Mit einem unheimlichen Gebilde wirbt die Einladungskarte. Es besteht aus zwei Helmmuscheln, zwischen denen eine schwarze Taube klemmt. Der US-amerikanische Künstler Michael E. Smith hat dieses seltsame Ding vor gut zwei Jahren im Museum of Contemporary Art in Cleveland gezeigt. Auf Fotografien sieht man es in einem leeren Raum. Was auch immer hier vor sich geht – es geschieht nicht für die Öffentlichkeit, es vollzieht sich einfach, geschieht blind. Es ist eine stumme Szene, die an einen kargen Ort gehört, in den toten Winkel eines Parkhauses oder in die Wüste.
Was macht die schwarze Taube zwischen diesen großen Muscheln? Wie ist sie dahin geraten? Einer ihrer Flügel ragt noch spitz und kraftvoll in die Höhe. Hier findet ein Kampf statt. Wahrsche
. Wahrscheinlich ist er im Endstadium und entschieden. Der Vogel wird die Schneckenhäuser nicht bewegen können. Der ausgestreckte Flügel ist die letzte Regung. Ihr wohnen wir bei, und sie wirkt ewig. Derart dichte, existenzielle Bilder sind charakteristisch für das Werk von Michael E. Smith. Seine ruhigen und doch verstörenden Motive entwickelt der 1977 in Detroit geborene Künstler häufig in Form von Skulpturen, aber auch in der Malerei und mit Videos.Fleisch an der BetonwandIn Deutschland stellt Michael E. Smith seit 2009 regelmäßig in der Berliner Galerie KOW (Koch, Oberhuber, Wolff) aus, die für ein inhaltlich und politisch ausgerichtetes Programm bekannt ist. Zu den Künstlern, die KOW vertritt, gehören unter anderen Santiago Sierra und Tobias Zielony. In den hohen, kahlen Räumen des Galeriehauses, das der Architekt Arno Brandlhuber entworfen hat, sind Smiths Objekte gut aufgehoben. Vor zwei Jahren hatte er dort in einem versteckten, finsteren Winkel einen Beutel mit blutigem Fleisch an die Waschbetonwand montiert. Das ist alles, was von einem Leben blieb.Den Aufbau in Hannover hat der etwas menschenscheue Künstler weitestgehend allein bewältigt. Für Smith ist es anders überhaupt nicht denkbar. Der hagere junge Mann, der geradezu zerbrechlich wirkt, sagt, er brauche bei der Einrichtung seiner Objekte und Videos in Ausstellungsräumen absolute Einsamkeit. Weil ihm in Hannover tagsüber ständig Mitarbeiter des Kunstvereins über den Weg liefen, beschloss er, nachts zu arbeiten. Der Aufbau ist für Smith eine Fortsetzung der Arbeit im Atelier. Aus Providence, Rhode Island, an der amerikanischen Ostküste, wo Michael E. Smith zurzeit lebt und arbeitet, hat er alltägliche und außergewöhnlichere Gegenstände wie LKW-Planen, Taucheranzüge und Vogelhäuschen mitgebracht. Zu spannungsgeladenen und etwas morbiden Kunstwerken werden sie erst durch weitere Eingriffe. Etwa dadurch, wie Smith sie im Raum platziert.Die Nachtarbeit brachte jedoch Probleme mit sich. Denn in Michael E. Smiths Werk spielt der Einsatz von Licht eine wichtige Rolle – sofern Fenster vorhanden sind, auch der von Tageslicht. Im Kunstverein musste er sich dieses Licht zunächst also vorstellen.Tageslicht gibt es genug in den Räumen in Hannover. Das meiste fällt durch die Decke. Nur einer der Ausstellungssäle verfügt über riesige, herrschaftliche Fenster, die nach oben hin abgerundet sind. Die Scheibe ist von zahlreichen Verstrebungen zerschnitten. Hier stellt Smith vor allem dieses Licht aus. Die großen gemusterten Flächen legen sich am Tag über den Parkettboden. Nun ist das Licht hier beinahe allein. Einzig die Besucher leisten ihm manchmal ein wenig Gesellschaft. Objekte und Betrachter haben in Smiths Installationen viel Platz. So viel, dass einen die Einsamkeit überfällt und die Bedeutsamkeit der seltsamen Dinge anschwillt. Hier lässt sich deutlich der Einfluss der Professorin Jessica Stockholder erkennen, bei der Michael E. Smith 2008 an der Yale University seinen Abschluss gemacht hat. Aus Fundstücken wie Textil, Plane oder Kabel baut sie seit den 80er Jahren riesige Rauminstallationen.In der Hannoveraner Ausstellung macht Smith Wasser zu einem zentralen Thema. In einem Raum ist die teilverglaste Decke am Boden durch eine blaue Plane gespiegelt, die einem Wasserbecken ähnlich ist. In den anderen Sälen stehen verloren wie in einem ausgetrockneten Becken oder in verlassenen Kellerräumen verteilt kegelförmige Heizbehälter, darüber hängen Schwimm- oder Tauchanzüge aus Neopren. Etwas muss hier vorgefallen sein, nun ist es vorbei. Leben jedenfalls gibt es keines mehr. Das ist doppelt unheimlich, weil man sich nicht einmal sicher sein kann, ob Wasser oder der Entzug von Wasser dieses Ende herbeigeführt hat.In einer Videoarbeit hingegen findet der Überlebenskampf noch statt. Ein in einen Turnschuh gekleideter Fuß steht in einem Wasserbecken. Die Zehen bewegen sich und pressen das Wasser durch die Atemlöcher der Schuhe. Man weiß natürlich, dass ein Fuß nicht ertrinken kann, die Bilder suggerieren aber genau das. Und bald schon ist man überzeugt davon, dass alle Anstrengung hier umsonst ist und irgendwann zum Stillstand führt.Placeholder infobox-1