Risikofaktor Management

Ob Airbus oder BenQ-Siemens Wenn Finanzakrobaten High-Tech-Unternehmen führen, bleibt die Ingenieurskunst auf der Strecke

Zwei Hiobsbotschaften in Folge: Das wahrscheinlich endgültige Aus für die im vergangenen Jahr von BenQ übernommene Siemens-Handysparte und die Krise bei Airbus, die möglicherweise Arbeitsplätze auch im Hamburger Werk und bei dessen Zulieferern kostet. Für manche Anlass genug, weiterhin in der seit langem gepflegten Standort-Depression zu verharren und mit immer durchsichtigerem Unterton die Löhne-Sozialkosten-Steuern-zu-hoch-Regulationen-zu-dicht-alles-zu-unflexibel-Leier anzustimmen. Dabei machen andere Unternehmen wie Nokia, Motorola oder Ericsson vor, dass man an Standorten mit hohen Löhnen und Staatsquoten durchaus erfolgreich Mobiltelefone produzieren kann - ja selbst in Deutschland, das, nebenbei gesagt, in dieser Hinsicht längst nicht an der Spitze steht.

Die letzten Zahlen zur Außenhandels-Bilanz unterstreichen einmal mehr, dass mangelnde Konkurrenzfähigkeit eben nicht das Problem des Standorts Deutschland ist. Thomas Fricke, der Chefökonom der Financial Times Deutschland, weist darauf hin, dass wir immer noch mehr aus Österreich und der Schweiz einführen als aus China und dass diese beiden nicht gerade für ihre niedrigen Löhne bekannten Länder immer noch mehr deutsche Direktinvestitionen auf sich ziehen als alle osteuropäischen Länder zusammen und erst recht als das angstbesetzte große China, wohin angeblich alle Jobs abwandern.

Man muss schon nach anderen Gründen suchen für die Handy-Pleite bei BenQ/Siemens und das A380-Fiasko bei Airbus. Wer die Entwicklung auf dem Markt für Mobiltelefone ein wenig beobachtete, konnte kaum übersehen, dass Siemens die Entwicklung dort verschlafen hatte, während man die Mitarbeiter durch laufende Umorganisation und verstärkten Druck fortschreitend demotivierte. In Bedienbarkeit, Funktion und Chic blieben die Modelle mit dem türkisgrünen Schriftzug hinter denen der Konkurrenz zurück. Die ambitionierten Ziele von einst musste das Management Jahr für Jahr zurücknehmen, bis die Konzernmutter das Geschäft - mit einem Aufgeld von mehreren hundert Millionen Euro versehen - an den taiwanesischen Auftragsproduzenten BenQ verschob.

"Abwrackprämie" nannte das Manager-Magazin diese Summe und brachte damit den Verdacht ins Spiel, dass der frisch gebackene Siemens-Chef Kleinfeld damit seine Vergangenheit als Verantwortlicher der Handy-Sparte hatte entsorgen wollen. Jetzt hat sie ihn wieder. Was die Mitarbeiter dort mit Recht erbost, ist der nicht minder nahe liegende Verdacht, dass Siemens sich aus der sozialen Verantwortung für die Arbeitsplätze stehlen und insbesondere die Kosten eines Sozialplans sparen wollte. Wenn zutrifft, dass man, wie die Junge Welt berichtete, das Geschäft bereits beim Verkauf säuberlich in eine "Management GmbH", eine "Asset GmbH" und praktisch vermögenslose "BenQ Mobile" zerlegte, dann sieht das tatsächlich wie ein Masterplan für einen Bankrott aus. Denn die Zahlungsunfähigkeit wurde von "BenQ Mobile" erklärt, einem Unternehmen, bei dem nichts zu holen ist, während die Vermögenswerte inklusive tausender Patente zur "Asset GmbH" gehören. Die Vertragsdetails sind, wie kann es anders sein, geheim. Die 3.000 Mitarbeiter, die sich zuvor noch einen Lohnverzicht zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze hatten abpressen lassen, sehen als Angestellte des Bankrotteurs jetzt auch noch große Teile ihrer betrieblichen Altersversorgung verschwinden - das Management darf sich seiner Abfindungen sicher sein.

Was hier einmal mehr deutlich wird, ist die Tatsache, dass es zur verantwortlichen Führung eines High-Tech-Unternehmens mehr bedarf als der üblichen Finanztricks, die eine selbsternannte Manager-Elite auf der Business School gelernt hat. Unverkäufliche Handys, einsturzgefährdete Straßenbahnen, lahmende Neigetechnik-Züge, das Chaos bei Toll Collect und immer neue Rückruf-Aktionen der Automobilindustrie sprechen eine zu deutliche Sprache. Die jetzt vielfach gescholtene binationale Verfassung des Airbus-Konzerns mag für manche Ineffizienz dort verantwortlich sein, doch der Grund für das A380-Fiasko ist nicht in politischer Einflussnahme zu suchen, sondern in einem Management, das der Komplexität eines solchen Projekts nicht gewachsen war.

Erkennbar gut gehen die Geschäfte dagegen in Industriebereichen, wo eine Kultur der Industriearbeit und der Ingenieurskunst von fragwürdigen Managementinnovationen weitgehend unberührt blieb. Die Manager-Elite belehrt uns zwar gern darüber, dass wir dem Standort unsäglichen Schaden zufügten, indem wir einfach zu teuer und zu unflexibel seien, uns weigerten, endlich Selbstverantwortung zu übernehmen anstatt nach unbezahlbaren sozialstaatlichen Wohltaten zu rufen, doch das größte Risiko für die Industrie liegt, wie sich immer deutlicher zeigt, genau darin: In einem zur Selbstüberschätzung neigenden Management, das sich so lange in finanzakrobatischen Übungen, Restrukturierungs- und Lohnsenkungsorgien mit dem begleitendenden Aufbau sozialen Drucks ergeht, bis den Mitarbeitern die letzten Motivationsreste vergangen und die Grundsätze eines verantwortlichen Ingenieurwesens auf der Strecke geblieben sind.


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