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Der Beitrag "Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht" (Jana Milev - jw 13./14.07.19) erinnert daran, was doch längst als bewältigt (verarbeitet) behauptet wird, wobei dann doch genauer hingeschaut werden sollte, wer das formuliert. Denn auch hier sind es doch eher die Stimmen derjenigen, die in ihrer alten Lebensweise verbleiben konnten und aufgrund dieser erlernten Schwarz-Weiß-Sicht auf den Osten vor Augen hatten, welche Welt denn nun die Richtige sei. Unverständnis deshalb immer noch, wenn andere Töne vernommen werden.
Daran hat sich wohl bis heute nicht viel geändert, zumal dann zur Beweisführung vor allem zwei Faktoren genannt werden, nämlich der Wille der Mehrheit der friedlichen Revolution im Osten selbst und die Stärke der westlichen Zivilisation, die dafür die hinreichenden Bedingungen geschaffen hat. Alles was sich nach dieser unerwarteten und nicht geplanten Wende vollzog, wurde allerdings den politischen Kräften der ehemaligen DDR (demokratisch?) aus den Händen genommen und nur wenn es nicht zu vermeiden war, allenfalls vorübergehend in die westlichen (politischen) Strukturen übernommen.
Wurden nun die Vorstellungen (Wünsche) der Bürger der ehemaligen DDR denn wenigstens einigermaßen erfüllt? Und ist es nicht an der Zeit (auch was die Arbeit der Treuhand betrifft), das mal genauer zu analysieren, wie der Stand der Dinge denn tatsächlich ist? Und wer sollte da wohl vorrangig beteiligt werden, wenn nicht diejenigen, die im Osten geboren wurden!
Kommentare 15
Wichtiger Artikel, der auf die Vorausetzungen des heutigen Wegdriftens Ostdeutschlands in nationalistische Vorstellungen sehr detailliert hinweist.
Was mir (als ehemaligem DDRologen) fehlt, ist die (welt)politische Dimensions der Deindustrialisierung der DDR. Die Westdeutschen wollten das zunaechst nicht, weil sie die hohen Kosten fuerchteten. (Widerstand der DDR-Bevoelkerung gegen die Vernichtung ihrer Betriebe hatte man nicht erwartet.)
Hat Kohl nichts genutzt. Die USA haben um Weihnachten 1989/90 (mit einigen Drohungen) die blitz-schnelle Deindustrialisierung der DDR gefordert und Kohl musste sich fuegen. (Darum der schnelle Waehrungswechsel)
Die DDR war das technologische Zentrum der zivilen Industrie des RGW. Nachdem die DDR vernichtet war, konnten sich die anderen RGW-Staaten oekonomisch nicht mehr halten und die SU war schlachtreif. Genau das war die Absicht der US-Strategen.
Der Beitrag von Yana Milev zeigt die Auswirkungen dieser US-Politik auf die "Republik der kleinen Leute". Die hatten naemlich keine Ahnung welcher zentrale Rolle die DDR im Kalten Krieg hatte. Selbst die Fuehrung der DDR war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ziemlich ahnungslos. Die hatten die "underdog"-Rolle, die ihnen die Westdeutschen einredeten, akzeptiert. Dabei hat natuerlich die kollektive Vergreisung der DDR-Fuehrung eine wichtige Rolle gespielt.
Die Vereinnahmung der DDR war fuer die westdeutsche Fuehrung ein (teures) Kinderspiel.
++ Hat Kohl nichts genutzt. Die USA haben um Weihnachten 1989/90 (mit einigen Drohungen) die blitz-schnelle Deindustrialisierung der DDR gefordert und Kohl musste sich fuegen. (Darum der schnelle Waehrungswechsel) ++
Gibts dafür eine Quelle?
Das Projekt ist ziemlich kostspielig. Der erste Band von "Entkoppelte Gesellschaft" - "Anschluss" kostet fast 50 Euro. Also auch ein Eliten-Projekt. Es gibt auch kein E-book-Angebot. Schade. Wäre interessant.
Vieles ist schon nachvollziehbar. Hin und wieder finde ich die Aussagen auch ein bisschen zu einseitig.
Zitat aus der JW: ++ Aus soziologischer Sicht handelt es sich um eine Entwertung des Habitus. Millionen Ostdeutsche haben nach dem Zweiten Weltkrieg und in Anbetracht deutscher Schuld unter persönlichem Einsatz in eine volkseigene Wirtschaft – im Gegensatz zur kapitalistischen Kriegswirtschaft – und in eine alternative Gesellschaft investiert. Um es mit Bourdieu zu sagen: Mehrere Generationen haben in kulturelles und Sozialkapital investiert, als Alternative zum Finanzkapital des Liberalismus. Diese Lebensleistung wurde ihnen nicht nur genommen, sondern auch im Nachhinein entwertet – zugunsten der Wiedereinführung der Privatautonomie. ++
Guter Gott. Das ist ja eine Idealisierung und Pauschalisierung, die mich zum Lachen bringt. Und sie homogenisiert auch alle DDR-Bürger in ein Bild, das mir überhaupt nicht einleuchtet. Ich fühle mich - immerhin bin ich 1946 geboren - da schon wieder in einen Rahmen gepresst, der mir nicht behagt. Die Menschen in der DDR hatten verschiedene Pläne und Ziele und sehr oft wenig andere, als die Menschen im Westen. V
iele hatten ihre Antennen ziemlich energisch nach dem Westen gerichtet. Also mit dem "hohen Ton" wird Frau Yana Milev der Situation damals nicht gerecht. Als Mittel, der in der Tat brachialen Dämonisierung der DDR etwas entgegenzusetzen - ist das auch wieder zu einseitig.
++ Die PDS als genuine Ostpartei gab ihre Funktion auf, als sie zur Linkspartei »wessifiziert« wurde. Andererseits – und deshalb mein heftiger Widerspruch – kommt das Führungspersonal der AfD zumeist ebenfalls aus dem Westen. ++
Ja, das Ganze war ein politisches Instrument von Lafontaine. Es hat ja auch eine Weile Erfolg gehabt und Stimmen gewonnen. Der erste DIE LINKE Ministerpräsident war - schon wieder - ein Wessi.
Es ist schon gut: Die zweite Aufarbeitungsphase nimmt Fahrt auf. Es wird darüber noch eine Menge Diskurs und Debatte geben.
https://das-blaettchen.de/2019/03/ueber-postdemokratie-und-kulturelle-kolonialisierung-47822.html - Hier ist eine Rezensionsmeinung zu einem anderen Buch von Yana Milev, das aber ähnliche Themen behandelt.
Mir geht es darum, dass nicht der Eindruck entsteht, als ob alle Westdeutschen nur den West-Ost-Blick drauf haben, als ob es nichts Erhaltenswertes gäbe, was für die Nachwendezeit für alle von Bedeutung (Wert) wäre.
Deshalb ist es gut, wenn diejenigen aus dem Osten mit ihren eigenen Erfahrungen darüber schreiben, um wiederum westliche Vorstellungen zu korrigieren, falls die zu idealistisch daher kommen.
Die Deindustrialisierung der DDR ist Fakt und es bleibt für mich ein großes Fragezeichen, ob es keine besseren Alternativen gegeben hätte. Da steht immer eine Aussage im Raum, "wir mussten das Zeitfenster nutzen, dass sich geöffnet hatte", wobei das für allerlei Zwecke benutzt wurde.
Mehr als erstaunlich ist schon, dass die gesamten russischen Truppen ohne große Gegenleistungen (außer ein paar Milliarden "Umzugsbeihilfe und Wohnungszuschüsse"), das Feld geräumt haben. Umso krasser die Entwicklung nach der "Wiedervereinigung", um der NATO eine neue Existenzberechtigung zu verschaffen, die sich als Verteidigungsbündnis gegenüber dem Warschauer Pakt ebenfalls hätte auflösen müssen. Was wurde da nur für eine Chance vertan! Und das lag sicher nicht im Willen der Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten (abgesehen vielleicht von "traumatisierten" einiger Ostblockländer). Aber das ist noch eine andere Baustelle.
Die Quellenfrage von @Magda interessiert mich auch.
Sie haben mir schon frueher mal diese Frage gestellt. Nein, eine "offene" Quelle fuer diesen Vorgang gibt's (natuerlich!) nicht. Viele "Wende"-Ereignisse sind geheim, weil viele der "Akteure", die damals die "Schmutzarbeit" erledigten, noch leben. Da muss sicher noch 50 Jahre der Deckel drauf bleiben.
Die Frage, wie die Wiedervereinigung ablaufen sollte, war im Grundgesetz geregelt. Das stattdessen der voellig unzutreffende Saarland-Artikel des GG angewendet wurde, zeigte, dass im Westen niemand vorbereitet war.
Als dann nichts anders moeglich war, musste improvisiert werden. Anschluss war befohlen worden, also musste er sein. Fuer die rechtliche "Absicherung" der Beugung des GG sorgte das Bundesverfassungsgericht, dass dabei als nachgeordnete Dienststelle der Bundesregierung auftrat.
Diskussionen, wie Falle einer eventl. Wiedervereinigung vorzugehen sei, gabs auf den Jahrestagungen der Gesellschaft fuer Deutschlandforschung seit ca. 1987/88. Vor Deindustrialisierung oder einer schockartigen Umstellung der Waehrung wurde damals sehr deutlich gewarnt.
Der schnelle SU-Truppen-Abzug wie auch die Nicht-Unterstuezung von Krenz im Herbst 89 hat wohl mit der Person und der Funktion von Gorbatschow zu tun. Er hatte vermutlich einen "dicken" Draht in die USA ueber einen kanadischen Anwalt. Aber naja. Darueber wird bis heute viel geraetselt.
Uebrigens Putin war damals als SU-Stabsoffizier in der DDR und hat genau mitgekriegt, wie der "Umsturz"-Prozess "gefingert" wurde. Ich denke das bestimmt bis heute sein Verhalten gegenueber den USA und Deutschland. Er kennt seine Pappenheimer.
Die NATO konnte durch ihren Einmarsch in den ehemaligen Ostblock eine neue Daseinsberechtigung gewinnen. Das reichte aber nicht. Darum Balkan und Afghanistan. Trotzdem ist diese Organisation inzwischen nur noch eine Attrappe.
++ Der schnelle SU-Truppen-Abzug wie auch die Nicht-Unterstuezung von Krenz im Herbst 89 hat wohl mit der Person und der Funktion von Gorbatschow zu tun. Er hatte vermutlich einen "dicken" Draht in die USA ueber einen kanadischen Anwalt. Aber naja. Darueber wird bis heute viel geraetselt. ++
Ach so ist das alles. Danke für die Aufklärung. Meine Güte Aussie, Sie passen die Zeitgeschichte auch an das "Schachbrett" an. Die Menschen, die Leute interessieren auch Sie nicht. Krenz hatte nun wirklich - auch bei den DDR-Bürgern - noch nie viel Unterstützung.
"Uebrigens Putin war damals als SU-Stabsoffizier in der DDR und hat genau mitgekriegt, wie der "Umsturz"-Prozess "gefingert" wurde. Ich denke das bestimmt bis heute sein Verhalten gegenueber den USA und Deutschland. Er kennt seine Pappenheimer."
Er war KGB-Offizier und hatte auch einen Stasi-Ausweis.
https://www.tagesspiegel.de/politik/aus-kgb-zeit-in-der-ddr-wladimir-putins-stasi-ausweis-in-dresdner-archiv-entdeckt/23745760.html
Aber, Sie als Insider und Geheimnisträger wissen bestimmt noch mehr Bedeutsames.
Verehrte Magda
Sorry, ist rausgerutscht, @Magda.
Also ich war weder Insider noch Geheimnistraeger. Ich hab damals manchmal Informationen "mitgekriegt", die nicht in der Zeitung standen. Das die sog. Wende ein "Spiel" mit doppeltem (oder dreifachem) Boden war, duerfte heute bekannt sein.
Die "offizielle" Funktion von Akteuren in der internationalen Politik, (das duerfte inzwischen auch bekannt sein) und das was die Akteure tatsaechlich machen sind zwei verschiedene Sachen. Natuerlich weiss ich, das Putin offiziell dem KGB mit einem relativ niedrigem Dienstgrad angehoerte. Was er tatsaechlich in Deutschland gemacht hat, ist nicht klar. Jedenfalls war und ist er einer der besten "Kenner" der politischen Vorgaenge und Machtverhaeltnisse in Deutschland und in den USA. Und das merkt man bis heute.
Krenz war Nachfolger Honneckers und damit "Staatschef" des wichtigsten Verbuendeten der SU an der Westgrenze des RGW. Als der von der Fuehrung der SU nicht mehr unterstutzt wurde, war das ein ueberraschendes Signal der SU, dass der Westen die DDR uebernehmen konnte. Die geringe Popularitaet von Krenz in der DDR-Bevoelkerung spielte keine Rolle.
Schliesslich Gorbatschow. Es ist bekannt, dass er sehr lange einen sog. "backchannel" in die USA hatte. Wie das die Politik der SU in den 80er Jahren beeinflusst hat, ist m.W. bis heute eine offene Frage.
Ich interessiere mich seit langem fuer die "Hintergruende" der internationale Politik. Politische Analyse war und ist meine Perspektive. Als ehemalige "Buergerrechtlerin" sehen sie Politik natuerlich anders. Macht ja nichts.
Nee, Aussie, ich war keine "Bürgerrechtlerin", aber -wie ich denke - eine ganz gute Beobachterin der Situation .
++"Natuerlich weiss ich, das Putin offiziell dem KGB mit einem relativ niedrigem Dienstgrad angehoerte. Was er tatsaechlich in Deutschland gemacht hat, ist nicht klar. Jedenfalls war und ist er einer der besten "Kenner" der politischen Vorgaenge und Machtverhaeltnisse in Deutschland und in den USA. Und das merkt man bis heute." ++
Es geht mir um was anderes. Politik hat immer verschiedene Seiten, Pläne und - in der aktuellen Zeit - auch schnelle Entschlüsse usw. Sie aber wollen das alles in eine durchgängige stimmige Erzählung pressen, weil Sie ja "Spezialist2 sind.
Und natürlich interessiert es Sie nicht, dass Krenz nicht sehr beliebt war usw. usw.
Ehrlich: Sie agieren als seien Sie irgendwo in einer Kommandozentrale, die die Welt beguckt. Das kotzt mich inzwischen so an, weil es menschenverachtend ist und -nichts anders - vermitteln will, als seien die wirklichen Zeitzeugen und die ganz normalen dort gelebt Habenden nichts als Figuren in Ihrem omnipotenten Kopf. Es gibt Pläne, es gibt Strategien, es gab einen Kampf zwischen den Systemen. Sie aber wollen den Kopf da drüber haben. Da gibts hier in der Community einige, die sich damit über die Runden retten.
Backchanneling: Egon Bahr schildert, wie er das als politisches Instrument genutzt hat. Das war immer am Rande der Grenzüberschreitung. Sie aber wissen, dass Gorbatschow sowas auch betrieben hat.
Ach Aussie, da ist doch alles Quark.
Ok, ok. Es gibt Menschen die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit "Politik" beschaeftigen. Ihre Perspektive und meine unterscheiden sich. Reziprokes Recht haben wollen fuehrt zu Missverstaendnissen. Koennen wir uns so gegenseitig tolerieren?
Nochn schoenen Abend in Deutschland.
Dieses kleine Problem kann nur eine KI lösen. :-)
"Sie aber wollen das alles in eine durchgängige stimmige Erzählung pressen, (...)"
Das geschieht wohl in unterschiedlichen Graden immer in der Geschichtswissenschaft, denn zum einen wird mit Kategorien (Schablonen, Denkweisen usw. ) der Gegenwart gedacht und erst im Nachhinein sind Strukturen, Logiken, übergreifende Linien erkennbar, die die Zeitzeugen kaum wahrnehmen können.
Wie viel Meinung fließt also in die schriftlichen (bildlichen) und weiteren Artefakte ein, die die Ehemaligen hinterlassen haben. Der Vorteil jetzt besteht doch zum Gück noch darin, dass die Zeitzeugen befragt und man sich austauschen kann und so lässt sich korrigieren oder auch ergänzen, falls die Sicht zu einseitig (vereinfacht) war.
In dem Sinne ...
Fremdbestimmte Freiheit ( MaxPlanckForschung - Text: Jeannette Goddar).