiten der „Datensparsamkeit“ oder aufwendige Verschlüsselungsverfahren, die allerdings nur dann sicher sind, wenn am Ende der Kommunikationskette auch jemand sitzt, der eben jenes Verfahren auch nutzt.

Wie sehr sich der Überwachungsskandal jedoch schon zugespitzt hat, zeigt der Aufruf der größten, gleichzeitig ausnahmslos US-amerikanischen Internetfirmen wie Google, Facebook und Microsoft mit dem Titel „Reform Government Surveillance“. Was man vordergründig wie ein ehrbares Unterfangen klingt, stellt sich in Wirklichkeit ganz anders dar. Heraushören kann man das aus einem Interview mit Facebook-CEO Mark Zuckerberg. Staatliche Überwachung nehme den Usern das Vertrauen und dieses Vertrauen müsse wieder hergestellt werden. Zuckerberg hofft hier auf die naive „Ein-gemeinsamer-Feind-schweißt-zusammen“-Logik bei den Nutzern. War bisher immer Facebook der Inbegriff eines digitalen Angriffs auf die Privatsphäre, so sollen nun also die Geheimdienste ihren Kopf hinhalten, die schuld an der Misere sind. Zuckerberg mischt sich mit großem Brimborium unters gemeine Internetvolk und zeigt mit dem Finger auf die NSA. Gleichzeitig versucht er damit US-amerikanische Politiker unter Druck zu setzen und die patriotische Wirtschaftskarte auszuspielen. Wenn die Nutzer nämlich zur ausländischen Konkurrenz überlaufen würden, weil sie sich dort sicherer fühlten, seien Facebook, Google und Co. die Leidtragenden und damit auch der gesamte US-amerikanische Markt.

In der Tat könnten die Konzerne zusammen derart viel Einfluss haben, dass sich Politiker in den USA womöglich noch stärker für bessere Kontrollen der Geheimdienste einsetzen werden. Dass es aber gerade Unternehmen wie Facebook und Google, sind die sich urplötzlich für Datenschutz und Privatsphäre engagieren, kann man lediglich als reine Marketingstrategie verstehen. Google finanziert sich zu 90% aus Werbung, davon sind 80% personalisiert, ist also exakt aus dem Surfverhalten des Kunden berechnet. Facebook agiert hier wesentlich unverschleierter. Es verkauft die Nutzerprofile ohne große Umwege an Marktforschungs- und Marketingunternehmen, genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Weitaus seltener in den Schlagzeilen und dennoch mit einer vergleichbaren Strategie handelt die Deutsche Telekom. Erst führte sie ein nichtssagendes Siegel namens DE-Mail ein und machte sich so zum populistischen Handlanger der Bundesregierung, jetzt will sie darüber hinaus eine abhörsichere Verschlüsselung für Telefonie anbieten, das sogenannte „A5/3“. Dass diese lediglich eine Funkverschlüsselung darstellt und keineswegs vor einer Überwachung durch Geheimdienste schützt, wird wohlwissend verschleiert.

Der Bürger bleibt dabei weiterhin bloß ein Spielball der Mächtigen. Paranoide Geheimdienste rund um den Globus vermuten in jedem Bürger einen potentiellen Terrorist und empörte Riesenkonzerne fürchten nun um ihr Geschäftsmodell, welches darin besteht die Nutzer- und Metadaten ihrer Kunden an Werbepartner zu vertreiben. Man darf also durchaus weiterhin beunruhigt sein: Alles beim Alten.

Mitarbeit: Kathrin Maurer
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Geschrieben von

Philou Pfab

https://geschicktgendern.de/ Cultural Manager, Design Thinker

Philou Pfab

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