Live-Bericht vom Berlin Festival II

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Während die Belgier von Soulwax mit ihren Elektro-Rock-Beats das Publikum vor der Main Stage zum Tanzen antreiben, beschließen wir lieber, die letzten 15 Minuten von Chilly Gonzales zu verfolgen. Der Großmeister skurriler Performances tobt im schwarzen Morgenrock über die Bühne, klimpert wild auf dem Piano, so dass wir aus der Entfernung nur vermuten können, ob ihm möglicherweise zwei weitere Arme gewachsen sind oder er doch zusätzlich mit seinen Füßen in die Klaviertasten haut. Danach demonstriert der "worst MC", dass er nach wie vor die hohe Kunst der Zungenakrobatik beherrscht. Schneller, witziger und unterhaltsamer rappt wohl kein anderer Master of Ceremonies zu schrägen Elektrobeats. Das Publikum vor der Hangar-4-Bühne bejubelt den Entertainer, der mal wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass es keine Grenzen zwischen Trash, unterhaltsamer Popkultur und avantgardistischen Musikexperimenten geben muss.

Seine Produzentenkollegen von Boys Noize haben mittlerweile die Main Stage erobert, wir wollen jetzt aber lieber die Chance nutzen und ergattern zwei Kopfhörer für die Silent Disco... Damit bewaffnet stehen wir mitten in einer tanzenden und singenden Party-Crowd. Per Funkübertragung verfolgen wir über zwei Kanälen das DJ-Set, genießen die Bewegungsfreiheit und stellen fest, dass man keine dicken Boxen zum Grooven braucht. Die kleine Privatparty ist unterhaltsam und kurzweilig. Wir sind damit beschäftigt zu erraten, wer gerade zu welchem Musikkanal tanzt und beim Abnehmen der Kopfhörer erleben wir, wie sich ein Festivalchor in der Silent Disco formiert und den Refrain anstimmt, der über die Kopfhörer wabert. Ein Zeitvertreib, bei dem wir auch gerne mal im Einkaufszentrum, Büro oder der U-Bahn mitmachen würden.

Von dort aus beobachten wir auch, wie sich allmählich die Festivalmasse zur Main Stage bewegt, um den letzten großen Live-Act nicht zu verpassen: Hot Chip. Die Briten betreten pünktlich um 22.50 Uhr die Bühne und sorgen mit den ersten Beats für Party-Euphorie. Wir sind ebenfalls ready for the floor. Da die meisten anderen Bands bereits ihre Auftritte und Performances absolviert haben, feiert ein Großteil der Festivalbesucher zur Clubatmosphäre der Londoner. Ihre Show ist massentauglich und würde beinahe über das frühzeitige Festivalende hinwegtrösten, wäre ihr Auftritt ein wenig länger gewesen. Aber nach 40 Minuten verabschieden sich die Indiepophelden und schicken die Festivalgäste in die Nacht. Schade eigentlich, denn nach der gelungenen Berlin-Festival-Performance möchten wir ihnen gerne schwören: We only wanna be your one life stand!

Das Festivalgelände leert sich schnell, die Eingänge des Flughafens Tempelhof verschluckt die Festivalgänger, um sie auf der anderen Seite wieder auszuspucken. Der Freitag-Stand steht verlassen da und wir sind erleichtert, dass die verstärkte Präsenz von Security-Leuten und Polizei am zweiten Festivaltag nicht zum Einsatz kam. Gerne hätten wir länger getanzt, besonders da die meisten Festivalbesucher sich gegenseitig genug Freiraum ließen, um entspannt und fröhlich zu feiern. So verlassen auch wir wehmütig das Flughafengelände. Bye bye, au revoir und auf Wiedersehen.

ERL // MP

>> Live-Bericht vom Berlin Festival Teil I

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Das Pop-Blog

Das Freitag-Blog zur Musik. Hier schreiben Jan Jasper Kosok, Maike Hank, Daniel Windheuser, Sophia Hoffmann und Antonia Märzhäuser. In nächster Zeit vor allem für das Berlin Festival.

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