Die rechts-autoritäre Revolution der Zwillinge ist einen weiteren Schritt vorangekommen. Seit dem Rücktritt von Premier Kazimierz Marcinkiewicz liegt die ganze Macht im Staat nun auch formell in den Händen der Kaczynski-Brüder. Jaroslaw bleibt als neuer Premierminister selbstverständlich bis auf weiteres Vorsitzender der regierenden Recht-und-Gerechtigkeit-Partei (PiS) - Lech ist bekanntlich seit Ende 2005 Präsident.
Kazimierz Marcinkiewicz musste gehen, weil er sich todesmutig zur Flucht nach vorn entschlossen hatte, um einer lähmenden Abhängigkeit von den machtbesessenen Kaczynskis zu entkommen. Er hatte die Stirn, einen neuen, eher als moderat geltenden Finanzminister, Pawel Wojciechowski, zu berufen, ohne diese Entscheidung vorher mit den beiden brüderlichen Führern seiner Partei abzustimmen. Mit Misstrauen hatten die immer schon des Ex-Premiers Beraterstab quittiert, der sich teilweise aus unabhängigen Fachleuten rekrutierte. Die Kaczynskis mögen diese Spezies ganz und gar nicht, egal ob das jeweilige Personal nun zur Mitte oder weit nach rechts tendiert - die Zwillinge wollen opportunistische Pflichterfüller, die umsetzen, was die beiden für das Gedeihen ihrer autoritären "IV. Polnischen Republik" als nötig erachten. Nur so lässt sich erklären, dass trotz allem "Entkommunisierungs"-Getöse an den Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft nach wie vor Politiker zugange sind, die schon unter der postkommunistischen Miller-Regierung gedient haben und als "Apparatschiks" eigentlich ideale Feindbilder für die Kaczynskis abgeben. So lange sie die Direktiven Buchstabe für Buchstabe erfüllen, werden sie dennoch geduldet.
Zum unmittelbaren Auslöser für die Demission von Marcinkiewicz wurde sein Treffen mit dem neoliberalen Oppositionschef Donald Tusk von der Bürgerplattform (PO) an der polnischen Ostseeküste. Dort hatte der Ex-Premier dem politischen Gegner verzweifelt anvertraut: "Die Situation in der Regierung wird für mich immer schwieriger." Als die Zwillinge von der Unterredung erfuhren, plädierten sie sofort auf Verrat und stellten ihren Premier vor die Alternative: sofortiger Rücktritt oder Misstrauensvotum aus den eigenen Reihen.
Freilich wird diese Operation kaschiert - Marcinkiewicz sei nur deshalb zurückgetreten, "weil wir ihn dringend als Kandidaten für die Warschauer Bürgermeisterwahlen im Herbst brauchen", beteuert Jaroslaw Kaczynski. Daran, dass er sich ursprünglich aus optischen Gründen weigerte, Regierungschef zu werden, damit die beiden wichtigsten Positionen im Staat nicht in der Hand einer Familie liegen, will er nicht mehr erinnert werden. "Wer sagt, dass ich Premier werden will? Ich muss es."
Die das Land fortan beglückende Doppelherrschaft der Kaczynski-Zwillinge wird verständlicherweise nicht widerspruchslos hingenommen. Donald Tusk wettert, eine solche Machtkonzentration sei "absolut unüblich in der zivilisierten Welt." Gewohnt scharfzüngig geht auch Ex-Präsident Lech Walesa mit den Kaczynskis ins Gericht: "Jaroslaw Kaczynski hätte ehrlich sein sollen und von Anfang an Premier werden. Aber er hat immer schon am liebsten aus dem Hinterhalt geschossen."
Der Wechsel an der Spitze der Regierung könnte Folgen für die Zusammensetzung der Koalition haben. Andrzej Lepper von der mitregierenden populistischen Bauernpartei Saomoobrona versucht jedenfalls, schon jetzt durch Erpressung seinen Einfluss zu stärken: "Wir werden Jaroslaw Kaczynski nicht bedingungslos unterstützen. Wir fordern 20 Prozent aller Posten, die in der Regierung zu vergeben sind."
Man muss befürchten, dass die autoritären Vorlieben der Kaczynskis nun noch mehr zum Tragen kommen. "Wir sind Gegenstand ständiger medialer Angriffe", sagte Jaroslaw Kaczynski, als er für das Amt des Premiers vorgeschlagen wurde. "In Zukunft werden wir uns dagegen wehren, auch vor Gericht." Mit medialen Attacken werden die beiden wohl auch in Zukunft leben müssen. Abgesehen von ihrer Machtfülle sorgen sie vor allem mit ihrem Koalitionär und Vizepremier Roman Giertych von der Liga Polnischer Familien (LPR), der das Bildungsressort leitet, für ständigen Aufruhr. Sowohl an den Schulen als an den Universitäten ist das Unterrichtsjahr im Zeichen wachsenden Protests gegen den nationalistischen Ressortchef zu Ende gegangen. Für den Herbst werden neue Aktionen erwartet, die sich diesmal nicht nur gegen den hünenhaften Giertych, sondern auch gegen die Kaczynskis richten dürften. Unverbesserliche Optimisten erwarten gar, dass die Schüler- und Studentenproteste zum Kristallisationspunkt einer größeren Bewegung gegen die konservativ-nationale Rechte werden könnten.
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