In unserer Reihe über Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa haben wir uns zuletzt mit der seit Januar 2007 bestehenden Rechtsaußen-Fraktion im Europaparlament befasst. Diesmal gilt die Aufmerksamkeit Wahlverwandtschaften zwischen der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der Macht eines ultranationalen Hörfunksenders in Polen.
Auf Regierungsprogramme gegen Rechtsradikalismus wird man in Warschau mindestens bis nach den Neuwahlen im Oktober warten müssen, möglicherweise noch viel länger. Solange die Kaczynski-Zwillinge an der Macht sind, bleibt rechtsradikales Gedankengut eher Teil des Regierungsprogramms, als dass es Gegenmaßnahmen provozieren würde. Erst kürzlich forderte Premier Jaroslaw Kaczynski bei einem Auftritt in der o
einem Auftritt in der ostpolnischen Podlasie-Region: "Meine Partei Recht und Gerechtigkeit muss siegen, damit hier, auf dieser Scholle, nur eine polnische Nation lebt und nicht verschiedene Nationen." Dazu muss man wissen, in Podlasie siedeln weißrussische und litauische Minderheiten, die in jüngster Vergangenheit wiederholt diskriminiert worden sind.Auch rechts der Kaczynskis besteht ein radikales Potenzial, das zeitweilig über Zugang zur Macht verfügte. Lange diente etwa die rechtsextreme Allpolnische Jugend als Nachwuchsorganisation der Liga der Polnischen Familien (LPR), die bis zum Sommer der Regierungsallianz angehörte. Inzwischen distanziert sich die Liga offiziell von dieser offen nazistischen Formation, inoffizielle Verbindungen sollen aber fortbestehen.Die Allpolnische Jugend gilt als wichtigstes Sammelbecken für Polens Rechtsextreme und pflegt gute Kontakte zur Skinheadszene. Immer wieder verherrlichen die Allpolnischen die Nazizeit, zeigen den Hitlergruß oder Hakenkreuzfahnen und lassen keinen Zweifel an ihrem Antisemitismus. Was nicht zuletzt auf historische Vorläufer der Bewegung zurück geht: In der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg war es die Allpolnische Jugend, die an den Universitäten zum so genannten "Bank-Ghetto" aufrief. Juden sollte verwehrt werden, in den Hörsälen neben Polen Platz zu nehmen. Bei aller Faszination, die das Dritte Reich auf die allpolnischen Marodeure noch ausüben mag, bleibt ihr heutiges Verhältnis zu Deutschland gebrochen. In ihren Publikationen dienen Deutsche häufig als Feindbild, öfter noch als die polnischen Juden.Trotz ihrer krassen Positionen gelang es der Allpolnischen Jugend über Jahre hinweg, Brücken zwischen der hohen Politik und dem rechtsextremen Rand zu schlagen. Hinein in ein Milieu, in dem sich noch weitere Splittergruppen bewegen, etwa die Polnische Nationalpartei des besessenen Antisemiten Leszek Bubel. Der als Goldschmied zu Wohlstand gelangte Rechtsradikale ist als emsiger Herausgeber antijüdischer Texte bekannt. Nicht weniger als 50 Hetzschriften hat er selbst verfasst, bei weiteren 1.000 fungiert er als Herausgeber. Bubel schreckt auch nicht davor zurück, die Protokolle der Weisen von Zion drucken zu lassen. Seine politische Karriere begann Bubel übrigens Anfang der neunziger Jahre als Chef der Polnischen Partei der Bierfreunde, die seinerzeit von der westlichen Öffentlichkeit mit wohlwollender Neugier betrachtet wurde.Ein eher jüngeres Publikum will die Partei Nationale Wiedergeburt Polens ansprechen. Neben Veranstaltungen zu den klassischen Themen der extremen Rechten organisiert die Bewegung auch Proteste gegen die Errichtung des amerikanischen Raketenschutzschilds in Polen. Daneben tut sie sich hauptsächlich mit Aktionen gegen die Homosexuellen-Bewegung hervor und nähert sich damit einer Internetplattform mit dem Namen Redwatch an. Dort wird zu tätlichen Angriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Linke und Homosexuelle aufgerufen - dafür verantwortlich zeichnet der polnische Ableger des Skinheadnetzwerks Blood Honour.All diese Gruppen und Grüppchen bleiben jedoch insgesamt bedeutungslos und werden von einer verschwindend kleinen Minderheit unterstützt. Anlass zur Besorgnis gibt eher, dass sich rechtsextremes Gedankengut in einer breiten, als gemäßigt geltenden Bevölkerungsmehrheit wachsender Popularität erfreut. Maßgeblichen Anteil daran hat Radio Maryja, das gut drei Millionen Hörer täglich erreicht. Unter Leitung von Pater Tadeusz Rydzyk vom katholischen Redemptoristen-Orden verfolgt der Sender eine radikal nationalistische, antisemitische und homophobe Linie. Ursprünglich diente Radio Maryja als Sprachrohr der Liga der Polnischen Familien, mittlerweile steht die Gefolgschaft von Pater Rydzyk der regierenden Recht-und-Gerechtigkeits-Partei (PiS) nahe. Das heißt aber keinesfalls, Radio Maryja würde sich auf die Seite der größten und wichtigsten unter den Parteien der nationalen Rechten schlagen. Vielmehr werden die Kaczynskis nur dann aussichtsreich in die anstehenden Wahlen ziehen, wenn der Sender sie massiv unterstützt. Doch Pater Rydzyk gibt nichts umsonst, weder seinen Segen noch medialen Beistand. Nicht Radio Maryja biedert sich bei den Kaczynskis an - sondern die hofieren Tadeusz Rydzyk.Eindrucksvoll zeigte das jüngst eine Kontroverse um das Recht auf Abtreibung. Präsidentengattin Maria Kaczynska hatte gewagt, weniger rigoros zu argumentieren, als es dem Medienpater lieb sein konnte. Daraufhin bezeichnete Rydzyk sie öffentlich als "mordwütige Hexe". Gatte Lech wie Premier Jaroslaw Kaczynski blieb nichts anderes übrig, als betreten zu schweigen - obwohl die Zwillinge dafür bekannt sind, beim leisesten Verdacht einer Beleidigung mit Klagen und Anwälten zu drohen. In diesem Fall hielten sie still, weil sie einen ungeschriebenen Pakt nicht gefährden wollten, der da lautet: Das Zwillingspaar macht rechts-nationale Politik im Sinne von Radio Maryja - im Gegenzug betreibt der Sender Propaganda für die Kaczynskis. Die Gefahren eines solchen Doppelpassspiels sind offensichtlich: Rechtsradikale Ideen werden so alltäglich, dass sie nicht mehr als radikal erkannt, geschweige denn bekämpft werden.