Im Wurmloch

Staunen Schnell, aber nicht unbedingt schön.

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In Essen steige ich in den Intercity Express (ICE) ein.

Es geht in Richtung Frankfurt.

Müde setze ich mich hin.

Die Fahrt ist ein Schnäppchen für 29€.

Der ICE ist ein schnelles Teil.

Der Aufenhalt in Köln ist etwas länger.

Langsam rollt der Wagen aus dem Kölner Hauptbahnhof.

Ich habe auch ohne Reservierung einen Fensterplatz bekommen, aber jetzt nach Köln sitze ich mit dem Rücken zu Fahrtrichtung.

Doch dann läuft es rund.

Der Zug wird immer schneller und schneller.

Ich sitze in einer Zuggarnitur , die den namen der Schweizer Grenzstadt Schaffhausen trägt.

Das verwundert mich.

Sonst haben die ICE-Züge nur den Namen von deutschen Städten, dachte ich, aber vielleicht war das wieder mal ein Denkfehler?

Es geht die Neubaustecke ausser Sichtweite vom Rhein entlang.

Die Röhre des Zuges wird irgendwie zu einem Loch.

Das Fenster ist das Ausguckloch nach draussen.

Ich sitze im Wurmloch.

Das Wurmloch , dass ich zuerst bei Raumschiff "Enterprise" und später in den Dokus bei den Spartenkanälen kennengelernt habe, das Wurmloch mit dessen Hilfe man theoretisch blitzschnell von dem einen Ende des Unviversums in dessen anderes Ende kommen kann.

Raum und Zeit verschmelzen im Wurmloch oder auch nicht.

Für mein Zuggastfantasie strebe ich aber diese Verschmelzung von Raum und Zeit an.

Der Zuggast vor mir hat sein Notebook aufgemacht.

Durch eine kleine Lücke neben dem Vordersitz kann ich auf das grosse Displayfeld des Notebooks linsen.

Ein Abenteuerspiel ist aufgeladen.

Der Fahrgast vor mir hat sein persönliches "holografisches Deck" ins Wurmloch mitgebracht.

Auf dem Display blicke ich auf das Gesicht eines hohen iranischen Geistlichen , dass dem des verstorbenen Khomeni ähnelt. Das Gesicht lächelt für mein Empfinden finster.

Das ist wieder eine andere Dimension neben dem Wurmloch in der noch ein anderer Raum und noch eine andere Zeit zusammenfliessen.

Ein Agent kämpft gegen Khomeni, aber ich will auch nicht zu neugierig sein.

Im Wurmloch gibt es die dunklen Tunnels. Das sind sie dunklen Phasen des Wurmlochs.

In den dunklen Wurmlochphasen fliegen Lichtblitze an mir vorbei.

Ich bin müde.

Ich lasse mit meiner heimlichen Neugier den Vordermann/frau, der auf die "Nackte Kanone irgendetwas" umgeschaltet hat, in Ruhe und schaue durch mein Ausguckloch nach oben.

In den hellen Phasen der Wurmlochs werden die Oberleitungen der Bahn zu schwarzen Linien, die die Grenzen des Wurmlochs aufzeigen die ständig wechseln und sich wie Schlangenlinien auf und ab peitschend bewegen.

Unklar sind die Konturen der vorbeifliegen Landschaft.

Ob das wohl die Erde ist?

Wieviel hat eine Postkutsche vor 300 Jahren wohl für die Strecke von Köln nach Frankfurt gebraucht?

Unfassbare fünzig Minuten nach Köln rolle ich in Frankfurt am Main / Flughafen ein und steige um , aber wenn ich ehrlich bin gefällt mir die Rheinstrecke der Bahn nach Süden mit ihren grossartigen und spektakulären Ausblicken viel, viel besser.

Um auch die Bahn nicht über den grünen Klee zu loben habe ich beim Intercity Express auch schon kaum fassbare Verspätungen erlebt, die sich jedoch natürlich immer rational erklären lassen , aber heute war ich im Wurmloch.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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