Pjöngjangs letzter Bruder

Nordkorea Der Atomwaffentest der Nordkoreaner zwingt Peking zu diplomatischen Krisenmanagement. Pjönjang als engen Verbündeten aufzugeben, steht nicht zur Debatte

„Songun“ – „das Militärische zuerst!“ – ist die oberste politische Maxime der tonangebenden Nomenklatura in Pjöngjang. Das Militär genießt unangefochten seine hegemoniale Stellung in Staat und Gesellschaft, seine Belange haben Vorrang vor allen anderen, schon um des staatlichen Überlebens willen. Das erklärt, wie wichtig es Pjöngjang war, sich als zehntes Mitglied in den internationalen Klub der Atommächte zu katapultieren. Überraschend kam das für niemand. China und die USA waren vorgewarnt. Bereits Ende April hatte die Führung in Pjöngjang mit diesen Maßnahmen gedroht und war verärgert darüber, dass der UN-Sicherheitsrat den Test seines am 5. April gezündeten Kommunikationssatelliten – der Westen sprach von einer Langstreckenrakete – verurteilte.

Im Augenblick zeigt sich die Nationale Verteidigungskommission als eigentliches Macht- und Herrschaftszentrum der Volksrepublik gefestigter denn je. Das Gremium verfügt seit Anfang April, als parallel dazu Nordkoreas neues Parlament (die Oberste Volksversammlung) tagte, über 13 Mitglieder, die als kollektive Führungsriege auch imstande wären, einen Nachfolger für Kim Jong-Il zu bestimmen.

Direkt und unverblümt

Nun hat der UN-Sicherheitsrat nach dem nordkoreanischen Atomtest vom Montag überraschend schnell und überraschend einhellig sein Urteil gesprochen. Unter der Präsidentschaft des russische UN-Botschafters Vitali Tschurkin soll „unverzüglich“, wie es heißt, an einem Entwurf für eine neue „scharfe Resolution“ gearbeitet werden. Ein klares Indiz dafür, dass die Reaktionen Russlands und Chinas, der beiden letzten Verbündeten oder Partner Nordkoreas in den Vereinten Nationen, sehr viel deutlicher und vor allem sehr viel negativer ausfallen als bei vergleichbaren Situation in den vergangenen Jahren.

Besonders China, der mit Abstand bedeutendste wirtschaftliche und politische Alliierte Pjöngjangs, protestiert direkt und unverblümt. Ma Zhaoxu, Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking: „China steht in Kontakt mit allen Parteien, einschließlich Nordkorea. Es ist unbedingt notwendig, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und Aktivitäten zu unterlassen, die die Situation nur verschlimmern."

Ohne Zweifel wäre China als einziges Land in der Lage, Nordkorea mit Sanktionen zu belegen, Hilfslieferungen zu kappen und Investitionen zu streichen. Die einst als Bruderstaat gefeierte nordkoreanischen Volksrepublik würde das ins Mark zu treffen. Doch diese Karte würde Peking letztlich nie ziehen, weil dies seinem Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Landes fundamental widerspräche. Mit eben diesem Argument haben sich die politischen Führer in Peking, ob sie nun Deng Xiaoping, Jiang Zemin oder Hu Jintao hießen, immer wieder ausländische Kritik an ihren innenpolitischen Verhältnissen verbeten. Diese strikte Konsequenz galt und gilt umso mehr für Nordkorea.


Mit den Nordkoreanern pflegt Peking seit dem Koreakrieg (1950-53) ein besonders inniges Verhältnis und weiß deshalb auch um die wichtige Rolle der Generalsrunde. Damals schickte der große Nachbar Hunderttausende von Freiwilligen an die Front und in den Kampf, bei dem auch ein Sohn Mao Zedongs ums Leben kam. Heute sagt der chinesische Außenminister Yang Jiechi ohne Umschweife, Peking wolle keine dauerhaft instabile Lage auf der koreanischen Halbinsel, werde aber auch mit allen Mitteln einem Kollaps Nordkorea entgegen wirken. Sollte es zum Zusammenbruch in Pjöngjang kommen, wären unkontrollierbare Flüchtlingstrecks die Folge, die sich in Richtung der chinesischen Nordostprovinzen bewegen könnten, wo ein großer Bevölkerungsteil koreanischer Abstammung ist.

Die Regierung in Peking will zudem unter allen Umständen ausschließen, dass die USA als Schutzmacht Südkoreas wegen einer möglichen Implosion des nordkoreanischen Staates mit Truppenverbänden unmittelbar an der chinesischen Haustür aufmarschieren. So verbleibt als einzige Option, Kim Jong-Il und seinen Clan mit einem Mix aus wirtschaftlichen Hilfen und politischem Entgegenkommen zum Verhandlungstisch zurückzubringen – einerlei, ob es sich dabei um die Fortführung der Sechser-Gesprächsrunde oder ein kleineres Gremium handelt.

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