Kulturelle Werke sind kein „Wissen“

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Zu kurz gedacht, liebe Netzlibertäre - 2

„Wissen“ ist in der aktuellen Diskussion um die Frage, ob Kultur denn nun für alle umsonst verfügbar sein soll, eines der Codewörter, das kulturelle Werke mutmaßlich miteinschließt. Kulturelle Werke sind Wissen, also darf der Zugang zu ihnen in einer demokratischen Gesellschaft nicht beschränkt werden, lautet das Argument. Sie gehören zum Gemeingut, heißt das. Das aber ist einer der Irrtümer der Befürworter des freien Zugangs. An seinem Grund liegt eine Verwechslung.

Die Piratenpartei unterscheidet in ihrem Grundsatzprogramm zwischen „Information, Wissen und Kultur“, deren „allgemeine Verfügbarkeit verbessert“ werden soll, während die wirtschaftlichen Interessen der Urheber gleichzeitig geschützt bleiben sollen. Dass der Schutz von kulturellen Werken anders aussehen muss als der von Informationen oder Wissen wird aber erst klar, wenn man die drei Begriffe aufdröselt. Die Unterscheidung lohnt sich, weitergedacht zu werden.

Das ursprünglichste zuerst: Informationen sind alle Rohdaten, egal ob Reize, die die Sinnesorgane treffen, oder Bits in digitalen Informationsverarbeitungssystemen. Sie sind es, die – sofern digital – beliebig vermehrbar, weil ohne Aufwand kopierbar sind.

Wissen ist dagegen in kognitiven Systemen prozessierte Information, die in vielerlei Weise ihre Form geändert hat: Sie ist kategorisiert, verkürzt, zugespitzt, geordnet, abgespeichert und wieder modifiziert worden. Wissen in einem kognitiven System (im Kopf) kann den Kopf nicht als Wissen verlassen, sondern nur wieder als Information, indem ich es zum Beispiel in Sätze übersetze und diese durch sprechen oder schreiben weitergebe.

Das, was ein Künstler oder eine Kreative herstellt, ist ebenfalls übersetztes Wissen (Wissen darum, wie man handelt, um eben diesen Text, dieses Stück Musik, dieses Werbebanner herzustellen). Es als Information anzusehen, greift trotzdem viel zu kurz. Ein kulturelles Werk ist eben so wenig wie ein getischlerter Stuhl einfach etwas Weitergegebenes. In ihm steckt eher mehr als minder viel Erfahrung, Enthusiasmus, ein bestimmtes Verständnis für seinen Gegenstand, Mühe, Ausbildung, kurzum: Arbeit. Arbeit aber wird aus gutem Grund in unserer Gesellschaft nicht wie Wissen behandelt. Wer Arbeit verrichtet darf mit einer fairen Kompensation rechnen. Und wenn er verschenkt, was er mit ihr hergestellt hat, ist das seine Sache.

Abgesehen vom Entstehensprozess liegt der Unterschied zwischen Werk und Wissen auch in der Wahrnehmung und Wirkung: Dass ein Gedicht oder ein Roman keine Information oder kein Wissen im obigen engen Sinne sind, wird jedem klar, der zuende liest und darauf achtet, was ihm alles passiert, das sich mit einem reinen Decodieren von Informationseinheiten nicht einmal im Ansatz erklären lässt. Gleiches gilt für Lieder, Spiele, Kleidung oder ein gutes Essen.

Information, Wissen und kulturelle Werke in einen Topf zu werfen, greift zu kurz. Informationen sollten frei und allgemein verfügbar sein. Kulturelle Werke können es nur dann sein, wenn ihre Produzenten sich freiwillig dazu entscheiden. Sie dazu zu zwingen kann nicht Sinn einer liberalen Politik sein.

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Geschrieben von

Peter Plöger

Wir brauchen nicht mehr Glück, wir brauchen mehr Sinn.

Peter Plöger

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