Psychische Krisen

Soziale Ängstlichkeit Psychische Krisen sind Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse - insbesondere in Corona-Zeiten. Chronische Ängstlichkeit behindert eine Neuordnung.

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Psychische Krisen:
Durchsetzung instrumenteller Vernunft und Massenneurose

(Dies ist das erweiterte Kapitel aus dem Buch 'Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich.', Kap. 1.7, englischsprachig und deutschsprachig Auszüge auf https://klaus-moegling.de)

Bereits Marx/Engels ziehen eine deutliche Verbindung zwischen psychischen Strukturen, Denkweisen und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen:

„Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewußtsein sich ändert?

Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet. Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.“[1]

Mit der sich entwickelnden Industriegesellschaft – und dies gilt noch viel stärker in der digitalen Gesellschaft – wird ein Menschentypus hervorgebracht, der durch eine Formung der Weltwahrnehmung gekennzeichnet ist, die Horkheimer (1947/1986) als instrumentelle Vernunft kennzeichnet. Die Ausschaltung von empathischen Gefühlen und die Einengung des Denkens orientiert an instrumenteller Effizienz bedeutet, die natürliche und soziale Mitwelt nur daraufhin zu betrachten, inwieweit sie der egoistischen Interessensdurchsetzung von Nutzen ist. Hierbei liegt der Maßstab im wirkungsvollen Einsatz von Mitteln, um einen Zweck, z.B. eine angemessene Rendite, zu erzielen. Alle Überlegungen und eingesetzten Mittel werden diesem Zweck untergeordnet. Störende Gedanken und Gefühle werden verdrängt, z.T. ins Unterbewusste abgeschoben.

Die Anwendung der Rational-Choice-Theorie in den Wirtschaftswissenschaften zeigt idealtypisch, wie diese instrumentelle Vernunft zu funktionieren hat. Handlungsmöglichkeiten werden danach ausgewählt und rational abgewogen, inwieweit sie die optimalen Möglichkeiten zur Nutzenmaximierung bieten, ohne dass die persönlichen Kosten den Nutzen übersteigen. Hierhinter steht das Menschenbild des ‚homo oeconomicus‘, der eigennützig, selbstzentriert und unter Verdrängung der Emotionalität handelt. Persönlicher Nutzen wird maximiert, Kosten werden möglichst auf die anderen abgewälzt. Die Interpretation von Situationen und die selektive Wahrnehmung einer Situation richten sich also danach, welche Wahrnehmung den größten Nutzen bietet.[2] Im Mittelpunkt des in diesem Sinne rational handelnden und entscheidenden ‚homo oeconomicus‘ steht der persönliche ökonomische Erfolg. Er versucht soziale Situationen so zu kontrollieren, dass seine eigene Interessensdurchsetzung und Bedürfnisbefriedigung nicht gefährdet ist. Er ist in erster Linie konkurrenzorientiert, ist aber auch in der Lage, mit anderen zu kooperieren, wenn dies seiner persönlichen Nutzenmaximierung dient. Er – der ja genauso eine Frau sein kann – kann sogar empathisch sein, wenn dies seinen Interessen dient. Er ist macht sich höchstens dann um gesellschaftliche Probleme Sorgen, wenn dies seine Rendite gefährdet. Er ist der Globalisierungsgewinnler, dessen imperiale Lebensweise den Planeten zugrunde richtet. Der ‚homo oeconomicus‘ ist der Prototyp des kapitalistisch sozialisierten Menschen.

Marx/Engels beschreiben bereits für das 19. Jahrhundert, dass das kapitalistische Gesellschaftssystem alle bisherigen Verhältnisse und Bindungen brutal zerreißen und einen bestimmten Menschentypus hervorbringen würde. Die Klasse, die vom Kapitalismus vor allem ökonomisch und politisch profitiert, die Klasse der Kapitaleigentümer, würde das Denken der Menschen dominieren und:

„kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriglassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ‚bare Zahlung‘. (…) Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst. (…) Sie hat mit einem Wort an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt.“[3]

Instrumentelles Denken hat – nach Horkheimer – einen subjektiven Vernunftbegriff zum Hintergrund, also wie das einzelne Individuum im Rahmen des Zweck-Mittel-Denkens in optimierter Weise handeln kann. Hingegen sind seiner begrifflichen Unterscheidung nach objektive Vernunftentwürfe auf als wertvoll erachtete Ziele einer Kultur gerichtet. Das individuelle Verhalten hierbei ist – im Gegensatz zum technisch-instrumentellen Denken – an einem Denken orientiert, das diese Ziele versteht, kritisch durchdenkt und im Falle positiver Akzeptanz zur Richtschnur des eigenen Handelns macht. Das entwickelte und gereifte Humane bildet sich daher nicht ausschließlich in einem technisch-instrumentellen Verständnis von Vernunft ab, sondern zeigt vor allem in einer Vernunft, die auf das kritische und unabhängige Durchdenken von Zielen des Zusammenlebens gerichtet ist und an der Verantwortlichkeit für das übergeordnete Ganze orientiert ist.

Max Horkheimer zieht die Verbindung zwischen technischer Entwicklung und Entmenschlichung, die nun durch die Digitalisierung und ein hybrides Mensch-Technik-System noch eine aktuelle Variante erhalten hat:

„Das Fortschreiten der technischen Mittel ist von einem Prozess der Entmenschlichung begleitet. Der Fortschritt droht das Ziel zunichte zu machen, das er verwirklichen soll – die Idee des Menschen.“[4]

Hier kann es natürlich nicht um ein Plädoyer gegen technischen Fortschritt generell gehen, nämlich dann nicht, wenn er dem Humanen oder auch der Mensch-Umwelt-Beziehung dient. Es geht allerdings um die Verhinderung einer Überwältigung des Menschen (und seiner Umwelt) durch die von ihm eingesetzte menschliche Technik und um die Kritik einer Vernunft, deren Grundlage nicht kritisches und theoriegeleitetes Denken sondern eine Unterwerfung unter ein rigoroses Zweck-Mittel-Denken ist – so Horkheimer:

„Als die Idee der Vernunft konzipiert wurde, sollte sie mehr zustande bringen, als bloß das Verhältnis von Mitteln und Zwecken zu regeln; sie wurde als das Instrument betrachtet, die Zwecke zu verstehen, sie zu bestimmen.[5]

Eine objektive Vernunft im von Horkheimer gemeinten Sinne ist dementsprechend eine Vernunft, die aus sich heraus zielgerichtet mit bestimmten Werten verbunden ist, wie z.B. Gerechtigkeit, Toleranz und Glück.

Herbert Marcuse verweist in diesem Sinne auf die Verbindung von Gesellschaftsstruktur und Individualität. Gesellschaft werde mehr und mehr eindimensional und forme entsprechend die Bedürfnisstrukturen des Individuums. An die Stelle kritischen Denkens und befreiten sowie der Befreiung dienenden Handelns würde eine psychische Unterwerfung unter die Bedürfnisformierung der Gesellschaft treten. Derartige Bedürfnisse sind vor allem Konsum- und Statusbedürfnisse, deren Durchgängigkeit an die Stelle brutaler Unterwerfung im Sinne einer subtilen sozialen Kontrolle treten würden:

„Die Menschen erkennen sich in ihren Waren wieder; sie finden ihre Seele in ihrem Auto, ihrem Hi-Fi-Empfänger, ihrem Küchengerät. Der Mechanismus selbst, der das Individuum an seine Gesellschaft fesselt, hat sich geändert, und die soziale Kontrolle ist in den neuen Bedürfnissen verankert, die sie hervorgebracht hat. (…)

Es ist daher kein Wunder, dass die sozialen Kontrollen in den fortgeschrittensten Bereichen dieser Zivilisation derart introjiziert worden sind, daß selbst individueller Protest in seinen Wurzeln beeinträchtigt wird. Die geistige und gefühlsmäßige Weigerung ‚mitzumachen‘ erscheint als neurotisch und ohnmächtig. Das ist der sozialpsychologische Aspekt des politischen Ereignisses, von dem die gegenwärtige Periode gekennzeichnet ist: das Dahinschwinden der historischen Kräfte, die auf der vorhergehenden Stufe der Industriegesellschaft die Möglichkeit neuer Daseinsformen zu vertreten schienen.“[6]

Wenn sich nun instrumentelles Denken mit autoritären Persönlichkeitsstrukturen verbindet, entsteht ein Persönlichkeitstypus der von Theodor W. Adorno u.a. beschriebenen autoritären Persönlichkeit, die gern nach oben buckelt und nach unten tritt, Minderheiten diskriminiert, ganze Menschengruppen abwertet.[7] Dieser Persönlichkeitstypus fügt sich funktional in hierarchische Strukturen ein und ist das Produkt von Unterdrückung und Unterwerfung in den gesellschaftlichen Sozialisationsprozessen sowie entsprechend hierarchischen Strukturen in Politik und Wirtschaft. Gesellschaftliche Strukturen setzen sich in Charakterstrukturen um und haben einen Bezug zu psychoanalytisch zu betrachtenden Persönlichkeitsprozessen:

„Um die ‚Internalisierung‘ des gesellschaftlichen Zwangs zu erreichen, die dem Individuum stets mehr abverlangt als sie ihm gibt, nimmt dessen Haltung gegenüber Autorität und ihrer psychologischen Instanz, dem Über-Ich, einen irrationalen Zug an. Das Individuum kann die eigene soziale Anpassung nur vollbringen, wenn es an Gehorsam und Unterordnung Gefallen findet; die sadomasochistische Triebstruktur ist daher beides, Bedingung und Resultat gesellschaftlicher Anpassung.“[8]

Zur psychischen Situation in herrschaftsbesetzten Strukturen

Die Identifikation mit der Entfremdung kann auch durchaus für formal demokratische Gesellschaften gelten, welche die Demokratie im fassadenhaften Anspruch zum Verfassungsprinzip erklären, die aber in der Realisierung, z.B. in den Familienstrukturen, den Unternehmen, den Schulen oder in dem Parteiensystem, nur verdeckt-autoritäre Gesellschaften darstellen.

Dieter Duhm zeigt in seinem 1972 erschienenen ‚linken Bestseller‘ (‚Angst im Kapitalismus‘) wie Realangst, die durch körperliche Gewaltausübung z.B. im Elternhaus entsteht, sich im Laufe der menschlichen Sozialisation in neurotische Angst umwandelt. Neurosen seien die „konservierte Realangst“ (Duhm 1972, 35), bei der die eigenen Bedürfnisse ins Unterbewusstsein verdrängt und dort neurotisch festgehalten würden. Dies sei eine psychologische Anpassungsleistung, so dass der Mensch in hierarchischen Strukturen von sich aus funktioniere und in der Regel auf offene Gewaltausübung verzichtet werden könne.

Duhm analysiert fast 50 Jahre später, dass gerade in Corona-Zeiten noch einmal die Angstdosis erhöht und das globale Angstpotenzial gesteigert werde. Und: Corona verschärft die psychischen Probleme von Angst, Depression und Vereinsamung, erhöht den ohnehin vorhandenen psychischen Druck. – „Corona is the condensation of a latent field of fear through which all of humanity is moving today.“[9]

Der Psychologe und Kognitionsforscher Rainer Mausfeld (2019a) macht ebenfalls deutlich, dass der Aufbau latenter Angst ein effektives Machtinstrument der jeweils Herrschenden ist:

„Macht und Angst gehören in der politisch-gesellschaftlichen Welt eng zusammen. Macht bedeutet das Vermögen, seine Interessen gegen andere durchsetzen zu können und andere dem eigenen Willen zu unterwerfen. Macht hat also für den, der sie hat, viele Vorteile und für diejenigen, die ihr unterworfen sind, viele Nachteile. Macht löst bei den ihr Unterworfenen häufig Gefühle aus, von der Macht überwältigt und ihr gegenüber ohnmächtig zu sein. Macht erzeugt also Angst. Da Angst selbst wiederum Macht über die Geängstigten ausübt, haben diejenigen, die es verstehen, Angst zu erzeugen, eine sehr wirkungsvolle Methode, auf diese Weise ihre Macht zu stabilisieren und zu erweitern.“

Mit ängstlichen Menschen ist es schwierig, eine echte Demokratie aufzubauen. Allerdings könne eine „kapitalistischen Demokratie“ unter den Bedingungen einer subtil verinnerlichten Ängstlichkeit ihrer Bürger durchaus funktionieren. Kapitalismus und Demokratie würden sich in einem Grundwiderspruch befinden und können nur durch die neurotische Angst ihrer Bürger funktionieren, die es nicht wagen würden, die Eigentumsfrage, d.h. die Frage nach der Abschaffung der privaten Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, zu stellen.[10]

Natürlich stellt sich hierbei sofort auch die Frage, ob dies tatsächlich ein psychisches Phänomen ist, das nur spezifisch für den Kapitalismus gilt. In den realsozialistischen Ländern wurde ebenfalls aus einer Kombination aus Realangst sowie aus neurotischen Ängsten gearbeitet. Die Realangst, verhaftet, eingesperrt, gewalttätig verhört, umgebracht zu werden, entwickelte sich zu einer latent neurotischen Angst, zur psychischen Ausrichtung und auch dort in Richtung auf eine Systemanpassung.

Angst ist für alle hierarchischen Herrschaftsformen ein geeignetes Mittel ihrer Machtsicherung, solange hier keine echte Demokratie, also eine maßgebliche Partizipation in allen gesellschaftlich wichtigen Fragen für die Mehrheit der Gesellschaft vorhanden ist.

Mit ängstlichen Menschen, die zudem bemüht sind, selbst Amtsautorität und Angstinduktion in den gesellschaftlichen Institutionen aufzubauen, ist es problematisch, eine echte Demokratie aufzubauen und weiterzuentwickeln. Mit autoritär sozialisierten und neurotischen Persönlichkeiten ist es zudem sowohl schwierig, eine friedliche Gesellschaft aufzubauen, als auch den Frieden in der Welt zu bewahren.

Hierbei stellen insbesondere die militärisch gedrillten und national eingeschworenen jungen Menschen in den Armeen der Welt ein hochproblematisches Potential autoritär disziplinierter Persönlichkeiten und instrumenteller Vernunft dar, die es gewohnt sind, ohne Zweifel äußern zu dürfen, Gehorsam zu leisten und Befehle auszuführen, die über Tod oder Leben entscheiden.

Die Zunahme instrumentell und autoritär sozialisierter Menschen soll als psychisches Krisenphänomen angesehen werden. Hierbei sind auch die Analysen von Adorno zur sexuell frustrierten autoritären Persönlichkeit zu berücksichtigen, deren Frustration und Triebstau sich in Gewalteruptionen niederschlagen.

Wilhelm Reich: „ein hochproblematisches Potential autoritär disziplinierter Persönlichkeiten“

In seiner Rede an den ‚kleinen Mann‘ charakterisiert der österreichische Arzt, Psychoanalytiker und Soziologe Wilhelm Reich 1948 den ‚kleinen Mann‘ als einen autoritär sozialisierten kranken Menschen, der solange Schreckliches anrichten wird, bis es ihm gelingt, sich selbst zu erkennen und zu entwickeln:

„ …du warst ein wenig betrunken, und du warst gerade von Übersee heimgekehrt, aus dem Kriege, und ich hörte dich die Japaner als ‚häßliche Affen‘ bezeichnen. Und dann sagtest du mit dem bestimmten Ausdruck im Gesicht … ‚Wißt ihr, was man mit diesen Japs an der Westküste machen sollte? Jeden einzelnen aufknüpfen sollte man, aber nicht rasch, sondern ganz langsam, indem man alle fünf Minuten die Schlinge am Hals um eine Windung enger dreht‘ … Hast du jemals ein neugeborenes japanisches Baby in den Armen gehalten, kleiner Patriot? Nein? Du wirst Jahrhunderte japanische Spione und amerikanische Flieger und russische Flieger und russische Bäuerinnen und deutsche Offiziere und englische Anarchisten und griechische Kommunisten aufknüpfen, erschießen, mit Elektrizität verbrennen, in den Gaskammern ersticken, doch an deiner Verstopfung des Darmes und des Verstandes, an deiner Liebesunfähigkeit, an deinem Rheumatismus und an deiner Geisteskrankheit wird sich nicht das geringste ändern. Keine Schießerei und keine Hängerei wird dich aus dem Dreck ziehen, in dem du steckst; sieh dich selbst an, kleiner Mann! Es ist deine einzige Hoffnung![11]

Wilhelm Reich sieht den Ausweg zu Recht in einer Bewusstwerdung („sieh dich selbst an“). Erst, wenn sich Menschen zum Bezugspunkt ihres kritischen Nachdenkens machen, haben sie die Chance aus den vorgegebenen normativen Grenzen herauszutreten und auch psychisches Neuland zu betreten. Hier müssen strukturelle Veränderung und Selbstarbeit sich wechselseitig entwickeln und ergänzen.

Fazit: Menschen, die sich psychisch den auf Ausbeutung, Entfremdung, Gewalttätigkeit und Kriegstreiberei ausgerichteten Strukturen über Identifikationsprozesse unterwerfen, können nicht zum historischen Subjekt friedfertiger Welt- und Gesellschaftsentwicklung werden. Erst Menschen, die ihr humanes Potenzial zu entdecken und entfalten gelernt haben, können letztendlich Träger einer auf Emanzipation und Friedfertigkeit gerichteten gesellschaftlichen Bewegung werden.

Insbesondere die neurotische psychische Struktur erscheint als Hindernis für eine echte Demokratisierung von Gesellschaft, die mehr als eine Schein- bzw. eine Fassadendemokratie ist. Auch das die Psyche dominierende instrumentelle Denken und der damit verbundene Habitus des ‚homo oeconomicus‘, der prioritär im Sinne seiner egozentrischen Nutzenmaximierung entscheidet, stellen ein Hindernis für eine gesellschaftliche Neuordnung dar, die an Solidarität, Ökologie und Gemeinwohl orientiert ist.

Die zunehmende Remilitarisierung der Welt und die Wiederkehr soldatischer Disziplin und nationalchauvinistischen Denkens durch die wieder anwachsenden nationalen Armeen und militärischen Koalitionen prägen wieder vermehrt die Jugend der Welt. Dies hängt – neben den davon Überzeugten und Freiwilligen – vor allem entweder mit staatlicher Repression, mit psychischer Manipulation oder mit gesellschaftlicher Perspektivlosigkeit zusammen. Wo Jugendliche sich in wohlhabenden Gesellschaften frei entscheiden können, z.B. in Deutschland, haben Armeen Rekrutierungsprobleme.

Militär benötigt autoritär sozialisierte Persönlichkeiten, die sich bereitwillig unterwerfen, wirkt aber auch in diese Richtung hin. Eigenart und Kritikfähigkeit sind in der Befehlssituation nicht gefragt. Der Soldat im Einsatz wird gezwungen, seine Individualität aufzugeben und zu einem Rädchen im militärischen Getriebe zu werden. Soldaten müssen sich zum Instrument in der Befehlskette degradieren lassen. Sie müssen bereit sein zu töten, aber auch das Risiko einzugehen, sich erschießen, verbrennen oder in die Luft sprengen zu lassen. Der Preis, den sie für ihre militärische Existenz zu zahlen haben, ist hoch. Die Folgen ihres Verhaltens für andere sind ebenfalls tödlich.

Anmerkungen

[1] Marx/Engels (1848/1983, 44).

[2] Vgl. Hill (2015, 29ff.)

[3] Marx/Engels (1848/1983), 26.

[4] Horkheimer (1947/1986, 13).

[5] Horkheimer (1947/1986, 21).

[6] Markuse (1964/1980, 29).

[7] Der Untersuchungsansatz von Adorno ähnelt hier dem theoretischen Ansatz ‚gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit‘ bei Heitmeyer (2012).

[8] Adorno (1950/1996, 323).

[9] https://verlag-meiga.org/corona-and-the-other-reality/, 11.2.2021, 4.5.2021.

[10] Vgl. Mausfeld (2019 a u. b).

[11] Reich (1948/2013, 104f.).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Moegling

apl. Prof. Dr. habil. i.R., Pol.wiss. u. Soziologe, Autor von 'Neuordnung', https://www.klaus-moegling.de/aktuelle-auflage-neuordnung/

Klaus Moegling

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