Aus der Heimat, weit weit weg! (4/8)

Erinnerungen aus dem Irak Birhat Alshaibos Mutter bäckt Brot auf dem Hausdach

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Mama macht Brot

In den Sommerferien habe ich Freunden geholfen Zweige, Äste und Baumstämme, die sie in ihrem Garten geschnitten hatten, in eine Mulde zu werfen. Für das Entsorgen der Mulde mussten sie eine Menge Geld bezahlen, das fand ich sehr seltsam. Bei uns im Irak hätte man für so viel Holz ein kleines Vermögen bekommen, denn man braucht ja Holz immer wieder zum Grillen oder zum Brotbacken.

Wenn ich mit meinem Cousin beim Schafehüten gegrillt habe, reichten kleine Zweige für unser Grillfeuer. Zum Brotbacken braucht man aber dickeres Holz, das man bei uns nur in den Bergen findet.

Meine Mutter ist die beste Brotbäckerin in ganz Baadre!
Sie macht nicht nur Brot, sondern auch die Öfen für das Brotbacken. Für einen traditionellen Backofen braucht man Lehm, Heu, roten Sand und Wasser. Alles muss gut vermischt werden, dabei werden Hände und Füße verwendet. Sobald alles gut vermischt ist, kann man vorsichtig den Ofen formen. Ein fertiger Lehmofen sieht ein bisschen wie eine riesengroße frische Feige aus. Er ist innen hohl und muss nach oben und unten offen sein. Er braucht auch Öffnungen auf der unteren Seite für den Durchzug. Der fertige Ofen muss zuerst lange in der Sonne trocknen, bevor er befeuert werden kann.

Ist der Ofen einsatzbereit, trägt man ihn auf das flache Hausdach hinauf, denn im Irak verwenden wir unsere Hausdächer für alles Mögliche. Nicht nur als Grillplatz, zum Schlafen in den heißen Sommermonaten, zum Taubenzüchten oder Wäsche waschen, sondern auch zum Brotbacken.

Meistens wurde das Brot dort am frühen Morgen von meiner Mama und meiner Oma gebacken. In der Zwischenzeit bereitete meine große Schwester das Frühstück vor und ich machte schon einmal den Laden auf für frühe Kunden. Bevor man mit dem Brotbacken anfangen kann, muss das Feuer ausgehen. Unter dem Backofen darf es nur noch heiß glühen. Aus dem Brotteig werden faustgroße Kugeln geformt und danach platt gewalzt. Um die so entstandenen Fladen backen zu können, müssen sie an der Innenseite des Ofens festgedrückt werden. Damit man sich dabei nicht verbrennt, verwendet man einen „Misirk“, ein kreisrunder Backhandschuh, der genau so groß ist wie ein Fladenbrot.

An einem Morgen wurden bei uns ungefähr hundert Brote gebacken, das war mehr als genug für eine ganze Woche. Viele Brote wurden auch den Nachbarn geschenkt. Bei uns ist es ganz normal Dinge zu verschenken, sobald man davon Überfluss hat. Die Reicheren geben mehr, die Ärmeren bekommen mehr. So hat kommt am Ende jeder irgendwie über die Runden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philipp Tenta

österreichischer Komponist und Autor. Kulturrezensionen für die Neue Westfälische. Betreut seit 2015 minderjährige Flüchtlingee

Philipp Tenta

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