Ans ganz junge Publikum richtet sich der neue Podcast Kinderfilm eher nicht. Das Logo zeigt zwar einen Projektor, dessen Spulen an Micky-Maus-Ohren erinnern, aber es handelt sich um ein Format, mit dem der Förderverein deutscher Kinderfilm und die Deutsche Filmakademie die Entstehung aktueller Produktionen für Heranwachsende beleuchten wollen. Weil die historische Perspektive dabei oft unter den Tisch fällt, sei hier zunächst die Geschichte des deutschen Kinderfilms (fürs Kino!) sehr grob zusammengefasst: Er existierte in nennenswertem Ausmaß zunächst nur in der DDR.
Entsprechend finden sich unter den zehn erfolgreichsten DDR-Kinofilmen immerhin drei, die auf Kinder zugeschnitten waren, an der Spitze Der kleine Muck. In die BRD-Top 10 schaffte es bis 1989
Top 10 schaffte es bis 1989 kein Kinderfilm (familientaugliche „Indianer-Filme“ jeweils nicht mitgezählt). Erbverwalter dieses Ungleichgewichts ist vor allem das Kinderfilmfestival Der Goldene Spatz, das seit 1979 in Gera und mittlerweile auch in Erfurt stattfindet. Im medienkritischen Diskurs galt in den frühen 1990ern aber weniger die DDR, sondern das skandinavische Kinderkino als vorbildhaft. Im hohen Norden, so hieß es immer wieder als Begründung, würde man Kinder eben „ernst nehmen“.Ernst im Bezug auf was? Die kapitalistischste aller möglichen Antworten lieferte der Markt. Als um die Jahrtausendwende Realverfilmungen von Pünktchen und Anton bis Bibi Blocksberg plötzlich Millionen in die Kinos lockten, begann man auch hierzulande Kinder ernst zu nehmen, als Gewinn versprechendes Publikum. Seither scheint kein halbwegs gut verkauftes Kinderbuch davor sicher, fürs Kino verfilmt zu werden. Jüngstes Beispiel: Die Schule der Magischen Tiere 2, der besucherstärkste deutsche Film des laufenden Jahres mit über 2,2 Millionen verkauften Tickets.Wie es dazu kam, ist Thema der ersten Folge des Podcasts Kinderfilm. Hier widersprechen die Produzentinnen Alexandra und Meike Kordes zunächst der These, dass sie sich mit Die Schule der magischen Tiere aus kühlem Kalkül an eine erfolgreiche Marke drangehängt hätten. Die Rechte hatten sie sich früh gesichert, als die Bücher noch keine Bestseller waren. „Magische Tiere? Was wollt ihr damit?“ So hätten ihnen noch vor wenigen Jahren sämtliche Verleiher kopfschüttelnd einen Korb gegeben.Überzeichnete ErwachseneDoch der Podcast belässt es nicht bei Anekdoten aus Erfolgsgeschichten. Es gibt Raum für selbstkritische Reflexion, etwa wenn Gregor Schnitzler, der Regisseur des ersten Magische-Tiere-Films, gefragt wird, warum bei ihm, wie so oft im deutschen Kinderfilm, die erwachsenen Figuren stark überzeichnet wären. Auch Schnitzler kritisiert diesen Trend. In seinem Film jedoch würden etwa die Eltern nur sehr kurz auftauchen, da bräuchte es die Karikatur, damit Charakter und Funktion sofort erkennbar sind. Dass eine erfahrenere Autorin das eventuell auch anders hätte lösen können, steht im Raum, als Viola Schmidt erzählt, sie habe mit ihrem Drehbuch zu Die Schule der magischen Tiere erst ihr Studium an der HFF München abgeschlossen. Warum für so ein komplexes Projekt zwar ein routinierter Regisseur und ein erfahrener Kameramann engagiert werden, man aber ausgerechnet das Drehbuch einem Nachwuchstalent anvertraut, bleibt offen.Eingebetteter MedieninhaltDass gerade in deutschen Filmen bevorzugt beim Drehbuch gespart wird, hinderte die zu Widersprüchen neigende Branche nicht daran, für die Kreativität ihrer AutorInnen eine Art Naturschutzreservat einzurichten. Weil jenseits der Adaption markterprobter Vorlagen kaum noch was geht, wurde mit „Der besondere Kinderfilm“ 2013 ein zusätzliches Förderprogramm aufgesetzt, das nur die Verfilmung von Originaldrehbüchern unterstützt. In der zweiten Podcast-Folge wird einer dieser „besonderen Filme“ zum Thema: Der Pfad, eine Fluchtgeschichte aus Nazideutschland für Kinder ab sechs Jahren. Er gewann den Deutschen Filmpreis, fand aber im Kino kaum Zuschauer.Wenn man sich den Trailer zum Film anschaut, verwundert das nicht. Hier wird die Frage nach „Gut und Böse“ in den Fokus gestellt – als würde sich irgendein Publikum eher von moralischen Diskursen ins Kino locken lassen als von einer spannenden Geschichte. Autorin Jytte-Merle Böhrnsen scheint ganz auf Linie, wenn sie gegen Ende des Podcasts erklärt: „Wir alle wollen gute Menschen auf dieser Welt und dann sollte man natürlich auch früh anfangen, auch bei dem Kinder- und Jugendfilm.“In der vierten und vorerst letzten Podcast-Folge hängt Regisseur Markus Dietrich (Willi und die Wunderkröte) seinen Anspruch tiefer. Er plädiert schlicht für ein Kinderkino jenseits von Harry Potter und Die Schule der magischen Tiere, arbeitet aber selbst gerade an Ponyherz, der nächsten Verfilmung einer erfolgreichen Jugendbuchreihe. Als besonders erhellend empfiehlt sich daher Podcast-Folge drei mit dem Regisseur Johannes Schmid (u.a. Blöde Mütze, Geschichten vom Franz). Das Überzeichnen von erwachsenen Figuren hält er für unnötig, weil sich Erwachsene in den Augen von Kindern sowieso oft rätselhaft verhielten. Also müsse man das gar nicht extra betonen. Als Grund für das geringe Publikumsinteresse an „besonderen Kinderfilmen“ bringt er „mangelnde kulturelle Bildung“ ins Spiel und empfiehlt das Modell seiner Wahlheimat Schweden, wo es für Kinder nicht nur Musikschulen, sondern ein viel breiteres und fast kostenloses Angebot in verschiedenen Kunstsparten gebe. Da wäre es also wieder, das Vorbild Skandinavien.