Janusköpfe und Brückenköpfe

Kommentar Indonesiens Regierung verhandelt über Aceh

Lange vor dem verheerenden Seebeben am 26. Dezember 2004 prägten Bürgerkrieg, Kriegsrecht und "ziviler Notstand" die Alltagsrealität in Aceh. Inzwischen verhandelt die für Unabhängigkeit kämpfende Bewegung Freies Aceh (GAM) bei Helsinki erneut mit der indonesischen Regierung über eine Waffenruhe und mögliche Autonomie der Provinz. Ausnahmslos respektable Ziele, die jedoch auf beiden Seiten zivile Akteure voraussetzen, denen es allein um gewaltfreie Konfliktlösungen geht. Doch auffällige Konstante der Politik Jakartas ist die Dominanz des Militärs in Staat und Gesellschaft. Der neue, seit gut 100 Tagen regierende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono sorgt in dieser Hinsicht für keinerlei Ausnahme. Auch er war als General ein Protegé des langjährigen Diktators Suharto, der autonome zivilgesellschaftliche Kräfte erst gar nicht aufkommen ließ. Bei den Aceh-Verhandlungen in Finnland zeigt Yudhoyono ausnahmsweise einmal die freundliche Seite seines Januskopfes. "Wir müssen die neuen Gespräche nutzen, um den Konflikt friedlich und weise zu beenden", ließ er mitteilen.

Was nützen diese Vorsätze, wenn sich die Armeeführung weiterhin als Gralshüter des Zentralstaates empfindet und auf den strategischen Brückenkopf Aceh ebenso wenig verzichten will wie auf die ökonomischen Pfründe der Provinz - die ergiebigen Ressourcen an Öl- und Erdgas? Selbst während der Verhandlungen dauern die Militäroperationen in der Region an. Armeeoberbefehlshaber Endriartono Sutarto hatte nach dem Scheitern erster Gespräche mit der GAM im Mai 2003 befohlen, deren Kämpfer "zu verfolgen und auszurotten". Man schreckte nicht einmal davor zurück, Jugendliche zu erschießen.

Bereits Ende 2002 war unter der Ägide des Genfer Henri-Dunant-Zentrums für den Humanitären Dialog (CHD) ein erstes Abkommen über ein Ende der Feindseligkeiten in Aceh zustande gekommen. Es sah eine Waffenruhe und einen international beobachteten Autonomiestatus vor, dem 2004 freie Wahlen folgen sollten. Außerdem sollten die in Aceh verübten Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt und die Opfer entschädigt werden. Nichts dergleichen geschah. Interventionen seitens der EU und der UNO, Jakarta möge nach dem Tsunami wenigstens für die Sicherheit internationaler Hilfsteams sorgen, stießen in Jakarta auf taube Ohren. Auch Hinsehen durften aufmerksame Beobachter nicht, indonesische Journalisten waren einzig - wie im Irak - als "eingebettete" Korrespondenten geduldet. Merkwürdig auch: Das Henri-Dunant-Zentrum hat inzwischen mit General a.D. Anthony Zinni (U.S. Marine Corps) einen "internationalen Berater" ins Spiel gebracht, der als Mitglied mehrerer konservativer Think Tanks Konflikt-Deeskalation als Aufstandsbekämpfung begreift und sich damit nicht von der indonesischen Generalität unterscheidet. Kein hoffnungsstiftendes Signal für die Gespräche in Finnland.


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