Rob Smith und die Stadt der Superlative

Fotografie Narrating people’s lives: Unterwegs auf den Straßen der größten Metropole der Welt mit dem britischen Fotografen Rob Smith

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STREET CLEANER
STREET CLEANER

Bild: Rob Smith

Ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich stammend, hat Fotograf Rob Smith die vergangenen 20 Jahre in China verbracht. Seine Interpretation des Genres der Straßenfotografie vermittelt ein Gefühl von Intimität: Robs Bilder erzählen Geschichten so, dass sich der Eindruck vermittelt, man habe seine Protagonisten schon seit jeher gekannt.

Interview: Katrin Strohmaier

Rob Smith, wann und aus welchem Grund hast Du Dich entschieden, Shanghai zu Deiner Wahlheimat zu machen?

In Shanghai (Anm. d. Verf.: die größte Kernstadt der Welt) bin ich vor 20 Jahren angekommen. Zu der Zeit arbeitete ich für ein britisches Unternehmen als Projektmanager, und danach blieb ich in der Annahme, nur noch ein wenig mit dem Geschäftsablauf auszuhelfen. Langsam aber sicher merkte ich, dass ich in China bleiben und nicht ins Vereinigte Königreich zurückkehren wollte. Gemeinsam mit einem Kollegen und Freund von mir verließ ich das Unternehmen und wir gründeten unser eigenes kleines Beratungsunternehmen in Shanghai, welches wir bis heute leiten.

Was gefällt Dir so an Shanghai?

Als ich in Shanghai ankam, war dort so wahnsinnig viel los, die Stadt hörte einfach nicht auf, sich weiter- und weiter- und weiterzuentwickeln. Eine derartige Energie hatte ich noch nie erlebt. Ich verliebte mich in die chinesische Kultur, ich bewunderte den Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit der Chinesen. Ich denke, was ich am meisten an Shanghai liebe, ist seine Vielseitigkeit: Man geht eine Straße entlang und sieht so viele Kontraste: alt und neu, reich und arm. Man kann für einen Euro essen oder ein kleines Vermögen für ein Abendessen ausgeben, alles in einem Umkreis von zehn Metern.

SHAFT OF LIGHT

Bild: Rob Smith

DELICIOUS NOODLES

Bild: Rob Smith

Es gibt sicherlich auch Charakterzüge, ohne die Du gut leben könntest?

Der Verkehr, der Lärm, die Menschenmengen – sie alle werden manchmal zu viel und ich sehne mich nach etwas Provinzialität und Ruhe, aber leider muss man sehr weit rausfahren, um das zu bekommen. Im Sommer wird es außerdem sehr heiß und feucht, man will eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus...

Wie hat die Stadt Deinen fotografischen Stil beeinflusst?

Fotografen brauchen etwas, das sie fotografieren können. Shanghai ist voll von Material, das festgehalten werden will. Um mich herum passiert das Leben! Anfangs habe ich nur Street-Bilder aufgenommen, aber irgendwann konnte ich nicht mehr widerstehen, auch Cityscapes zu fotografieren und Mittel und Wege zu finden, die beiden Genres in meinen Bildern zu kombinieren.

SUMMER HEAT

Bild: Rob Smith

JET AWAY

Bild: Rob Smith

Was inspiriert Dich dabei?

In Shanghai gibt es so viele tolle Fotografen – wenn ich mir ihre Bilder ansehe, ist es ganz einfach zu erkennen, dass bei mir noch viel Luft nach oben ist. Ich will mich dann weiterentwickeln und neue Perspektiven finden.

Deine Kamera ist auch regelmäßig eine treue Reisegefährtin für Dich – gibt es bestimmte Muster, denen Du folgst, wenn Du mit ihr an einem neuen Ort ankommst?

Ich betreibe immer ein wenig Recherchearbeit, bevor ich einen neuen Ort erkunde, und sehe mir Bilder anderer Fotografen an, um auf potenzielle Motive aufmerksam zu werden.

CABLE IN THE CLOUD

Bild: Rob Smith

LINGYAN TEMPLE

Bild: Rob Smith

Wenn ich eine neue Stadt bereise, buche ich ein Hotel mit einer interessanten Aussicht, damit ich von meinem Zimmer oder dem Dach aus Cityscapes aufnehmen kann, und ich habe Apps auf meinem Smartphone, die mir verraten, wo und wann die Sonne auf- und untergeht – Licht ist so wichtig!

Und wie findest Du zuhause Deine Motive?

In Shanghai bin ich sehr viel zu Fuß unterwegs. Ich habe meine Kamera zum Beispiel auch meistens während der Mittagspausen bei mir und abends spaziere ich die Straßen der Metropole entlang. Anfangs habe ich vielleicht einen Plan, was ich fotografieren oder wo ich hingehen möchte, aber ganz oft lande ich letztendlich in einer kleinen Seitenstraße, von der ich gar nicht wusste, dass sie existiert, und finde dort etwas gänzlich Unerwartetes. Die Motive finden Dich irgendwie, wenn Du mit offenen Augen durch die Welt gehst.

MAN AND DOG

Bild: Rob Smith

Welches Deiner Bilder hat einen besonderen Stellenwert für Dich?

Die negative Seite der nicht enden wollenden Weiterentwicklung Shanghais ist, dass einige Menschen dabei auf der Strecke bleiben. Ganz in der Nähe meines Büros begleitete und fotografierte ich eine der vielen kleinen Gemeinschaften, die ihr Zuhause und ihre lebenslangen Freunde zurücklassen mussten, um Platz für das Neue zu schaffen. Dabei wurde ich auf eine alte Frau aufmerksam – offensichtlich war sie in großer Not – die eine kleine Gasse auf- und abschritt und dabei ihr ganzes Leben in Scherben um sich herum liegen sah. Schließlich hielt sie inne und lehnte sich gegen eine der Wände ihres kleinen Zuhauses, welches bald dem Erdboden gleichgemacht werden würde, und sah dabei sehr nachdenklich aus. Nachdem ich das Foto gemacht hatte, malte ich mir aus, was wohl in ihrem Kopf vorging, wo sie nun hingehen würde und ob sie jemanden hatte, der nach ihr sehen würde – wie würde sie überleben? Dieses Bild treibt mir nach wie vor Tränen in die Augen.

Bild: Rob Smith

Mit dem Verkauf von Bildern über seine Galerie bei Photocircle unterstützt Rob soziale Projekte auf der ganzen Welt – für Neuigkeiten und Anekdotisches lohnt sich zudem ein Blick auf seine Webseite.

MIRROR MIRROR

Bild: Rob Smith

COMMUTER THOUGHTS

Bild: Rob Smith

STREET DANCING

Bild: Rob Smith

ZEBRA TIGHTS

Bild: Rob Smith

SPINNING

Bild: Rob Smith

LATE NIGHT FRUIT

Bild: Rob Smith

GAMES IN THE PARK

Bild: Rob Smith

URBAN LOVE

Bild: Rob Smith

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Katrin Strohmaier | Photocircle

Sprachrohr von Photocircle mit Faible für Entwicklung, Kunst & Menschenrechte

Photocircle

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