Präsident Mbeki kam nicht durch

Bewegung der Blockfreien Der Verbund von 116 Staaten hat mit dem Gipfel von Kuala Lumpur international wieder Fuß fassen wollen, so recht gelungen ist das nur zum Teil

Bei einer zu 90 Prozent muslimischen Bevölkerung weiß Malaysias Premier Mahathir bin Mohamad, auch der leiseste Anflug von Anti-Islamismus kann derzeit einem politischen Suizidversuch gleichkommen. Als Gastgeber des 13. Gipfels der Blockfreien Ende Februar (mittlerweile zählt die Bewegung 116 Mitglieder), zelebrierte er daher in Kuala Lumpur souverän seine Agenda der Unangreifbarkeit: Intern "subversive Elemente" nicht schonen, außenpolitisch das "imperialistische Gebaren des Westens" brandmarken, keine Angriff auf den Islam. Seit 1981 an der Macht, hat es Mahathir immer wieder verstanden, seine Politik homöopathisch so dosieren und davon stets profitiert.

So ist das eher dem Westen zuneigende Malaysia nicht nur Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC/*), sondern auch eine beachtete Stimme innerhalb der Blockfreien-Bewegung. Seit dem Crash auf den asiatischen Finanzmärkten 1997 hat der Premier wiederholt "neokoloniale Interventionen" von IWF und Weltbank attackiert. Und seit in den US-Medien von einer malaysisch-indonesisch-philippinischen Connection mit Osama bin Ladens al Qaida die Rede ist, kontert Mahathir recht resolut: Freilich gäbe es in seinem Land terroristische Elemente, aber die richteten sich nicht gegen die USA, sondern seien ein internes Problem. Tatsächlich wurden kurz vor den Anschlägen in New York und Washington Mitglieder der Islamischen Partei Malaysias (PAS) verhaftet, denen man vorwarf, in Afghanistan ausgebildet worden zu sein und sich Waffen sowohl aus Thailand wie bei philippinischen Moslem-Rebellen beschafft zu haben, um den Premier, den ehrbaren Mahathir bin Mohamad zu stürzen.

So schillernd wie der Gastgeber des Gipfeltreffens von Kuala Lumpur erscheint in gewisser Weise auch die Geschichte der Bewegung, die sich hier zusammenfand. 1945 waren mit Vietnam und Indonesien zwei Länder unabhängig geworden, die als Vorbild im antikolonialen Kampf galten und vor Indien, Pakistan oder den Ländern Afrikas ihr Ziel erreicht hatten. Folgerichtig genoss Indonesiens charismatischer Präsident Ahmed Sukarno 1955 das Privileg, die Regierungschefs von 29 asiatischen und afrikanischen Ländern in der westjavanischen Stadt Bandung willkommen zu heißen, um mit ihnen im Kalten Krieg klar Position für einen unabhängigen Nationalismus zu beziehen. Neben Sukarno waren es Staatsmänner wie Jawaharlal Nehru (Indien), Tschou En-Lai (China), Kwame Nkrumah (Ghana), Gamal Abd el Nasser (Ägypten) oder Josip Broz Tito (Jugoslawien), die auf Java die erste Afro-Asiatische Solidaritätskonferenz bestritten und damit die Bewegung der Blockfreien begründeten.

Im September 1961 fand in Belgrad deren erstes Gipfeltreffen statt, das die Kriterien einer Mitgliedschaft wie folgt definierte: eine unabhängige, auf friedlicher Koexistenz und Abstand zu den Machtblöcken in West wie Ost bedachte Politik, keine Teilhabe an Militärallianzen, Anti-Kolonialismus. Nachdem auch arabische und lateinamerikanische Staaten dazu stießen, fand die Bewegung weitere Ziele. Sie plädierte dafür, sämtliche Militärblöcke aufzulösen, den Nord-Süd-Dialog zu führen und mehr Wirtschaftskooperation des Trikont (Süd-Süd-Beziehungen) zu wagen. Später kam der Wunsch nach einer Neuen Wirtschafts- und Informationsordnung hinzu.

Doch schon bald waren Tabu-Brüche an der Tagesordnung - vor allem Regionalkonflikte führten dazu, dass es hier und da Fühlungnahmen mit den Supermächten gab. Indien büßte seine Glaubwürdigkeit als neutraler Staat ein, als es im Grenzkonflikt mit Peking Anfang der sechziger Jahre um westliche Hilfe bat. Nach dem Krieg mit Israel 1967 war Ägypten von sowjetischer Militärhilfe abhängig. Indonesien verlor mit der von Gewaltexzessen begleiteten Machtübernahme durch General Suharto 1965 jede Legitimation, in der Tradition von Bandung zu stehen.

1990/91 dann, mit der Erosion des Ostblocks, schienen die Blockfreien historisch überlebt. Erst mit den von den USA nach dem 11. September 2001 aufgeworfenen existenziellen Fragen über Krieg und Frieden war die Erstarrung beendet. Es war in Kuala Lumpur immerhin Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der verlangte, die Nichtpaktgebundenen sollten ein "geschlossenes Votum" gegen den "Staatsterrorismus" abgeben. Das kam erwartungsgemäß nicht zustande, doch im Abschlussdokument wandten sich die Teilnehmer "gegen jeden Unilateralismus" und forderten, internationale Konflikte allein nach den Prinzipien der UN und des Völkerrechts zu lösen - das schloss die Ablehnung eines Angriff der USA auf den Irak ein. Gastgeber Mahathir wähnte sich als Schirmherr eines "Friedensgipfels".

Von Eintracht zu reden, gab es freilich nur bedingt Anlass. Indiens Premier Vajpayee und Pakistans Präsident Pervez Musharraf gerieten wegen Kaschmir aneinander. Iraks Außenminister Nadschi Sabri warb um Verbündete, was nicht alle gern hörten. Kim Yong Nam, Vorsitzender der Obersten Volksversammlung Nordkoreas, versprach im Atomstreit mit den USA "Selbstverteidigung gegen amerikanische Feindseligkeiten". Yassir Arafat war gar nicht erst angereist, weil Israel eine Rückkehrgarantie verweigerte. Die sechs Blockfreien im UN-Sicherheitsrat - Angola, Kamerun, Guinea, Chile, Syrien und Pakistan - vermieden jedes voreilige Statement, wie sie bei einer neuen Irak-Resolution zu votieren gedächten. Schließlich blieb die heikle Frage ausgeklammert, ob und inwieweit Länder in der Region - China, die Philippinen oder Malaysia - den "Anti-Terrorfeldzug" instrumentalisieren, um in den eigenen Grenzen jeden unerwünschten Dissens zu "befrieden". Fazit: die Blockfreien haben versucht, wieder Fuß zu fassen, so recht in Bewegung gekommen, sind sie nicht.

(*) Dazu gehören 56 Staaten.

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