Schreiben in Cafés - Düsseldorf

Cafékultur "Kaffee" kommt von "Kaff".

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Düsseldorf ist kein Kaff. Meistens jedenfalls. Einzig am Aschermittwoch macht es einen ländlichen Eindruck, wenn die Altstadtgässchen nach einer Jauche aus Dunkelbier und Kotze riechen. Dann treten die Inhaber der hier lückenlos ganze Ladenzeilen füllenden spanischen Restaurants mit dem Mopp auf das gut gedüngte Kopfsteinpflaster. „Auf die Bäume, ihr Jecken, das Dorf wird gefegt (gewischt, um genau zu sein)“, möchte man mit ihnen intonieren, wenn sie nicht so triste Gesichter machen würden. Von den Jecken ist ohnehin nichts mehr zu sehen.

In dieser postruralen Umgebung bietet das Café am Carlsplatz eine Oase der Ruhe, jedenfalls für die Nase. Die Markise sonnengelb wie die Schilder auf den Taxis, die vor der langen Fensterfront eine Art Standumzug der Personenbefördererzunft abhalten. Vis-à-vis ein kleiner Marktplatz mit festen Buden, ein bisschen Naschmarkt im Rheinland, dort wo es sich mondän geben will. Die Wurstbude macht schnell klar, dass der Anspruch in dieser Ecke der Stadt nicht erfüllt werden wird. „Marktflecken“ fällt mir dazu ein, wobei „Flecken“ sich genauso auf das beziehen könnte, was die Spanier eine Gasse weiter gerade aufmoppen. Gutes von gestern.

Das Café trotzt dem Karnevalskater mit Art-Déco-Leuchten und Tischplatten in rosa Marmorimitat. Das Geschirr ist modern-gediegen. Vierertische bis in die Tiefe des Raumes, der standesgemäß ein saalartiges Format hat. Die Tische bieten genug Platz für einen Laptop (nämlich genau ein Viertel der Fläche) und Papiere daneben. Steckdosen gibt es leider keine in der Nähe. Aber es bleibt genug Platz auf der Tischplatte für Getränk und Kuchen oder Kleinigkeiten aus der riesigen Auswahl an Konfiserie. Die war mir zu groß, also musste es etwas aus der warmen Küche sein: schwäbische Maultaschen mit italienischer Tomatensauce (es hätte auch ein rheinischer Speckpfannekuchen sein können; beides 8,20 Euro), dazu Ginger Ale für 2,40 Euro. Also: Preise nicht so rural, das Essen dafür schon.

Die Bedienung ist fix und aufmerksam, weißt mich darauf hin, dass der Teller heiß sein könnte. Während ich die gefüllten Teigtaschen vermaule ein Blick auf das Publikum: Tendenz zum Rentenalter und zur Pärchenbildung. Die Geräuschkulisse ist rheinisch, aber gedämpft. Im Hintergrund dann und wann ein letztes Aufsingen, die Texte schon unverständlich, die Melodien aber klar narrenzeitlich. Und jetzt begreife ich, dass auch die Schwarzgekleideten, die ich für eine ungewöhnliche Häufung von Trauergästen gehalten habe, wohl Restjecken sein müssen. Die beiden älteren Damen zum Beispiel, beide mit Spitzenhäubchen und Federn ganz in schwarz, sodass sie wie sehr traurige Pfauenmännchen aussehen. Ich ahne, warum sich Karnevalisten oft als Hasso oder Hansi verkleiden – wahrscheinlich, damit sie saufen können wie die Tiere. Feierei, die unsere animalische Seite zum Vorschein bringt. Wer tags darauf noch kann, geht hier ins Café und wird wieder Mensch. Den Pfauenladies scheint der Kaffee jedenfalls zu schmecken.

Ich löffele die Tomatensauce bis zum letzten Tropfen und hinterlasse den Teller somit besenrein. Spontan fühle ich mich mit den spanischen Wirten solidarisch. Was hat der Rheinländer nur mit seinem Karneval? Naja, ich bin halt nich von hier wech. Wenn das am Carlsplatz auch ein durchaus geeignetes Schreibcafé war, das nächste wird wieder eins in Westfalen sein, so viel ist sicher.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Plöger

Wir brauchen nicht mehr Glück, wir brauchen mehr Sinn.

Peter Plöger

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden