Zero Toleranz für falsches Zitieren

schavanplag Regeln wie beim Schach: Wie die Wissenschaftscommunity mit Plagiaten umgehen muss
Mit Zettelkasten und Schreibmaschine: Müssen Annette Schavans damaligen Arbeitstechniken in die Debatte miteinbezogen werden?
Mit Zettelkasten und Schreibmaschine: Müssen Annette Schavans damaligen Arbeitstechniken in die Debatte miteinbezogen werden?

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Nun hat es also die Bundesbildungsministerin Annette Schavan erwischt. Ihre 1980 verteidigte Dissertation zu Person und Gewissen wird nicht nur als schavanplag im Netz, sondern auch durch die Promotionskommission der Universität Düsseldorf auf inkorrekte Übernahmen durchleuchtet. 92 Seiten wurden ermittelt, auf denen 44 Quellen nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht seien. Dass es sich dabei um andere Umgangsformen mit vorliegendem Wissen handelt als bei den Digital-Kopierern Guttenberg und Co., scheint unerheblich. Jedenfalls spielt es für die öffentliche Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.

Aber ist es wirklich unwichtig, dass die Verfasserin dieser erziehungswissenschaftlichen Doktorarbeit ihr sechsjähriges Studium ohne Diplom- oder Magisterprüfung, sondern im Alter von 25 Jahren mit der Promotion beendete – und zwar mit Zettelkasten und Schreibmaschine, die andere Arbeitstechniken verlangten als heutige Literaturverwaltungssysteme und Textverarbeitungsprogramme? Und wie vertragen sich die Verhaltensweisen einer universitären Kommission, die einen Geheimbericht verfasst hat und diesen von einem Nachrichtenmagazin zitieren lässt, mit der Wahrheitsfindung?

Ganz gleich, welche Konsequenzen die vom anonymen Plagiatsjäger „Robert Schmidt“ losgetretene Affäre haben wird: Sie zeigt einmal mehr die Allianzen, die sich zwischen der Schwarm-Intelligenz des Netzes, den auf Enthüllungsstorys geeichten Medien und politischen Mandatsträgern ausgebildet haben. Doch sind auch andere Schlüsse möglich. Zum einen demonstriert die Auswertung einer Dissertation aus dem Jahre 1980 eine neuartige Aufmerksamkeitskultur, die sich nicht mehr nur auf Copy-Paste-Aktionen unter Internet-Bedingungen beschränkt. Nachgewiesen werden nun auch Rückgriffe auf papierne Sekundärtexte, die im Fall von Schavan so umformuliert wurden, dass der Eindruck entstand, es seien Primärquellen rezipiert worden.

Überwachen und Strafen

Der Argwohn hat sich auf die prädigitale Ära ausgedehnt – was nicht zuletzt die 119 promovierten Bundestagsabgeordneten interessieren dürfte. Zum anderen erhöht diese Beobachtungspraxis die Risiken für den akademischen Nachwuchs. Im digitalen Zeitalter liegt das Verwischen seiner Quellen nahe, aber es ist die Furcht vor seiner Entdeckung, die wissenschaftliche Standards für Gegenwart und Zukunft sichert.

Auf Nicht-Wissenschaftler wirkt oftmals kleinlich, wer buchstäblich bis zur letzten Fußnote auf das korrekte Zitieren in einer Arbeit beharrt. Die Pedanterie hat indes einen guten Grund. Eine Frage wie „Kann man die Regel, die das Schachmatt festlegt, verletzen?“ ist bei Interesse an der Selbsterhaltung des Spiels ebenso unangebracht wie die Frage nach der Zulässigkeit von Plagiaten in wissenschaftlichen Arbeiten. Wer den König trotz Schachmatt-Position fortbewegt, spielt vielleicht weiter – doch kein Schach mehr.

Und wer fremde Inhalte ohne Nachweis übernimmt, bewegt sich außerhalb des Systems Wissenschaft mit seiner Forderung nach dokumentierten Eigenleistungen. Kontrollen sind aber selbst mit der besten Plagiatssoftware aufwendig und können immer nur stichprobenartig sein. Deshalb müssen die Regeln tief in das Selbstverständnis der Wissenschaftler eingelassen werden. Und eben darum sind die Sanktionen so hart und sollten ab dem ersten Semester konsequent durchgesetzt werden.

Ralf Klausnitzer lehrt am Institut für deutsche Literatur der HU Berlin

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