Wenige Tage vor Ostern hatte sich Michaele Hustedt selbst das größte Geschenk gemacht. Die energiepolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion präsentierte stolz die "einzigartige Erfolgsgeschichte" zum zweijährigen Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Danach hätte das neue rot-grüne Regelwerk nicht nur einen Boom bei der Wind-, Photovoltaik- und Biomassenutzung ausgelöst, finanziert vor allem von privaten Investoren mit einem Volumen von über zehn Milliarden Euro. Das EEG habe auch ermöglicht, "dass im Jahr 2001 bundesweit 5,3 Millionen Menschen ausschließlich mit Ökostrom versorgt werden könnten."
Den Konjunktiv hat die Bündnisgrüne ganz bewusst gewählt. Gemessen an diesem theoretischen Potenzial sind bislang nur einige zehntausend Bundesbürger zu einem Ökostromversorger gewechselt, was im Trend liegt: Vier Jahre nach der Strommarkt-Liberalisierung lassen sich nach Angaben des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft nur 3,7 Prozent der Bundesbürger von einem neuen Stromanbieter versorgen. Selbst diese geringe Zahl ist mit Vorsicht zu genießen, umfasst sie auch "Wechsler", die lediglich einen neuen Tarif gewählt, aber ansonsten ihrem alten Versorger die Treue gehalten haben.
Ganz anders hatte sich der Telefonmarkt nach dem Fall des Telekom-Monopols im Jahr 1998 entwickelt. Findige Newcomer wirbelten den Markt kräftig auf. Daher waren auch die Erwartungen der Ökostromanbieter nicht unbescheiden. "Wir sind im Herbst 1999 mit dem Anspruch angetreten, bis Ende 2000 rund 200.000 Kunden gewonnen zu haben", erinnert sich Heiko von Tschischwitz wehmütig. Dennoch ist der Geschäftsführer der Lichtblick GmbH mit Sitz in Hamburg nicht unzufrieden mit den knapp 50.000 Haushalten, die sein Unternehmen mittlerweile mit einem Mix aus Wasserkraft- und Kraft-Wärme-Kopplungsstrom beliefert: "Insbesondere der enorme Zuspruch der vergangenen Wochen macht uns optimistisch, dass wir unser Ziel, mittelfristig eine siebenstellige Kundenzahl zu gewinnen, auch schaffen."
Nein, das sei kein Wunschdenken, wehrt von Tschischwitz alle Vorhaltungen ab. Er verweist nicht nur auf die verbesserten Vertriebskanäle, wie beispielsweise die Partnerschaft mit der Deutschen Post, in deren 3.000 Filialen bundesweit Käufer und Käuferinnen von Brief- und Paketmarken auch Ökostrom buchen können. Hoffnungsträger Nummer Eins ist vor allem der Preis: "Da die Strompreise seit geraumer Zeit wieder anziehen, schwindet die Differenz zwischen Egal- und Ökostrom zusehends."
So unterbietet Lichtblick mittlerweile mit seinem Angebot alle Tarife der Hamburgischen Electricitätswerke AG (HEW), auch die Berliner Bewag (beide Unternehmen gehören mittlerweile zu Vattenfall Europe) ist nur einmal günstiger als der hanseatische Ökostromer. Von Tschischwitz: "Bei dieser Preisgleichheit lassen sich viele Kunden viel leichter überzeugen, Strom zu ordern, mit dem sie auch etwas Gutes für die Umwelt tun." Der ursprüngliche Ansatz aus der "grünen" Ecke, per Wechsel persönlich zum Atomausstieg beitragen zu können, sei viel zu abgehoben gewesen.
Ob sich Lichtblicks Preispolitik wirtschaftlich trägt, dahinter setzt Michael Sladek einige Fragezeichen. Der vollbärtige Allgemeinmediziner ist Kopf der Schönauer Stromrebellen, die Mitte der neunziger Jahre per Bürgerentscheid das Stromnetz vom früheren Regionalversorger übernommen haben: "Wir verfolgen einen mehr politischen Ansatz, wir wollen den Kunden vermitteln, was sich wirklich an der Steckdose abspielt."
Deshalb bieten auch die neu gegründeten Elektrizitätswerke Schönau GmbH (EWS) seit drei Jahren zwei Ökostromvarianten an, für die sich nach eigenen Angaben bundesweit bislang an die 14.000 Kunden entschieden haben - eine beachtliche Zahl, da die kleine Gemeinde im Südschwarzwald nur 3.000 Einwohner zählt. Der Clou der EWS-Angebote, die um bis zu vier Cent pro Kilowattstunde über dem allgemeinen Strompreisniveau liegen: Mit diesem Aufschlag fördern die Schönauer den Bau neuer Ökokraftwerke und kleinerer Blockheizkraftwerke.
So schmücken bislang rund 150 Solarstrom-, zwei Windkraft- und 17 Biogasanlagen die Erfolgsbilanz. Zusammen speisen alle geförderten EWS-Anlagen rund acht Millionen Kilowattstunden ins Netz. Michael Sladek: "Wir bleiben bei unserem Konzept, dass Strom auch eine Botschaft haben muss, wovon wir zunehmend neue Vertriebspartner überzeugen können." Dazu zählt beispielsweise seit kurzem auch die Gemeinschaft der Bergbaugeschädigten im Saarland.
Ein ähnliches Konzept wie die Schwarzwälder verfolgt greenpeace energy. Die Energie-Genossenschaft der Regenbogenkämpfer hat sich vorgenommen, ihre Kunden mit dem Strom aus neugebauten Ökokraftwerken zu versorgen. Damit liege das Unternehmen im Plan, sagt Vorstand Robert Werner: "Wir liegen auch mit unserem Wirtschaftsplan auf der sicheren Seite, wenn ich auch zugebe, dass wir gerne mehr Kunden hätten." 15.500 private und 200 Gewerbekunden beziehen den Ökomix der Umweltorganisation.
Um mehr Kunden zu gewinnen, setzt Werner auf Aufklärungsarbeit. Helfen soll dabei die Kennzeichnungspflicht für Strom, die das Europäische Parlament gern auf jeder Stromabrechnung sehen will - ein Vorhaben, dem die europäischen Industrie- und Energieminister aber noch zustimmen müssen. "Ich bin sicher, dass sich viele Stromkunden zu einem Umstieg motivieren lassen, wenn sie schwarz auf weiß lesen, wie hoch der Atom- und Kohleanteil des eigenen Stroms ist."
Eine Aufgabe haben sich aber alle Ökostromer gestellt: "Wir müssen den Leuten klar machen, wie einfach der Wechsel ist", so Michael Sladek aus Schönau. In keinem Haushalt gingen bei einer Unterschrift unter einen neuen Bezugsvertrag die Lichter aus. Genau diese Ängste hatten viele traditionelle Energieversorger nach Öffnung des Strommarktes bewusst geschürt. Der Stromrebell: "Alles spricht für einen Wechsel."
Dazu der Psychologe Klaus Wortmann von der Energiestiftung Schleswig-Holstein mit Sitz in Kiel: "Nach der Liberalisierung haben die Verbraucher sicherlich zwei, drei Jahre gebraucht, um die neue Wahlmöglichkeiten überhaupt wahrzunehmen." Diese Zeit ist jetzt vorbei. Danach könnte es im Ökostromsegment nur noch aufwärts gehen.
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