Ungeheuerliches wird gefordert

Politik fürs Volk: Wenn die Lüge zur Normalität und die Wahrheit unglaubwürdig wird. Wie wäre wohl der Roman "1984" von Orwell ausgefallen, wenn ihm ein Blick in die Zukunft gelungen wäre?

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Es gibt Fans einer speziellen Genre, das sich bevorzugt mit Verschwörungstheorien beschäftigt. Noch heute gibt es eine kleine Gruppe von Verfechtern der Idee, dass die Amerikaner nie einen Fuß auf den Mond gesetzt haben.

Selbst nach dem hochauflösende Fotos die Spuren des Rovers im Mondstaub zeigen und Details der verbliebenen Gerätschaften sichtbar sind, gibt man die fixe Idee nicht auf. Auch die Abstandsmessung Mond - Erde, die über Laserabtastung nur über einen aufgestellten Reflektor möglich ist, ändert daran nichts.

Diese Art von Verschwörungstheorien sind aber nicht gemeint. Es geht um die Verschwörungen, die eigentlich keine sind, da sie realpolitischen Alltag abbilden. Es sind die unglaublichen Vorgänge, die aufgrund ihrer Dreistigkeit schon wieder den Anstrich von Normalität erhalten, da sie in ihrer häufigen Wiederholung quasie zum demokratischen Standard geworden sind.

Woran liegt es, dass sich viele unserer politischen Repräsentanten mehr für Konzerne, Banken, Versicherungen, kurz, sich für die Aufrechterhaltung eines erkennbar ablaufenden Systems einsetzen und nicht die Interessen des weitaus größten Teils der Bevölkerung vertreten, also ihrem Auftrag nachkommen? Dabei lasse ich noch die heraus, die soviel Chuzpe besitzen, sich gleich dem Kapital zu verkaufen, wobei sie noch im Wählerauftrag tätig sein sollten.

Ich werde jetzt keine Analyse der gegenwärtigen Abgeordneten machen, was ihre Herkunft betrifft und bestreite überhaupt nicht, das die meisten intensiv arbeiten und sich auch engagieren. Tatsache ist aber, dass ihre Politik in der Breite nicht mehr von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird.

Michael Hartmann hat mit der "Elitisierung der Politik" beobachtet (weiteres aus dem Buch entnommen: "Wir müssen leider draußen bleiben" von Kathrin Hartmann), dass sich auch die politische Klasse, die sozial bislang eher offen gewesen ist, zunehmend genauso rekrutiert wie die Wirtschaftselite. Bis zur Jahrtausendwende bestand die Regierung zu zwei Dritteln aus Nachkommen von Kleinbürgern und Arbeitern, heute (2012) ist es genau andersherum: Zwei Drittel des Kabinetts entstammen gehobenen Schichten.

Arbeitsministerin (jetzt Kriegsministerin) von der Leyen ist die Tochter des Industriellen Ernst Albrecht..
Thomas de Maizière ist, nach Karl Theodor zu Guttenberg - dem Spross einer der reichsten Adelsfamilien des Landes - der zweite (ehemalige) Verteidigungsminister mit Adelstitel in Merkels Kabinett. Er entstammt einer Hugenottenfamilie, sein Vater Ulrich war Generalinspektor der BW, sein älterer Bruder Manager bei der Commerzbank.
Rainer Brüderle ist Sohn eines Textilunternehmers, (ehemalige) Familienministerin Kristina Schröders Vater ist Oberamtsanwalt, ihre Mutter Immobilienhändlerin, ihr Ehemann Ole Schröder Jurist und Staatssekretär im Innenministerium. usw. Fast ein Drittel des Kabinettes besteht aus Juristen. Das war schon unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung ähnlich. (Ende der Zitate)

Warum sollte sich also eine Schicht, die sich nicht mehr dem Durchschnitt der Bevölkerung zurechnet (zugehörig fühlt) und diejenigen in der Politik, die gerne in diese Schicht "aufsteigen" möchten, unsere Interessen vertreten? Wenn sie es täten, würden sie ja ihrer eigenen "Klasse" schaden. Im jetzigen Wirtschaftssystem ist zwar alles im Überfluss vorhanden, vor allem Arbeitskräfte, auch wenn die Arbeitgeber vom Fachkräftemangel schwadronieren (wenn sie besser bezahlen würden, hätten sie den nicht, falls überhaupt einer vorhanden ist).

Aber das System verschärft die Konkurrenz am Arbeitsmarkt und unter der Prämisse der "Selbstverantwortung", der "Selbstvermarktung" kümmert man sich um seine eigenen Interessen, seine Familie und es ist das Ergebnis eigener Politik, die dann von jenen selbst gelebt wird. Im Ergebnis spüren wir dann alle die Folgen dieses verfehlten, aber wiederum logischen Politikerverhaltens.

Anlass war mir ein Beitrag von Georg Rammer mit dem Titel: "Politik als Verschwörung."

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