Live-Bericht vom Berlin Festival

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Die Sonne geht langsam hinter dem Hangar unter. Tag 2 des Berlin Festival 2010, dank mehrerer koffeinhaltiger Getränke sind wir auch heute wieder hier.

Gestern startete das Festival mit einem gelungenen Auftritt von Blood Red Shoes, die sich nach eigenen Aussagen steil Richtung Platinolymp bewegen. Live starteten sie mit klangvollen Gitarrenriffs durch und zeigten im selben Moment, dass bis zum Platin noch eine ganze Strecke zurückzulegen ist: zur Aufnahme in die Gala der unangreifbaren Rockstars fehlt noch ein Stück Coolness. Bisher blickt Laura-Mary Carter während eines Songs noch mehrmals mit latenter Verunsicherung im Blick zu ihrem Bandkollegen Steven Ansell am Schlagzeug, auf dass auch ja kein Übergang verhunzt werde. Aber selbst dabei bleiben sie so tanzbar, dass kleinere Performance-Mängel schnell in den Hintergrund treten.

Als nächstes machen wir uns auf den Weg zu Zola Jesus und flüchten ebenso schnell wieder vor schlecht abgemischtem Sirenengesang. Was die Festival-Besucher in Trance versetzen sollte kann weder musikalisch noch durch eine interessante Bühnenshow (welche Bühnenshow?) überzeugen. Off we go.

Dafür erobert Norman Palm als darauf folgender Act umso schneller unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Seine Authentizität als nerdiger Singer/Songwriter bedingt, dass er sogar ein "hold me close to you" ohne Kitsch völlig mühelos in die Nacht trägt. Genauso nonchalant lässt er seine eindringliche Stimme, die anderenfalls an Heulsuse James Blunt erinnern könnte, von wohlplatzierten Elektrobeats untermalen und macht damit seine Musik zu einer der vielschichtigsten des Abends.

Leider müssen wir sein Konzert zugunsten der Elektro-Pop-Queen Robyn frühzeitig verlassen, die uns mit einer durchchoreographierten Performance belohnt. Graues Scheinwerferlicht lässt die Künstlerin metallisch, fast stählern wirken und wenn sie auf der Bühne eine Banane verspeist, so tut sie das gekonnt unlasziv und wirft den Rest der zum Phallus-Symbol erhobenen Frucht mit vollem Mund in die Menge. Einst singendes Girlie im Schatten von Britney Spears und Co. erweist es sich als die beste Entscheidung, sich von ihrem Label unabhängig und ihr eigenes Ding zu machen. Die Crowd tanzt, tobt und lässt sich von den energiegeladenen Synthie-Rhythmen mitreißen.

Nach einem solchen Konzert streifen wir Herman Dune nur im Vorbeigehen und stellen fest, dass wir ihren entspannten Anti-Folk doch lieber zum Nachmittagskaffe konsumieren.

Im weiteren Verlauf der Nacht lassen wir die Altmeister vom LCD Soundsystem tanzend an uns vorbeiziehen, surfen mit Fever Ray durch sphärische Klänge, die Tagträume zum Leben erwecken und kapitulieren vor der Menschenmasse, die sich vor der Hangar5-Stage zu Caribou einfindet. So geht auch die Aufregung gegen 2:30 Uhr an uns vorbei, im Rahmen derer die Polizei das Gelände wegen Überfüllung räumt und uns am heutigen Samstag eine komplett veränderte Running Order und ein frühes Festivalende um 23:00 Uhr beschert. Der Schock der vergangenen Loveparade ist nach wie vor präsent.

Trotzdem genießen wir Seabear statt abends eben schon zum Zweitkaffee um 15:00 Uhr - und beschließen, dass wir mit der sympathischen Band aus Island auch jederzeit ein Bier trinken würden. Ein entspannter und in jedem Fall gelungener Start in den zweiten Festivaltag.

Danach geht es mit der französischen Jungs von Tahiti80 weiter. Der Frontmann trägt ein knallbuntes Ringelshirt und lässt die Tracks mit zarter Rock-Attitüde dahinfließen. Selbst wenn die Band genauso gut auf der Couch genossen werden könnte, trägt sie weiter dazu bei, dass wir entspannt durch den Samstag gleiten. Zumindest bis Hot Chip uns um 22:00 zu neuen Tanzeinlagen mitreißen.

>> Live-Bericht vom Berlin Festival II

>> Mehr zum Live-Erlebnis: Unter @derfreitag_live twittern wir vom Berlin Festival.

ERL // MP

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Das Pop-Blog

Das Freitag-Blog zur Musik. Hier schreiben Jan Jasper Kosok, Maike Hank, Daniel Windheuser, Sophia Hoffmann und Antonia Märzhäuser. In nächster Zeit vor allem für das Berlin Festival.

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