Auch Weihnachten trainieren gehen

Armstrong Doping ist mehr als nur Betrug, sondern auch ein Symptom des Kranken in der neoliberalen Gesellschaft

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Lance Armstrong sind alle 7 Tour-de-France-Siege von der UCI, der Internationalen Radsportvereinigung aberkannt worden.

Das ist richtig so, auch wenn die Sport-Funktionäre zu keinem Wort der Selbstkritik fanden, geschweige denn Konseqenzen in ihren Reihen zogen, weil sie solange - ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt - über das Dopingsystem im Radsport hinweg schauten.

Hajo Seppelt als Kommentator on den Tagesthemen erzählte etwas von unseren Rundfunkgebühren, die auch in die Tour-de-France flossen und dort ein kriminelles Doping-System unterstützt haben.

Als Rundfunknutzer schaut man bei solchen Worten etwas konsterniert, doch das ist es nicht alleine.

Lance Armstrong hat verbissen trainiert.

Er hat stets geleugnet, Dopingmittel genommen zu haben und darauf verwiesen, dass er "auch noch Weihnachten trainieren geht", wenn sonst "keiner mehr es macht und seine Kollegen zuhause feiern."

Das war damals in jeder Illustrierten zulesen und bei jeder Tour-Berichterstattung zu hören.

Das passte und passt gut zum Neoliberalismus mit seiner Ideologie, dass der den Sieg erringt, der sich am meisten anstrengt und nicht etwa der , der an der Börse mit den wenigsten Skrupeln zockt oder der, der die undurchsichtigsten Finanzprodukte -nahe am Betrug - anbietet, so wie Lance Armstrong in seinem Bereich mit seinem Doping diesen Betrug vollendet hat.

Lance Armstrong war Amerikas Sportheld und ist mit dem neoliberalen US-Expräsidenten George W. Bush befreundet.

Lance Armstrong hat betrogen.

Es ist nicht richtig, ihn alleine jetzt zum großen Sündenbock zu machen, so sehr er auch seine Strafe mit der Aberkennung der Titel verdient hat.

Es ist ein naives System der Sportberichterstattung, das die Doping-Sünder hochgejubelt hat und das die Mär von den schier unbegranzten Leistungsmöglichkeiten als mythisches Vorbild und für bare Münze genommen hat.

Ein System, das uns in unserem Alltag zu immer höheren Leistungenm antreiben soll.

Wer da nicht mehr mithalten kann, bekommt Hartz IV.

Es braucht eine Gesellschaft, die den Leistungssport machenden Menschen und nicht den übermenschlichen "Radsport-Titan" mit nahezu unbegrenzter körperlicher Leidensfähgkeit in Vordergrund stellt.

Es lässt sich mit gesunden Menschenverstand ausrechnen,wo auch der Leistungssport seine Grenzen hat.

Auch Lance Armstrong ist nur ein Mensch.

Es war naiv, -zig Minuten Vorsprünge bei mörderischen Anstiegen auf den höllischen Bergfahrten nicht weiter zu hinterfragen.

Es braucht eine Gesellschaft in der, der Mensch und nicht das Geld im Vordergrund steht.

Lance Armstrong schien dafür zu stehen, dass trotz einer Krebserkrankung jede Leistungmit sauberen Mitteln möglich ist, wenn einer nur wirklich will.

Dem ist nicht so.

Das wissen jetzt alle, doch wie lange wird es dauern, bis das wieder vergessen wird und der angestrebte Erfolg im Kampf um die Werbegelder uns Sponsoren im Leistungssport die Sportler wieder zu allen Mitteln greifen lässt?

Ob dagegen oder dafür, die neoliberale Gesellschaft, das sind wir.

Nicht nur die sauber fahrenden Radssportler ohne Doping sondern, auch die Näherinnen in den Fabriken , die in Bangladesh bis zum Umfallen schuften und nur am Existienzminimum davon leben können, gehören zu den Betrogenen, dieser globalisierten neoliberalen Gesellschaft.

Längst nicht jede ehrliche Mühe führt zum Sieg.

Die neoliberale Gesellschaft hat großen Wohlstand für große Gruppen der Menschheit geschaffen, aber auch ein System von Betrug oder nahe am Betrug, das - tagtäglich - auch durch unsere Entscheidungen gelebt wird.

Keiner muss sich Radsport ansehen, wenn klar ist, dass er mit Doping verseucht ist, so wie jeder die Möglichkeit hat, Produkte zu fairen Preisen zu kaufen.

Wir bestimmen unser Leben selbst oder sollten es zumindest versuchen, dann brauchen wir auch keine vom Doping verseuchten Vorbilder und können auch ohne diese falschen Leistungspropheten in unserem Alltag Spaß, Lebensqualität und sehr gute, aber keine übermenschlichen Leistungen - dort wo sie sein müssen - erreichen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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