Sleeping in the car park

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Tief unter dem Einkaufszentrum gibt es eine Welt aus Beton und dem grellen Licht der Neonröhren, die das Dunkel dort unten in regelmäßigen Abständen aufhellen. Im Herzen der Stadt, tief unter Beton begraben , fahren rollende Maschinen umher, die von Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Sie sind ein Teil eines Konzeptes, das jeder Person eine individuelle Mobilität ermöglicht. Mit den Maschinen auf vier Rädern kann jeder von A nach B fahren ohne auf den Bus zu warten. Diese beweglichen von Blech und Glas ummantelten Maschinen auf Gummisohlen, auch Kraftfahrzeuge genannt, gelten als des "Deutschen Liebstes Kind". Wenn es denn nach Feierabend oder Samstag in die Stadt geht brauchen sie einen gewissen Platz in den immer enger gewordenen Innenstädten.

Millionen gibt es davon alleine in Deutschland und selbst in Nordrhein-Westfalen soll es noch mehr Autos geben als in ganz Afrika. Hier im Ruhrgebiet war es anders. Es waren keineswegs nur reiche Leute, die ein Auto fuhren. Das Auto ist ein Sachzwang.

Der alte Parkwächter Jan arbeitete in so einem Parkhaus in Dortmund. Im Ruhrgebiet war es nicht so heiß wie in Schwarzafrika..Nein , ganz im Gegenteil!

Es war Winter und ziemlich kalt!

Seine Schicht begann er in der Regel mit einer Runde durch das Parkhaus in dem er den liegen gebliebenen Dreck der letzten Schicht wegmachte. Diese seltsame Mischung aus Zigarettenstummeln, Tampons, vollgemachten Windeln, Pommesschalen an denen noch die Soßenreste klebten, Papierfetzen, weggeworfenen Prospekten und all diesem ganzen Abfallkram , den die Industriegesellschaft hervorbringt und der es nicht einmal bis nach Hause in die Wohnungen der Menschen schafft. In manchen Ecken stank es nach Urin, den Jan dann wegschrubben mußte. Selbst menschliche Verkotungen gab es manchmal in den Treppenhäusern oder an den Rändern. Um diese Scheißhaufen zu entfernen hatte Jan seine gan eigene Technik mit viel Sand und Zeit, um den Sand auf den Kot einwirken zu lassen.

Es kam ihm vor wie der Wahnsinn, was da auf dem Boden des Parkhauses lag.

An diesem knackig frostigen Morgen erschrak Jan. An einer Parkmarkierung in einer Ausbuchtung für vier Autos lag eine große Matratze. Der alte Mann , der sein ganzes Leben nicht sehr weit über die Grenzen des Ruhrgebietes herausgekommen, wurde wütend. „Schon wieder einer, der seinen Sperrmüll im Parkhaus entsorgt,“ dachte er.

Jan ging näher auf den vermeintlichen Sperrmüll zu. Er erschrack als aus einer schmutzigen Decke Haare hervorschauen sah. Es war ein Odachloser, der vor der gnadenlosen Kälte dieses Winters im Parkhaus Zuflucht gesucht hatte. Jan musste das Parkhaus für den Ansturm der Autos in den nächsten Stunden vorbereiten. Behutsam bückte sich Jan zu der Schlafstelle und berührte vorsichtig die Schultern des Obdachlosen. Der zuckte sofort ängstlich zusammen und sagte, dass er gleich weg wäre. Der Schläfer im Parkhaus tat Jan leid.

Die Fotoarbeitsgemeinschaftder Klasse 10 a der Heinemann-Schule hatte immer ausgefallene Sachen vor. Lehrer Hufschmidt mochte die überwiegend jungen Mädchen in seiner Klasse. Diesmal sollten Menschen beim Schlafen oder Possieren in einer Liege fotografiert werden, die an ganz ausgefallenen Stellen aufgestellt werden sollte. Es wurde eine Liste aufgestellt, wo diese Liege überall aufgestellt werden sollte. Ein Parkhaus kam auch auf diese Liste.

Schließlich kam die Foto-AG in das Parkhaus, in dem Jan arbeitete und fragten ihn , ob sie dort ein paar Fotos machen dürften. Jan war nur der Wächter und nicht der Chef vom Parkhaus. Eigentlich durfte er sowas nicht ohne die Rücksprache mit seiner Chefin tun, doch die jungen Menschen waren ihm sympathisch und er nahm diese Entscheidung af seine Kappe. Er stellte sich jedoch in die Nähe um aufzupassen, dass nichts passierte. Die jungen Mädchen nahmen nacheinander in der Liege Platz und wurden von ihren Freundinnen und Klassenkolleginnen aus der Foto-AG fotografiert. Die jungen Mädchen juchzten dabei und der Spaß sowie das Abenteuer dabei , standen für sie im Vordergrund. Es war für sie der Höhepunkt des Fotoprojektes mit der Liege an den unmöglichsten Stellen. Jan dachte an den armen Obdachlosen im Winter, sagte aber nichts. Er wollte den jungen Menschen den Spaß nicht verderben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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