Retro, aber nicht altbacken

Musik Ex-Deep Purple Glenn Hughes belebt mit seiner Supergroup Black Country Communion und einem soliden Album den Classic Rock neu

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Supergroup – den Begriff hat die Musikjournaille geprägt, wenn sich bekannte Mitglieder etablierter Bands in einer neuen Gruppe formieren. Entweder weil sie bei ihrem Brötchengeber nicht ausgelastet sind oder musikalisch einmal etwas anderes verwirklichen wollen. Der musikalische Output und die Dauerhaftigkeit dagegen rechtfertigen nicht immer den medialen Rummel, der Supergroups üblicherweise begleitet. Nicht selten fehlt die ungeteilte Aufmerksamkeit für die neue Formation oder Egos prallen unversöhnlich aufeinander. Beispiele aus der Rockmusikgeschichte sind Blind Faith, GTR oder sogar Cream. Die Supergroup bleibt meistens, was sie tatsächlich ist: ein Projekt. Vor allem aber: Vier oder fünf exzellente Musiker machen noch keine Band, komponieren nicht prinzipiell hervorragende Songs – man kennt das aus dem Fußball, wo hervorragende Einzelspieler nicht unbedingt eine Spitzenmannschaft abgeben.

Illustre Namen des Rock

Ganz ähnlich war es bei Black Country Communion, der Band um den legendären ehemaligen Deep Purple-Bassisten und -sänger Glenn Hughes. Der Rockveteran hatte 2009 drei illustre Musiker um sich geschart: den etablierten und ungemein erfolgreichen Blues-Gitarristen Joe Bonamassa, den Sohn des früh verstorbenen Led Zeppelin-Drummers John Bonham, Jason Bonham, und den Keyboarder Derek Sherinian, der mit solchen Szene-Größen wie Dream Theater, Alice Cooper oder Kiss zusammengespielt hatte. Drei Alben veröffentlichte man: BCC, BCC 2 und Afterglow. Immerhin erfolgten einige Tourneen, bevor man sich 2013 auflöste: Das Alpha-Männchen Hughes, dem ein großes Ego und ein schwieriger Charakter nachgesagt werden, und Bonamassa bekamen sich in die Haare, gegenseitige Vorwürfe wurden über die Presse lanciert, das Verhältnis schien nachhaltig gestört. Jeder der vier ging wieder seiner eigenen Wege.

Die drei Alben litten genaugenommen unter dem Supergroup-Phänomen: Alle waren zwar musikalisch gut umgesetzt, besaßen aber weder besondere Höhen noch Tiefen. Das Songwriting war durchaus passabel, aber es bewegte sich zu sehr in den engen Grenzen des Classic Rock. Kurz: Eine Band, die man sich gut anhören konnte, ohne dass man sie für unverzichtbar halten musste – trotz des legendären Status, den die einzelnen Bandmusiker in der Musikwelt innehatten.

Comeback-Album BCCIV

Doch 2016 legte man die Streitigkeiten bei und veröffentlichte unlängst ein aktuelles Album, schlicht „BCCIV“ betitelt. Verglichen mit den drei ersten, doch etwas eindimensionalen, aber keineswegs schlechten Alben konnten die renommierten Musiker das Qualitätsniveau auf BCCIV deutlich anheben. Die Zutaten sind bekannt, die Herren bedienen sich meist der genretypischen Versatzstücke und schöpfen aus dem Fundus der guten alten Rockmusik-Zeiten, auch der eigenen. Hämmernde Rockriffs in der Tradition Led Zeppelins („Collide“, „Sway“), manchmal orientalische Anklänge („Love Remains“), Keyboardeinsätze, die an die Glanzzeiten Deep Purples erinnern, pfeilschnelle, tief im Blues verwurzelte Gitarrensoli und die über allem thronende charakteristische Stimme von Glenn Hughes, der trotz seines strammen Alters von fast 70 Lenzen die gesamte Bandbreite von gefühlvollem Singen bis ekstatischem Schreien in famoser Robert Plant-Manier zum Einsatz bringt, prägen die zehn Songs, die im besten Sinne retro, aber nicht altbacken sind.

Classic Rock neu belebt

Manchmal bricht die Band aus dem strengen Korsett des Classic Rock aus, was zu sympathischen Überraschungen führt und die Highlights des Albums markiert: In „The Last Song For My Resting Place“, von Bonamassa gesungen, kommen Mandolinen zum Einsatz und verschaffen dem überlangen Song eine keltisch anmutende Atmosphäre, während „Awake“ einen unkonventionellen Rhythmus mit fast schon jazzigen Gitarrenparts bietet. Auch wenn die Genregrößen an allen Ecken und Enden zitiert werden, findet BCC doch auch überraschende Melodiefolgen, wie in „Over my head“, das sich spätestens nach dem zweiten Durchlauf in den Gehörgängen festsetzt. Gleiches gilt für das getragene, poppige „Wanderlust“. Auch die obligatorische Ballade darf nicht fehlen: „When the morning comes“ umschifft die honigsüße Winds-of-Change-Klischeehaftigkeit elegant, indem es dynamisch von einer ruhigen, getragen Strophe in einen rockigen Refrain wechselt. Unnötig zu erwähnen, dass all das bei der Erfahrung der Bandmitglieder natürlich spielerisch auf höchstem Niveau umgesetzt wird. Gerade in „The Crow“ zeigt Hughes, dass er auch als Bassist zu den Größen im Rockzirkus zu zählen ist.

Stark, aber kein Klassiker

Das Album, angeblich in vier Tagen weitgehend live eingespielt, was ebenfalls eine Reverenz an die Hoch-Zeiten des Rock ist, als Spontanität noch vor Perfektion ging, bietet packende, facettenreiche Songs, die von einer revitalisierten Led Zeppelin- und Deep Purple-Atmosphäre und der charakteristischen Stimme von Glen Hughes leben. Dabei transferieren die vier Herren ihr musikalisches Vintage-Projekt erfolgreich in die Neuzeit. Auch wenn man sich deutlich in den Koordinaten des Classic Rock vor allem der 1970er-Jahre bewegt, kann das Album mit einer Vielseitigkeit aufwarten, die – kombiniert mit den spielerischen Qualitäten der Protagonisten – mehr als die genretypische Hausmannskost bietet. Spektakulär ist es indes nicht und wird auch nicht zum Genreklassiker werden. Wie auch - diese wurden vor 40 Jahren bereits geschaffen, und Glenn Hughes hatte seinen Anteil daran. Es ist schlicht ein gutes Album, nicht mehr, aber auch nicht weniger, das Fans des Genres auch nach mehrmaligen Durchläufen nicht langweilen wird.

BCCIV
Black Country Communion
Mascot Records
VÖ: 22. September 2017

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