Kulturelle Werke sind nicht ohne Verantwortung zu haben

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Zu kurz gedacht, liebe Netzlibertäre - 3

Freiheit heißt Verantwortung. Der Satz kann schnell eine hohle Phrase werden. Die Urheberrechtsdebatte trägt bislang noch nicht viel dazu bei, ihn mit Sinn zu füllen. Mit dem Netz kam eine Freiheit, die eine große Verantwortung mit sich bringt. Der Nutzer, der sich aus dem Netz umsonst holt, was er will, und dann sagt, die böseböse Verwertungsindustrie sei ja ein Leviathan und Ausbeuter und die Künstler müssten, wenn sie auch etwas für ihre Arbeit bekommen wollten, eben sehen, dass sie sich nicht ausbeuten lassen, hat das offensichtlich nicht verstanden.

Ich rede nicht von ein paar Texten oder Sounddateien, die sich einer aus dem Netz zieht und sich dran freut. Prä-Web, als wir noch klein waren, hat jeder abends vor dem Radio gesessen und seine persönliche Playlist auf Kassette mitgeschnitten. Das war auch gegen das Urhebergesetz, ist aber lässlich. Mir ist dabei zunächst wurscht, ob zu privaten Zwecken mitgeschnitten oder gedownloaded wird, weil es mir hier nicht um die Frage geht, ob durch „Übernutzung“ Schaden für jemanden verursacht wird oder nicht. Ich halte es allerdings für eine merkwürdige Einstellung, wenn jemand meint, sobald er ins Internet gehe, beträte er eine Welt, in der derjenige, der etwas hergestellt hat, dafür nichts zu bekommen braucht. Eine simple Regel, die sonst überall gilt, soll hier nicht gelten? Die Verantwortung des Nutzers gegenüber dem Hersteller soll nichtig sein?

Die Regel wird auch nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass der Urheber sich entschlossen hat, seine Arbeit zu veröffentlichen. Veröffentlichtes ist nicht automatisch ein Gemeingut, so wie Straßen oder Schulen, die tatsächlich für den allgemeinen Gebrauch bestimmt sind (www.freitag.de/community/blogs/pploeger/the-tragedy-of-the-creatives-kulturelle-werke-sind-keine-gemeingueter). Aber selbst für Straßen oder Schulen zahlen wir (mehr oder minder) bereitwillig Abgaben. Der Grundkonsens ist also, dass die Bereitstellung dieser Gemeingüter uns einen kleinen Obolus wert ist. Warum sollte der Grundkonsens bei kopierbaren „Gegenständen“ im Web ein anderer sein?

Weil der Bäcker immer als der ehrliche Handwerker herhalten muss, hier noch ein Bäckerbeispiel: Wenn ich morgens ein Brötchen kaufe, nehme ich doch nicht noch zehn weitere für lau mit. Der Punkt dabei ist: Das tue ich nicht, weil ich Angst vor der Polizei habe, sondern weil ich mich verpflichtet fühle, dem Bäcker gegenüber moralisch zu handeln. Diese Art der Selbstverpflichtung fehlt mir dort, wo im Web einfach mitgenommen wird, was gerade da ist. Ich sehe nicht, warum es bei Kreativen prinzipiell anders sein sollte als beim Bäcker.

Eine solche Selbstverpflichtung lässt sich per se nicht durch äußere Kontrolle herstellen. Daher greift die Debatte an dieser Stelle nicht, solange sie sich nur um die Gestaltung von Gesetzen dreht. Der eigenen Verantwortung in seinem Handeln tatsächlich nachzukommen ist jedem Nutzer selbst überlassen. Ob er bereit ist, verantwortlich zu handeln oder nicht, ist völlig unabhängig von der augenblicklichen Gesetzeslage.

Die Urherberrechtsdiskussion wird auf die Dauer nicht weiterkommen, wenn die Frage der Ethik nicht geklärt ist. Sicher, die Frage schließt auf der anderen Seite zum Beispiel ein, dass die Urheber von den Verwertern fair behandelt werden. Das wäre allerdings nur die halbe Geschichte, wenn wir nicht auch über die Nutzerethik reden würden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Plöger

Wir brauchen nicht mehr Glück, wir brauchen mehr Sinn.

Peter Plöger

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