Das kleinere Übel

Pro Demonstrationsverbot In Hamburg wurde eine Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen untersagt, weil Verstöße erwartet wurden. In der aktuellen Situation ist das nur richtig, findet unser Autor
Ausgabe 03/2022

Die Sache ist eigentlich klar: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden“, so Artikel 8 des Grundgesetzes. Natürlich darf man gegen die Regierung demonstrieren oder mit zweifelhaften bis abstrusen Losungen auf die Straße gehen. Auch Proteste gegen die geplante Impfpflicht oder Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie – die seit bald zwei Jahren so massiv wie dauerhaft in grundlegende Freiheitsrechte der Bevölkerung eingreifen und deren Sinnhaftigkeit im Detail ja tatsächlich nicht immer ganz nachvollziehbar ist – können selbstverständlich auf die Straße getragen werden.

Es muss also schon sehr gewichtige Gründe geben, um eine Demonstration zu verbieten. Die Anmelder haben die Möglichkeit, eine entsprechende behördliche Anordnung juristisch anzufechten. Den Gerichten obliegt dann die Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und anderen wichtigen Rechtsgütern, wie z.B. dem Gesundheitsschutz. Nicht selten werden pauschale Versammlungsverbote gekippt und die Veranstaltungen mit entsprechenden Auflagen genehmigt. Geprüft wird in diesen Verfahren auch, ob die Veranstalter willens und in der Lage sind, die Einhaltung der Auflagen zu gewährleisten und Gesetzesverstöße zu unterbinden.

Dies alles ist am vergangenen Wochenende in Hamburg geschehen. Mit dem Ergebnis, dass das behördliche Verbot einer mit 15.000 Teilnehmern angemeldeten Demonstration mit der Losung „Das Maß ist voll! Hände weg von unseren Kindern“ vom zuständigen Verwaltungsgericht bestätigt wurde. Denn es war aufgrund der Erfahrungen mit derartigen Veranstaltungen auch in Hamburg mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich ein relevanter Teil dieser Demonstration nicht an die geltenden Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes halten wird. Dieses sieht für öffentliche Versammlungen dieser Größenordnung eine Maskenpflicht und die Einhaltung von Abstandsregeln vor.

Natürlich hätte man – wie so oft in jüngerer Zeit – die Probe aufs Exempel machen können. Um dann, wenn es zu den durchaus erwartbaren Verstößen kommt, die Polizei vor die undankbare Entscheidung zu stellen, ob sie die Maskenverweigerung hinnimmt oder die Demonstration nach mehreren fruchtlosen Appellen mehr oder weniger gewaltsam auflöst. Was angesichts der mitunter zu beobachtenden Taktik, Kinder als Schutzschilde gegen die Polizei zu missbrauchen, zu ausgesprochen widerwärtigen Situationen führt.

Ein Verbot ist angesichts dieser Gemengelage wohl das kleinere Übel. Zumal im konkreten Fall die Anmelder Gespräche mit der Versammlungsbehörde über die Modalitäten der Demonstration im Vorfeld verweigert hatten. Das unbedingt zu verteidigende Grundrecht der Versammlungsfreiheit beinhaltet nicht das Recht, geltende Verordnungen des Infektionsschutzes offensiv zu missachten. Eine Verweigerung der Maske wird in Teilen der Corona-Protestszene enthusiastisch gefeiert, weil diese als Symbol der „Corona-Diktatur“ gilt. Dass dav0n nicht im Ansatz die Rede sein kann, zeigte sich nun in Hamburg, als ein illegaler Aufzug von immerhin 3.000 Menschen weitgehend friedlich und mit nur wenigen Festnahmen aufgelöst wurde.

Verbunden mit den fehlenden Abständen und den auch in Hamburg schnell anwachsenden Infektionen mit der hochansteckenden Omikron-Variante ist ein Verbot derartiger potenzieller Spreader-Events nicht nur gerechtfertigt, sondern nahezu zwingend geboten. Oder anders gesagt: Gerne können in Hamburg und anderswo 15.000 oder mehr Menschen gegen die Corona-Politik und auch gegen die Maskenpflicht demonstrieren. Wenn sie dabei eine Maske aufsetzen.

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