Freier Tag für alle!

4-Tage-Woche Finnlands Premierministerin Sanna Marin wünscht sich 4-Tage-Woche. Eine geniale Idee!

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Foto: Robert Agthe/Flickr (CC 2.0)

Auf einer Feierlichkeit im August des verstrichenen Jahres zeigte die finnische Premierministerin Sanna Marin, zu jener Zeit von Amts wegen noch Familienministerin, sich angetan von der Idee einer 4-Tage-Woche: „Ich glaube, die Menschen haben es verdient, mehr Zeit mit ihren Familien, Angehörigen, Hobbies und anderen Aspekten des Lebens wie der Kultur zu verbringen. Dies könnte der nächste Schritt für uns im Berufsleben sein.“

Arbeitszeitverkürzung, ein Konzept, das die Jugend von heute in leicht abgewandelter Form seit einiger Zeit aktiv praktiziert, indem sie freitags unter der Maxime „Fridays for Future“ schuleschwänzend für mehr Klimaschutz demonstriert. Zugleich werden Stimmen laut, die auf Marins Ansinnen entsetzt reagieren und auf einen damit sicherlich verbundenen Niedergang der Wirtschaft verweisen. Die Wirtschaft also.

Während Down Under in brütender Hitze vor sich hin kokelt, ebenso wie halb Sibirien, wenn auch nicht ganz so heiß und man in Ozeanien schon mal vorsorglich Schwimmwesten hortet, fürchtet man hierzulande offenbar nichts mehr als einen möglichen Produktionsabfall. Von was? Einwegverpackungen? Plastikflaschen? Schnell- und kurzlebiger Technika? Ich habe mir kürzlich einen Drucker zugelegt, der im Gegensatz zu dem alten Modell einen Verschleiß von sage und schreibe zehn Druckerpatronen im Jahr hat. Der alte verhielt sich umgekehrt und verbrauchte nur eine in zehn Jahren. Womöglich ist es nicht der Produktionsniedergang, sondern die derzeitige Wirtschaftsweise, die den Kern des Problems darstellt, die mit ihrer Who-Cares-Mentalität Schrott und Müll produziert, als gäbe es kein Morgen.

Während die Welt sich über auf Gängen in Zügen hockende Klimaaktivistinnen mokiert, geht das Klima tatsächlich den Bach, oder vielleicht eher den Ozean hinunter. Die Forderungen der jungen Menschen sind nicht mit einem müden Klimapaket eines Klimakabinetts abgetan (Konsens: „Wir müssten bald mal was tun. – Ja, bald. – Ja, ganz bald. Bestimmt. Nächstes Jahr oder so.“). Von daher ist eine 4-Tage-Woche womöglich keine schlechte Idee, denn wenn weniger gearbeitet wird, wird auch weniger produziert und das ist gut fürs Klima.

Man hätte mehr Zeit für andere Dinge, zum Beispiel den alten Drucker in ein Reparatur-Café bringen. Hätte der Arbeitstag nur sechs Stunden, würde man vielleicht öfter zu Fuß gehen oder mit dem Rad ins Büro fahren, würde sich morgens ein Müsli schroten anstatt in aller Eile aufwendig produzierte Knusperflakes mit hohem CO2-Fußabtritt hinunterzuschlingen. Man würde öfter was kochen, anstatt sich abends eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben.

Aber nicht nur der Umwelt wäre geholfen. Wer mehr Zeit hat, leidet weniger unter Stress. Die Zahl der Menschen mit Burn-out, Depressionen und Rückenschmerzen durch chronische Überlastung steigt seit Jahren. Gesündere und fittere Menschen leisten mehr und entlasten die Sozialsysteme. Letztlich wäre das eine Win-Win-Situation. Oder nehmen wir den demographischen Wandel, die Überalterung der Gesellschaft und den Pflegenotstand. Mit einer 4-Tage-Woche könnten sich Menschen mehr um ihre Angehörigen kümmern. Das ist nicht nur schön, sondern auch günstiger als ein Pflegeheim.

Versuche haben gezeigt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit die Zufriedenheit und Motivation von Mitarbeitern erhöht. Im Sahlgrenska Uni-Krankenhaus in Göteborg hat sich nach Einführung einer 30-Stunden-Woche die Wartezeit der Patienten verringert, während mehr Personal eingestellt wurde, Ärzte mehr Operationen schafften und sich die Wirtschaftlichkeit verbesserte. In einem Altersheim in Schweden ist die Zahl der Krankschreibungen der Angestellten um ein Fünftel gesunken, während die Bewohner sich besser versorgt fühlten. Auch in Deutschland zeigen sich Menschen von einer 30-Stunden-Woche angetan. Eine Umfrage der IG Metall im Jahr 2014 besagt, dass viele sich mehr Freizeit wünschten, gern mehr Zeit mit ihrer Familie hätten und für gesenkte Arbeitszeiten wären.

Die finnische Regierung ist mittlerweile zurückgerudert und hat via Twitter wissen lassen, dass eine 4-Tage-Woche derzeit nicht auf der Agenda stünde und dass der Vorschlag Marins lediglich eine – womöglich im Überschwang der Feierlichkeiten etwas zu enthusiastisch geäußerte – Idee sei, der man aktuell nicht weiter nachgehe. Wirklich schade! Denn es ist eine super Idee. Wir sollten uns an der Jugend dieser Welt ein Beispiel nehmen und wie diese jede Woche, jeden Freitag blau machen, auf die Straße gehen oder meinetwegen in den Wald und unseren Wunsch nach einer lebenswerten Zukunft bezeugen. Fridays for Future! Freier Tag für alle!

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