Appeasement Politik oder Détente?

Atomgespräche – Ist den Iranern zu trauen? Selbverständlich! Im selben Maße wie den regierenden Gegenspielern im Ausland.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im Mai letzten Jahres stellte sich Ulrich Ladurner in einem prägnanten Kommentar in der Zeit die Frage, ob der Iran ein rational handelnder Akteur oder – ganz im Gegenteil – ein unberechenbarer Schurkenstaat, dem nicht zu trauen aber alles zuzutrauen ist. Lange bevor sich die Kandidatur Rohanis abzeichnete, kam Ladurner zu dem Schluss, dass die iranische Regierung sich genauso vernünftig (oder unvernünftig) wie ihre politischen Antagonisten verhält, die ebenfalls ihren Einfluss vergrößern oder zumindest absichern wollen. In diesem Sinne ist es durchaus plausibel „den Iranern“ zu unterstellen, dass sie den Bau einer Atombombe anstreben: Es handelt sich schließlich um ein permanent gefährdetes Regime, dessen Existenzberechtigung in der großen interventionserprobten Militärmacht unserer Welt, den USA, eigentlich außer Frage steht - und zwar im negativen Sinne. Doch darüber hinaus zu folgern, dass der Besitz der Bombe zum Einsatz der Bombe führen muss - das ist ein gefährlicher Kurzschluss, der gegen das sonst grundlegende neorealistische Paradigma verstößt und in eine diplomatische Sackgasse führen muss!

Auch die abwehrende Reaktion Netanjahus auf die neuen Gespräche machen aus der neorealistischen Perspektive Sinn, jedoch auf unorthodoxe Art und Weise: Zwar meint Daniel Levy, der schon für die Regierungen Rabin und Barak arbeitete, dass Bibi tatsächlich ein überzeugter Ideologe ist, doch selbst ihm dürfte klar sein, dass ein in die Staatengemeinschaft integrierter Iran nicht das Existenzrecht Israels gefährdet, sehr wohl aber das Existenzrecht der rechten Regierung unter seiner Präsidentschaft. Wenig verwunderlich ist, dass die bellizistische Organisation Stop the Bomb in das gleiche Horn bläst: War Ahmadinejad noch der „Irre aus Teheran“ wird Rohani als „friendly face of terror“ bezeichnet und die Verhandlungen grundsätzlich verurteilt. Auf Grundlage einer Aussage Ahmadinejads – die niemals so gefallen ist - muss der Iran unter allen Umständen daran gehindert werden, die Bombe zu bauen - notfalls auch mit einem Präventivschlag.

Es stimmt, Rohani bleibt in der beengenden Machtstruktur der islamischen Republik gefangen, trotzdem sind die Hoffnungen, nicht völlig unangebracht. Einerseits lehrt die Geschichte, dass die Reform und selbst der Zusammenbruch oftmals von eigentlich systemkonformen Regenten ausgelöst wurden, andererseits eröffnen Rouhanis Signale den verhandelnden Amerikanern, Europäern und Iranern mehr Spielraum gegenüber den Hardlinern in Jerusalem und Teheran. Ist man der nachvollziehbaren Meinung, dass der Iran keine Atombombe besitzen soll, muss die Rationale dafür geschaffen werden, dass ein Verzicht sich lohnt. Einem Regime, das Zugriff und Abnehmer auf bzw. für das iranische Öl hat, kann auch durch ausufernde Sanktionspolitik, weder Wille noch Möglichkeit geraubt werden, die Bombe zu bauen. Die USA scheinen nun bereit zu sein, diese Strategie zu überdenken - ein Umstand der tatsächlich auf den neuen Präsidenten Rohani zurückzuführen ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden