Mit dem Skandal um Harvey Weinstein nimmt im Herbst 2017 eine globale Debatte ihren Anfang. Unter dem Hashtag „#MeToo“ melden sich unzählige Frauen in den sozialen Medien zu Wort, die Opfer von Belästigungen, Übergriffen oder sogar Vergewaltigungen geworden sind.
Die Philosophin Svenja Flaßpöhler nimmt in der Diskussion eine umstrittene Position ein, sie sagt: „Abgesehen davon, dass die Auswüchse von #MeToo mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun haben, hat sich Feminismus in eine Opferrolle hineingetwittert, die so schlicht nicht mehr vorliegt.“ Mit ihrer 2018 veröffentlichten Streitschrift „Die potente Frau“ möchte sie Frauen zur Aktivität ermutigen, „nicht nur im Sexuellen, sondern aus dem Sexuellen auch ins Existenzielle, ins Berufliche hineinwirkend“.
Jakob Augstein diskutiert mit Svenja Flaßpöhler über den Stand des feministischen Diskurses im Jahr zwei nach #MeToo – über weibliche Selbstermächtigung, Geschlechtergleichheit und den Gender Pay Gap
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Das Gespräch wurde im Rahmen des radioeins und Freitag Salon am 16. Dezember 2019 in der Berliner Volksbühne aufgezeichnet
Kommentare 9
Dieses Gespräch hat mir noch einmal deutlich gemacht, woran Journalismus in der heutigen Zeit krankt. Herr Augstein hat sich eine Expertin eingeladen und zeigt sich überhaupt nicht interessiert, von ihr zu lernen oder das Publikum lernen zu lassen, sondern will ihr beibringen, wo sie aus seiner Sicht falsch liegt. Am klarsten kommt das für mich heraus, als Frau Flaßpöhler den Unterschied zwischen einer "Hermeneutik des Misstrauens" und einer "Hermeneutik des Wohlwollens" in die Diskussion einbringt. Dieser fundamentale Unterschied wird von ihm einfach vom Tisch gewischt, so wie er immer, wenn er mit seinem Konzept nicht weiter kommt, die Sendung neu ankündigt. Wohlwollendes Nachfragen zum Vertiefen einer Position gibt es in diesem Gespräch nicht. Dafür von ihm umso mehr Hineingrätschen in die Gedankengänge der Frau Flaßpöhler, die sich dagegen mehr als einmal zu wehren wusste, ohne dass Herr Augstein sich beim nächsten Mal zurück genommen hätte. Es gibt offensichtlich nicht nur körperliche Übergriffigkeit, über die zu reden wäre. Frau Flaßpöhler hat mit ihrer Reaktion demonstriert, woran es vielen Frauen in der #MeeToo-Debatte fehlt. Das können ebenso viele Männer von ihr lernen, sich nicht unterbuttern lassen, auch nicht von einem Herrn Augstein, der nach seiner Ansicht für die Opfer spricht.
Dieser Eindruck ist naturgemäß oberflächlich, weil in einem Podcast die Gedankengänge schnell vorbeirauschen. Wer es gedruckt lieber hat, wird in dem Interview "Eindeutig ein Stellvertreterkrieg" fündig. Frau Christine Bauer-Jelinek bekommt hier vom Journalisten Reinhard Jellen die Möglichkeit, ihre Positionen zu Macht und der Rolle der Frauen darin darzulegen. Auch wenn das Gespräch schon im Jahre 2013 geführt wurde, hat es nichts an Aktualität eingebüßt.
Flaßpöhler und "differenzierte Gedanken"? Naja, "wer niemals einen Berg geseh'n, der bleibt schon vor dem Ofen steh'n."
Lies ihre Schwarte. Ich hab's getan.
Ich beziehe mich auf dieses Gespräch, in welchem Augstein ihr oft in Lanz'scher-Manier ins Wort fällt, wenn sie es wagt, aus seinem P.C.-Gehege (oder dem seiner Tochter?) auszubrechen. Auch in anderen Beiträgen habe ich mich gefreut, dass sie es wagt, hohle "linke" Dogmen in Frage zu stellen. Das ist ein wichtiger Beitrag in dieser immer weniger diskursfähigen Zeit.(Wollte irgendwann ihr Buch lesen, jetzt hast du mich aber nicht gerade motiviert)
Musst du nicht lesen, kostet 8 € und steht nicht mehr drin, als was sie in solchen Interviews wie diesem hier sagt. Sie macht's wie alle "Kritiker": Sie konstruiert sich ihr #metoo erst mal so, dass sie es dann niedermachen kann. Das bestätigt sehr viele in ihren entsprechenden Meinungen und das allein ist der Grund für den Beifall. Wenn Augstein eine Tochter hat (?) und die seine Motivation ist, die #metoo-Berichte ernst zu nehmen, so ist das eine ehrenhafte Motivation. Ich würde auch zu meiner Tochter halten und ihre Alltagserfahrungen sehr ernst nehmen.
Musst du nicht lesen, kostet 8 € und steht nicht mehr drin, als was sie in solchen Interviews wie diesem hier sagt. Sie macht's wie alle "Kritiker": Sie konstruiert sich ihr #metoo erst mal so, dass sie es dann niedermachen kann. Das bestätigt sehr viele in ihren entsprechenden Meinungen und das allein ist der Grund für den Beifall. Wenn Augstein eine Tochter hat (?) und die seine Motivation ist, die #metoo-Berichte ernst zu nehmen, so ist das eine ehrenhafte Motivation. Ich würde auch zu meiner Tochter halten und ihre Alltagserfahrungen sehr ernst nehmen.
mitderbrille-datjläuvichnit!
Wenn Sie das Buch von Frau Flasspöhler lesen wollen, dann sollten Sie es tun. Nur dann können Sie sich fundiert eine eigene Meinung bilden, die dann mit der anderer übereinstimmen kann; oder auch nicht. Man muss Bücher ja nicht gleich kaufen, in Bibliotheken oder im Bekanntenkreis wird man möglicherweise fündig. Einen etwas erweiterten Blick, über "weibliche Selbstermächtigung, Geschlechtergleichheit und den Gender Pay Gap" auch hinausgehend, vermittelt die Österreicherin Christine Bauer-Jelinek. Suchen Sie beispielsweise mal nach "Der falsche Feind: Schuld sind nicht die Männer", "Die geheimen Spielregeln der Macht. Und die Illusionen der Gutmenschen" oder "Machtwort: Angst, Wut und Ohnmacht überwinden. Besser denken und entscheiden. Schwierige Gespräche meistern". Sie verbindet Feminismus mit der Kritik des Neoliberalismus. Letzteres Buch ist auch zu großen Teilen eine Anleitung zum Umgang mit Medien.
Hier noch ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch "Macht Wort" von Christine Bauer-Jelinek, dessen Aussage vom obigen Interview bestätigt wird.
"Doch bezieht die moderne Interviewtechnik ihre Spannung nicht mehr aus der klassischen Dialektik, in der man mit den Mitteln von Behauptung und Widerspruch der Wahrheit näherkommen oder neue Einsichten gewinnen wollte, sondern aus der viralen Dialektik: Der Interviewpartner - meist ein Politiker oder eine Politikerin - wird wie ein "Gegner" behandelt, der in die Enge getrieben werden soll, damit er oder sie sich möglichst drastisch blamiert. Diese Technik könnte man durchaus der klassischen Kampf-Dialektik zuordnen. Warum wir sie dennoch als viral infiziert bezeichnen, liegt daran, dass der Journalist ja eigentlich kein Gegner des Politikers sein sollte und er sich daher von seinem Sieg auch keinen Vorteil erwarten dürfte. Vom Journalismus erwarten die Konsumenten, dass er sie informiert und Sachverhalte erklärt, und nicht, dass sich ein Nachrichtensprecher plötzlich zum Gladiator ernennt und in die Arena springt."
Liebe Dialogpartner, Danke für die Lesetipps. Ich bin übers Kindererziehen vom Bücherlesen leider ziemlich abgekommen, aber wer weiß. Ich habe übrigens auch eine Tochter, für die ich mich über jede emanzipative Errungenschaft freue. #metoo hatte da sicher gute Seite (die Diskussion anzustoßen, Regeln zu definieren ...) aber auch ziemlich blöde Nebenwirkungen, wie z.B. dieser mediale Voyeurismus, der genüsslich attraktive, prominente Opfer vorführt (Unterprivilegierten Opfern nützt das wenig). Ich Teile mit Flaßpöhler die Ansicht, dass es mehr um die präventive Stärkung gehen müsste, als darum Opfer- und Täter-Rollen zu verfestigen.Abgesehen davon hat Augstein hier wirklich schlecht interviewt bzw. argumentiert, oder?