Die Enden der Parabel-Die Angst kehrt zurück (7-53)

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Bin ich gestern abend in mein kleines Appartment im Essener Südviertel zurück gekehrt und aus meinem Briefkasten hang ein sehr schwerer Umschlag.

"Wow", dachte ich. Endlich ist es da.

Eine Bombe aus Buchstaben und Wörtern. Wieviele Seiten hat das Ding nur? Mir fehlt der Mut nachzuschauen.

In die Wohnung gekommen.

Wie gewohnt den Fernseher anmachen.

Ich kenne es nicht anders.

Und auf dem Tisch liegt die Herausforderung aus Berlin und aus der FC.

Mit laufendem Fernseher wird das irgendwie nicht gehen. Ich muss es ausmachen, das Ding.

Er läuft noch und ich versuche im Liegen den Mut zu finden, das Ding auszumachen. "Die strengsten Eltern der Welt" ist eine Sendung aus diesem medialen Einheitsbrei, an die ich mich noch erinnern kann.

Der Bringer ist das auch nicht.

Nicht einmal das Programm, wo das gelaufen ist, fällt mir jetzt beim Schreiben ein.

Langsam kommen die Lesezellen in der grauen Masse des Gehirns in Gang.

Schleppend.

Sehr schleppend.

So unheimlich still ist es in der Wohnung ohne meinen Fernseher im Betrieb.

Eine Traumsequenz zu Beginn, die mir nicht viel sagt!

Irgend etwas von einem Zug der Verdammten und einem Piraten, der es irgendwie mit Bananen hat.

Wofür die stehen, weiß ich nicht. So ein bißchen von einer Parabel haben die Bananen ja auch was und es ist Krieg.

Es tobt eine gewaltige und unglückselige Schlacht.

Ein Völkermorden von infernalischem Ausmaß.

Auf der anderen Seite des Kanals waren sie auch Christen und hatten ähnliche und oft auch die gleichen germanischen Wurzeln. (Angelsachsen!)

Post aus der Hölle dessen was menschliche Gedanken an Destruktiven und Zerstörungskraft schaffen können, schickten ihen unsere Vorfahren über den Kanal und der Pirat hat irgend etwas mit der Verteidigung vor der V2 zu tun, denke ich.

Was macht er nur? Ist er bei der Armee?

Erscheint irgend etwas mit den fliegenden Raketen und der britischen Abwehr zu tun zu haben.

Und ich liege auf meinem Futton und lese im Essener Südviertel, einem der meist zerstörten Viertel in Essen, die es im 2ten Weltkrieg wirklich voll erwischt hat.

Alle Häuser, die hier stehen scheinen nach 1945 erbaut zu sein!

Aus Deutschland war der Krieg gekommen und deutsche Heinkel-Bomber und Stukas waren zuerst in den englischen Luftraum eingedrungen

Hatten sie dort doch Tod und Zerstörung angerichtet und Bomber kamen zurück mit ihren aufgemalten Hakenkreuzen oder auch nicht.

Tod und Zerstörung auch über Essen und da wo ich jetzt liege, war´s damals nicht so gemütlich, wie es mir jetzt ergeht!

Dort wo man in Essen den Feuerstürmen aus der Hölle ziemlich nahe kam , scheint es in Essen dieses Südviertel gewesen zu sein.

Daten wird es auch geben.

Die verschwinden aber aus den Gehirnen der Menschen und bleiben nur in den Geschichtsbüchern stehen.

Viel stärker bleibt die Angst von den Kriegsteilnehmern und Kriegstraumatisierten wird auf die Kinder und die Enkelkinder und deren Kinder übertragen.

Immer schwächer werdend. Doch sie bleibt . Auch in meinem Gehirn!

Und wenn es mir nicht gut geht fliegen sie in jeder Nacht über das Südviertel und werfen ihre Bomben ab. Riesige Schweinwerfer, denWaffen gleich, suchen den Himmel nach den britischen Bombern ab. Über die ganze Stadt sind sie verteilt. Die furchtbaren Geräusche des Krieges höre ich -gott sei dank- nicht.

Manchmal wird auch ein Bomber getroffen, wenn er in den Kegel mehrer Scheinwerfer gerät, doch darin sitzen auch Söhne die von ihren Müttern geliebt wurden und die unter Schmerzen auf die Welt kamen, wie die Mütter in den Bunkern, die bei jedem Einschlag zusammen zucken und hoffen, dass der Bunker in dem sie sitzen keinen Volltreffer abbekommt.

Und irgendwo unter der Essener Erde sollen noch neuwertige Tigerpanzer in Fertigungsbunkern stehen , die nie an die Front kamen, munkeln die Geschichtsforscher der Stadt unter der Hand.

Auch noch einen ganzen abgestürztern Bomber soll es noch irgendwo im Ruhrgenbiet unter einem Hügel geben mit den Überresten der Besatzung darin.

Überbleibsel der Geschichte über die man hierzulande nicht gerne spricht und platt zu machen versucht so weit wie es geht, so wie man in der Nähe von Aachen an der Beseitigung von Überresten der letzten Walllinien arbeitet oder zumindest daran plant.

..und im Südviertel feuert die Flak mit Nazis als Bedienungen.

Da mag ich mich auch nicht an der Verteidigung beteiligen.

Für die in den Kz´s war diese höllische Post aus England zwar auch eine laut krachende Musik und sie waren diesen todbringenden Bässen noch viel schutzloser ausgeliefert. ...aber es war für sie auch ddas Lied der Befreiung, das Lied vom kommenden Kriegsende und drüben auf der anderen Seiter haben sie den Preis dafür zahlen müssen!

Am Ende der Parabel haben sie die gleichen Todesängste ausgestanden, auch wenn die Flugbahn der V2 doch etwas anders war als die der "normalen Bomben"- die auf das Essener Südviertel fielen- aussehen.

Doch das ist gleich.

Am Ende der Flugbahnen der V2 und der Bomben starb der Tod oder schlimmste Verletzungen und lebenslange Traumata psychischer oder physchischer Art.

Sie haben den Preis bezahlt auf der anderen Seite des Kanals und geliebt haben sie auch.

Die Frauen in ihren Nylons, damals die Nylons erst vor kurzem erfunden, wurden die Frauen, die sie trugen, geliebt von diesen Männern in Uniform.

Schreibe Notizen in den Roman.

Nicht sehr viele . Vieles ist mir noch unklar.

Namen tauchen auf, die ich so auf Anhieb nicht einordnen kann.

Mein Bezugspunkt ist der Pirat und ich versuche mich auch mit seinen Kumpanen vertraut zu machen.

Das gelingt nicht so gut und der Fernseher ist immer noch aus.

Ich schlafe bei Licht ein. Ruhe herrlich! Bin schön ausgeruht am Morgen.

....aber nicht lange.

Werde aber hundemüde am Arbeitstag, das liegt aber nicht am Roman , sondern an der Schicht vom Vortag.

Habe das Buch auch auf der Schicht mit, aber erwartungsgemäss keine Gelegenheit während der Schaffe da rein zu schauen.

Das wäre ja auch noch schöner!

Ob es heute abend auch wieder ohne Fernseher klappt?

Der Text ist Teil eines Projekts:
Wir lesen gemeinsam Thomas Pynchons "Die Enden der Parabel".


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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