Der Platzhirsch

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Da sitzt ein verdächtiger Typ vor einigen Autos mit einer Flasche Bier in der Hand in der Hochgarage.

Der Jan ist von einem Kunden auf den jungen Biertrinker in Parkhaus aufmerksam geamacht worden.

Es ist ein hektischer Morgen und der Jan hat schon Einiges erledigen müssen, denn er ist nicht nur für die 500 Parkplätze im Parkhaus zuständig, sondern auch für noch etwa 50 Parkplätze auf einem kleinen Parkplatz vor dem Parkhaus.

An manchen Tagen macht ihm dieser kleine Parkplatz mit den 50 Autos mehr Arbeit und Scherereien als das große Parkhaus.

Jetzt ist der Jan auf dem Weg zu dem jungen Mann mit der Bierpulle.

Normalerweise gibt er nicht viel auf solche Tips von den Kunden.

Oft kommt ihm das wie eine überempfindliche Denunziation vor , hinter der keine Substanz steckt.

Besonders bei ganz friedlichen normalen schwarzen Kunden , kommen solche Hinweise ebenso regelmäßig wie unberechtigt.

Andereseits sind es oft auch nützliche Tips, die ihm viel Arbeit ersparen und mit denen ihm die Kunden einen Teil der Kontrollfunktion seines Jobs abnehmen.

Bei diesem Mann geht er auch ganz normal vor und fragt ihn nach dem Grund seines Aufenhalts im Parkhaus.

Ja, die Freundin würde in zwei Minuten kommen und er würde solange warten.

So recht mag das der Jan dem jungen Mann in der Jogginghose nicht glauben, der ihn so cool angrinst hat mit einer Freundlichkeit , die ihm nicht echt erscheint.

In den paar Jahren Parkhaus hatte er schon viele verschiedene Menschentypen kennengelernt, auch wenn er nicht wissen kann, was in den Köpfen der Kunden vorgeht.

Das Schablonendenken erscheint dem Jan schon als etwas typisch Deutsches und eigentlich hatte er immer anders sein wollen, doch jetzt hat der Jan diesen Job.

In der Arbeitslosigkeit vor seinem Job war Jan als Hartz IV-Empfänger selbst in diese deutschen Schablonen reingeraten.

Zwar waren sie auzf dem Amt, das jetzt Agentur heißt, immer freundlich zu ihm gewesen, aber er mochte Hartz IV trotzdem nicht und wenn die da oben tausendmal erzählen würden , dass es es nicht anders gehen würde.

"Für ein paar Euro mehr" als Hartz IV muß man schon etwas bringen etwas bringen, dachte der Jan in geringfügiger Abwandlung des berühmten Italo-Westerns mit Clint Eastwood, bei dem es aber in dem deutschen Filmtitel aber um Dollar ging.

Egal, sagte sich der Jan dann. Euro sind ja auch irgendwie Geld.

Er wartete nun darauf, dass sich etwas mit dem jungen Mann tat.

In Jans Gehirn legt sich ein Schalter um.

Sonst ist er eigentlich ganz friedfertig, aber nun er schaltet das Gehirn auf Kampfmodus, auch wenn er sich vor einer ernsthaften Auseinandersetung oder gar Prügelei mit dem jungen Mann fürchtet.

Nur gut, dass diese Furcht, da ist, kommt es dem Jan in den Kopf.

So hat er auch trotz Kampfmodus schon ein paar mal gekniffen, wenn er mehrere Typen sah, die vor irgend eine Wand im Parkhaus urinierten.

Da tue ich lieber hinter her ein paar Eimer Wasser drüber, anstatt verprügelt oder gar mit einem Messer verletzt zu werden, ist dem Jan dann klar.

Bei diesem Typen ist es anders.

Auch wenn manche Kundenbeschwerden ihm manchmal nicht gerade sympathisch erscheinen , ist es sein Job diesen Beschwerden nachzugehen und das will er jetzt tun, den sonst kann er die paar Euro mehr, sofort in den Wind schreiben, weil ein Parkwächter auch mit solchen Situationen fertig werden muss, wenn es hart auf hart kommt.

Den Respekt vor dem jungen Menschn zu verlieren oder gar körperlich übergriffig zu werden, kommt für Jan nicht in Frage, aber der steht da immer noch mit dieser Bierpulle in der Hand, die für Jan ein rotes Tuch ist und der Jan meint, dass jetzt eine klare Ansage erforderlich ist.

Er hält Distanz zu dem jungen Mann, so wie er es sich bei den Sicherheitsleuten abgeschaut hat und redet von der Polizei, die gleich kommen wird und dass dann ein Platzverweis ausgesprochen wird.

Es ist ein Bluff, der wirkt.

Der junge drahtige Mann mit den kurzen schwarzen Haaren sagt, dass er das verstanden hat.

Der Jan ruft aber zur Sicherheit seine Chefin an, die dann mit einem Kollegen von einem anderen Parkhaus zur Verstärkung kommt.

Da ist der junge Mann aber schon weg.

Ein flüssiges Andenken von den Aktitäten seiner Leber und Niere hat der junge drahtige Kerl in der Jogginghose in Form einer flüssigen Urinlaache an die Wand und auf den Boden gesetzt.

Egal, meint Jan, die Pisse bekomme ich schon weg.

Daneben stand dann die Bierpulle in diesem schummerigen dunklen Licht des Parkhauses und obwohl der Jan so viel Angst gehabt hat , fühlt er sich eine gewisse Zeit lang als der Platzhirsch in diesem Parkhaus, aber auch das vergeht wieder als der eigentlich sehr Chef zur Inspektion kommt und diesen und jenen Punkt bemängelt.

Nur als der Chef dann von seiner Hundert-Stunden-Arbeitswoche erzählt und von den ein bis zwei Stunden Schlaf pro Nacht und wieviel Spaß ihm die Arbeit trotzdem macht, schaut der Jan etwas bedröppelt und ratlos rein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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