Jede Zeit findet ihren geistigen Begleiter. Das 19. Jahrhundert wird durch Karl Marx besonders geprägt, das 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts von Jürgen Habermas. Im sozialpolitischen Denken hat Habermas eine Ära markiert und sich regelrecht als Klassiker erwiesen – nicht jedoch als mumifizierten, sondern als lebendigen. Der Soziologiehistoriker Dirk Käsler hat die Sache der „Klassizität der Klassiker“ an einem Punkt gut erkannt: „Unterstrichen sei dabei der Begriff Werk: es sind nicht so sehr einzelne, noch so wichtige Einzelergebnisse, ein einziges Buch, ein einziger Buchtitel gar, die einen Soziologen zum Klassiker machen, sondern es ist die Einführung neuer Sehweisen“[1]. So wie jede Zeit ihren geistigen Begleiter findet, vermag jeder von diesen Begleitern die Räderwerke zu erfassen, die jene Epoche in Bewegung bringen. Diese können neue geistige Brillen entwickeln, um die negativen und positiven Geschichtszeichen (Kant), solche – theologisch ausgedrückt – Zeichen der Zeit besser zu erfassen. Das ist es, wozu Habermas mit seinem Interesse für die Problematik der Kommunikation beigetragen hat, deren Wichtigkeit beispielsweise die Soziologie zu einer tellurischen Wende geführt hat – die kommunikative Wende.
Trotz der Relevanz der einzelnen Denker sind es nicht sie, die die erwähnten neuen Sehweisen einseitig einführen, sondern es ist die Gesellschaft, die sich bei diesen identifiziert und sie als solche anerkennt. Die Entwicklung einer kritischen Kommunikationstheorie der Gesellschaft, die eine solche neue Sehweise ausmacht, wird nicht von Habermas allein transmittiert. Sie wird vielmehr von der Gesellschaft angenommen und demnach für „eingeführt“ gehalten. Da „die Sprache“, wie Habermas selbst behauptet, „kein privates Eigentum [ist]“, kann kein einzelner Teilnehmer bzw. kein einzelner Denker “die Struktur oder gar den Verlauf von Prozessen“ der Kommunikation „kontrollieren“[2] – auch nicht der kritische Klassiker. Die Kommunikation über die Kommunikation verselbständigt sich von denjenigen, die sie möglich machen, um eigenes Leben anzunehmen. Anders aber als bei Niklas Luhmann – Habermas´ systemtheoretischer Gegenpol –, der sie bloß aus einer funktionsbasierten Perspektive betrachtet, wird das Leben der Kommunikation nicht nur als emergentes Phänomen konzipiert, sondern auch für abhängig von der selbst generierten Dynamik der sozialen Geltungsbasis der Rede gehalten.
Die Geltungsbasis der Rede verweist auf die innere Struktur der sprachlichen Kommunikation, die durch systematische Abgrenzungen gegenüber den nicht verbalen Äußerungen, dem Handlungskontext, der normativen Realität der Gesellschaft und der Subjektivität des Sprechers gebildet wird. „Alle diese Bezüge finden in der inneren Organisation der Rede ihren Niederschlag“[3], und zwar durch die Formierung von verschiedenen Sprechhandlungen – d.h. konstative, regulative und expressive – und ihren entsprechenden Geltungsansprüchen: Wahrheit, normative Richtigkeit, Wahrhaftigkeit und Verständlichkeit. Der Schritt zur Kommunikationstheorie, der 1981 in der Theorie des kommunikativen Handelns sein Korollarium findet und die besondere Sehweise Habermas´ kennzeichnet, ermöglicht die Entfaltung einer richtigen soziologischen Theorie und zugleich die von ihm angestrebte Rettung des Vernunftbegriffs, der jetzt seinen Sitz nicht mehr in einem besonderen Subjekt – weder im transzendentalen Subjekt noch im Proletariat! – hat, sondern eben in der Geltungsbasis der sprachlichen Kommunikation[4]. Mit Bezug zur Kommunikation, hauptsächlich zu deren Fundamenten, sollte die Vereinseitigung der Vernunft diagnostiziert und gleichzeitig der Widerstand gegen diese Entwicklung initiiert werden.
Diese Struktur der Geltungsbasis der sprachlichen Kommunikation, die teilweise erklärt, wie die kritische Kommunikationstheorie der Gesellschaft Habermas´ selbst eine privilegierte Stellung im soziologischen Bereich erlangt hat, solange ihr „Wahrheitsgehalt“ im argumentativen Diskurs die allgemeine, kritische Zustimmung der Anderen gefunden hat, ist demnach eine von jenen Sehweisen, die sich – autologisch – als unabdingbar erweisen, um die zeitgenössische Gesellschaft zu verstehen und zu kritisieren. Um beim Paradebeispiel der Geltungsansprüche zu bleiben, fällt es heutzutage nicht schwer zu verstehen, wie schlüssig die Problematik der Wahrheit im politischen System geworden ist. Über die verschiedenen Weltregionen hinweg setzt sich gerade ein Trend zum Populismus durch, der auf die narzisstische Ansicht der eigenen willkürlichen Beobachtung – wenn nicht der bloßen Manipulation – beruht. Zwar sind die Lügen immer Teil des politischen Lebens gewesen. Dort, wo die Macht auf dem Spiel steht, zählen nicht nur wahre Gegebenheiten, sondern auch Täuschungen. Nichtsdestotrotz kennzeichnet gleichsam die postfaktische Gesellschaft eine Epoche, bei der sie an der Tagesordnung stehen. Das Lügen wird somit als erste politische Waffe eingesetzt.
Nicht nur aus der sogenannten „Drittenwelt“ stammen die Vorbilder dieser Art der Volksmanipulation, sondern selbst aus der „Ersten Welt“, um den Rest der Länder von dort aus zu kolonialisieren. Die Beispielliste beginnt beim König des aktuellen Populismus, d.h. bei Trump (USA), der laut der Washington Post in seiner mehr als zwei Jahre dauernden Amtszeit die Grenze der 10.000 Lügen übertroffen hat, über Erdogan (Türkei), Johnson (UK), Orban (Ungarn), Salvini (Italien), Netanjahu (Israel), Kurz (Österreich), bis hin zu Bolsonaro (Brasilien). Obwohl das Adjektiv im klaren performativen Widerspruch zum Nomen steht, setzen sich bei ihnen die alternativ facts durch, ohne dabei ein schlechtes Gewissen herzustellen. Während sie die Aufrechterhaltung der Systemimperative von Medien wie Macht und Geld gewährleisten, erröten sie nicht einmal. Dann können die fake news verbreitet werden und die USA unter riesigen humanitären Krisen an ihren Grenzen leiden[5], Großbritannien weiterhin £350 Millionen pro Woche der EU überweisen[6] oder Brasiliens Diktatur ein harmloses Regime[7] und die Nazis in Deutschland eine linke Gruppierung gewesen sein[8]. Wenn „Sein“ „Wahrnehmen [ist]“, wie George Berkeley behauptet hat, geht es also darum, die soziale Wahrnehmung systematisch zu manipulieren, um aus den alternativen Fakten reine Fakten zu machen.
Aber die Lüge und die Manipulation leben von der Wahrheit. Nur, weil „wir im Vollzug“ der Kommunikation „kontrafaktisch so tun“, „als sei“ eine Art „ideale Sprechsituation“, bei der jegliche Verzerrung der Kommunikation ausgeschlossen wird und eine symmetrische „Verteilung der Chancen“ zur Ausübung der Sprechakte und zur Kritik deren Geltungsansprüche gegeben ist[9], „nicht bloß fiktiv, sondern wirklich“[10], können Täuschungen, argumentative Manipulationen und Lügen erfolgreich sein. Sie sind als solche Resultat keiner himmlischen Denkabstraktion, sondern einer immer aus der Welt stammenden Realabstraktion. Wenn also die Lüge und die Manipulation von der Wahrheit – genauso wie die alternativen Fakten von den Fakten und die Unvernunft von der Vernunft – leben, kann Letztere immer mit Argumenten bzw. mit guten Gründen zurückschlagen. Jene Möglichkeit verankert sich in der stets vorausgesetzten idealen Sprechsituation und derer Geltungsbasis, die den Platz für den kooperativen Streit der Argumente bereitet. Erst in dem Moment kann sich laut Habermas der eigentümlich zwanglose Zwang des besseren Argumentes wieder erheben, der „die methodische Überprüfung von Behauptungen sachverständig zum Zuge kommen läßt und die Entscheidung über praktische Fragen rational motivieren kann“[11]. Erst durch Argumente kann über den Kampf der tendenziösen Meinungen hinausgegangen werden, in die sich die aktuelle politische Debatte verwandelt hat.
Die alles in allem in der Geltungsbasis der Rede verankerten Vernunft, deren Rettung als Lebensprojekt Habermas´ fungiert, kann nur durch kooperative Begründung neue Vitalität finden. Zwar gibt es einerseits keinen Grund für Optimismus: die „Sprache ist“, wie Luhmann zu Recht behauptet und heutzutage als dramatische Tatsache wirkt, teilweise „indifferent gegen Wahrheit und Falschheit“[12]; sie eignet sich sowohl für verständigungs- als auch für erfolgsorientiertes Handeln[13]. Jedoch darf aus diesem Grund andererseits die Hoffnung nicht komplett aufgegeben werden. Das moderne Projekt der Aufklärung samt seinem Vernunftbegriff ist beharrlich. Es kann zwar ins Schwanken gebracht werden, doch aus seinen eigenen Spannungen und Widersprüchen kraftvoller hervortreten. Dabei geht es um einen aktiven Widerstand, um ein Transzendieren der komfortablen Zone des für sich allein Denkens mittels Argumenten und Kooperation. Es geht darum, mit dem Risiko des Kontakts mit den Anderen, mit dem Andersdenken und Anderssein umzugehen; das Debattieren, ohne sich in der eigenen Unterschiedlichkeit oder Differenz einzuschließen, wie man in einem Teil der Sozialtheorie feststellen kann – von postmodernen Perspektiven bis zur hochentwickelten Systemtheorie, derer Angst vor dem Sozialen ersichtlich wird[14]. Dabei geht es letztendlich, wie sonst immer, um die Konfrontation mit dem Erschreckenden, um daraus etwas Besseres zusammen zu machen. So lohnt es sich am Ende, uns an den tiefsten Leitmotiv Habermas´ diesbezüglich zu erinnern:
„Der Glaube an Subjekte im Großformat und an die Lenkung großer Systeme ist zerfallen. Sogar soziale Bewegungen sind heute ein Motor für Vervielfältigung und Individualisierung. Aber das Lob der Vielheit, die Apologie des Zufälligen und des Privaten, die Feier von Bruch, Differenz und Augenblick, der Aufstand der Randgebiete gegen die Zentren, das Aufgebot des Außerordentlichen gegen die Trivialität – das alles darf nicht zur Ausflucht werden von Problemen, die, wenn überhaupt, nur bei Tageslicht, nur kooperativ, nur mit den letzten Tropfen einer beinahe ausgebluteten Solidarität gelöst werden können“[15].
[1] Käsler, Dirk. „Was sind und zu welchem Ende studiert man die Klassiker der Soziologie?“, in: ders. (Hg.), Klassiker der Soziologie, Bd. 1, München, 2002, S. 31.
[2] Habermas, Jürgen. Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frankfurt am Main, 2006, S. 25-26.
[3] Habermas, Jürgen. Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt am Main, 1995, S. 238.
[4] Habermas, Jürgen. Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt am Main, 1992, S. 17, 170.
[5] https://twitter.com/realdonaldtrump/status/1084121557193146368
[6] https://www.ecpmf.eu/news/threats/uk-court-boris-johnson-has-no-case-to-answer-over-brexit-fake-news
[7] https://www.spiegel.de/einestages/brasiliens-militaerdiktatur-jair-bolsonaros-lob-fuer-mord-und-folter-a-1236352.html
[8] https://www.nytimes.com/2019/04/13/world/middleeast/bolsonaro-holocaust-forgive-israel.html
[9] Habermas, Jürgen. Vorstudien und Ergänzungen, S. 119.
[10] Habermas, Jürgen. „Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz“, in: Habermas, Jürgen/Niklas Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt am Main, 1971, S. 140.
[11] Habermas, Jürgen. „Vorbereitende Bemerkungen“, S. 137. Auch Habermas, Jürgen. Vorstudien und Ergänzungen, S. 119.
[12] Luhmann, Niklas. „Systemtheoretische Argumentationen. Eine Entgegnung auf Jürgen Habermas“, in: Jürgen Habermas/Niklas Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt am Main, 1971, S. 339.
[13] Habemas, Jürgen. Die Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt am Main, 1981, S. 388.
[14] Vgl. Chávez, Juan Miguel. „La estela de Leipzig. La ideología del conservadurismo alemán como motivo fundacional de la sociología de Luhmann”, in: Elementos, 72, 2014, S. 3-14.
[15] Habermas, Jürgen. Die nachholende Revolution, Surhkamp, 1990, S. 16.
Kommentare 20
Vielleicht ist Habermas der paradigmatische Denker des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Daß ihm das gelungen ist, liegt daran, daß er durch seine akademische Sozialisation mit der fortgeschrittensten philosophischen Reflexion, der Kritischen Theorie, vertraut war, und gleichzeitig den radikalen Kern dieser Theorie nicht übernehmen konnte oder wollte, stattdessen sich anschlußfähig an die angelsächsische Philosophie des Positivismus, Pragmatismus, des Poststrukturalismus und der analytischen Sprachphilosophie gemacht hat, also der Philosophie des amerikanischen Zeitalters. Damit konnte er Weltgeltung erlangen, die amerikanischen Denker sophisticated noch übertrumpfen.
Nun hat der linguistic turn selbstverständlich seine Berechtigung. Er geht auf den doppelten Wittgenstein zurück und reflektiert die postkantische Grundlagenkrise von Naturwissenschaft und Logik. Er ist die „Sehweise“ dieses kritischen Rationalismus (hiermit ist nicht Popper gemeint). Sprache, und das ist zweifellos ein geistiger Fortschritt, wird in ihre kognitive, koordinierende und expressive Funktion zerlegt, das sind die Geltungsansprüche der Wahrheit, normativen Richtigkeit und Wahrhaftigkeit, die Ebenen der Objektivität, Intersubjektivität und Subjektivität. Nur ist diese bürgerliche Wohlordnung Schein, der Unterschied von faktisch und postfaktisch fällt hinter die kritische Einsicht in Wirklichkeit und Ideologie (Ideologie ist eben nicht bloß Lüge oder Meinung) zurück, die sich in der Aufklärung gebildet hat. Inzwischen scheinen sich die amerikanischen Stimmen zu mehren, die auf die Dialektik in der Tradition von Hegel, Marx und der KT zurückgreifen. Dabei lag diese Sicht in den frühen Arbeiten von Habermas schon so nahe.
Habermas mag der fortgeschrittenste Denker des bürgerlichen Bewußtseins, also der geeignete Repräsentant dieser Epoche sein, aber diese Epoche geht zu Ende, und die Kritik dieses Bewußtseins ist schon jahrhundertealt. Daß Habermas auf der Idee der Vernunft besteht, dagegen sich wehrt, daß „Sprache indifferent gegen Wahrheit und Falschheit“ ist, „sich sowohl für verständigungs- als auch für erfolgsorientiertes Handeln“ eignet, ist ja richtig, nur führt der linguistic turn nicht aus dem Positivismus und Pragmatismus heraus. Mit diesem Konzept erreicht man nicht, was Habermas immer noch vorzuschweben scheint: „… von Problemen, die, wenn überhaupt, nur bei Tageslicht, nur kooperativ, nur mit den letzten Tropfen einer beinahe ausgebluteten Solidarität gelöst werden können“. Das klingt noch ein bißchen nach der fragilen, vom System bedrohten Nichtidentität.
Nun, wie sich zeigte und ständig zeigt, sind die Lügen, und damit der der von Habermas überhöhte Geltungsanspruch von Rede generell, überhaupt nicht ausschlaggebend für die Zustimmung zu den sog. Populismen unserer Zeit. Ob dem NHS wirklich wg. der EU wöchentlich Hunertausende Pfund oder gar Millionen davon entgehen usw. ist z. B. bzgl. der Brexit-Frage für die Mehrheit der Briten ebenso irrelevant wie "Erfolg" oder Mißerfolg Trumps hinsichtlich angeblich so wichtiger Parameter wie der Wiederbeschäftigung seiner Rusty-Wähler für die mehrheitliche Zustimmung zur Amerika-First-Politik/-Rhetorik Trumps in den USA.
Der Taschenspielertrick Habermas', wer rede/argumentiere, müsse ja zwangsläufig von einer ideal(isiert)en (-> Idealismus-Wurzel der dt. Aufklärung, die H. angeblich zu retten versucht, dabei aber ihr zu Tode-Pfleger wird), d. h. unvermachteten Diskursituation ausgehen, müsse das "richtige" Argument die Macht von Heeren aller Art und der übrigen Kapitalien und Ressourcen brechen können, notfalls über die Gewinnung und den Einsatz ebensolcher Machtressourcen nun für das richtige Argument, sonst könne/solle/müsse er/sie das Reden u. Argumentieren ja gleich sein lassen (angebl. Sinnlosigkeit von Rede wg. "performativen Selbstwiderspruchs"), setzt philosophisch-idealistisch einen Eiffelturm an Geltungsansprüchen von Rede und Argument auf das Fundament von Stöckelschuhen.
Der knickt daher alsbald so ein, dass der Schiefe Turm von Pisa dagegen wie ein Exempel unerreichbarer Orthoerektik wirken muss. Unter dieser völlig überlasteten Fragilität sagenhafter Fallhöhe wandern Menschen lieber aus dem Rede-Turm aus, - sofern sie überhaupt je darin nennenswert heimisch waren -, und wenden sich dem Ressentiment zu.
Dabei sind die entsprechenden Behauptungen, "Studien" und "Untersuchungen" etc. zugunsten solcher Ressentiments allenfalls Begleiterscheinungen/Epiphänomene ohne ursächliche Wirkungen, - eher befördern genehme Ideen/Ressentiments umgekehrt die Erstellung solcher Machwerke qua Ressourcenzuteilung, Machtpartizipation, Aufstiegsperspektiven, Existenzsicherung usw.
Man hätte zur Judenhatz auch ohne die 150.000 Seiten hoch "wissenschaftlicher", akademischer Arbeiten zw. 1900 und 1940 geblasen, in denen "der Jude" als ein physisch, kognitiv, ethisch, moralisch, psychisch, emotional und sozial den Herrenmenschen völlig inferiores Krüppelwesen mit zigtausenden von "Messungen" u. ä. "nachgewiesen" wurde.
Von daher ist der ständige Wechsel z. B. der Trumpschen Lautsprecher und Handlanger nur konsequent, schließlich sollen viele mal profitieren, da eh mehr oder weniger wurscht ist, was da welche Chefideologen usw. von sich geben, schlimmstenfalls würden solche bei längerem Verbleib noch dazu führen, dass T. sich gegenüber verfestigten Memen usw. auch noch rechtfertigen bzw. seine Politik tatsächlich danach ausrichten müsste. Vergl. warum Heidegger trotz der riesigen Symphathien für die Nazis bzw. seiner Judenressentiments nicht zum Chefberater/-philosophen des Regimes aufsteigen durfte: Das Autoritäre duldet keine Autoritäten um sich.
Ähnlich "korrupt" wie die NHS- oder die Nazi-Lügen usw. geht's ja auch bei den CO2-Emissionen zu: dass vor jedem Anstieg von CO2 auf einen erwärmungswirksamen Anteil in der Atmo die Menschen u. viele Säugetiere ZUVOR ein für sie gesundheitlich u. medizinisch relevantes bis letales Niveau durchlaufen müssten, spielt überhaupt keine Rolle, erklärt aber vlt. das Bauchgefühl/Ressentiment der Menschen, dass CO2 für sie irgendwie Scheiße ist.
... dass vor jedem Anstieg ... -> ... dass sie vor jedem Anstieg ...
und siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/dos/eliten#1560922705033465
ein "empfohlener blog".
schätzungsweise an mehr als 98% der leser vorbei:
ein armuts-zeugnis des FREITAG.
" ... schätzungsweise an mehr als 98% der leser vorbei ..."
Na das glaube ich nicht, der Artikel reflektiert in seinem Fokus/seiner Reduktion/ auf die kommunikationsphilosophische Seites des H'schen Oeuvres da ganz sicher den allergrößten Anteil der Leserpositionen, die in der schriftlichen Form des Pennäler-Gehampels - u. -Ellenbogengeschubses, wie es z. B. unter "Augstein und Blome"-Videos hochverdichtet präsentiert wird, nach wie vor das "state of the art" des politisch-philosophischen Geistes sehen und deren Positionträger sich somit als überlegener Teil der Gesellschaft fühlen dürfen, auf den der Glanz dieser Starnberger Herrenreiterei gülden abfärbt, auch aus dem 90. Lebensjahr noch.
Damit die klassische Herrenattitüde und -macht dieser Vernunft-Prediger nicht wirklich auffällt, wird halt die anthropologisch äußerst harsche Seite (Kohlbergsche Stufeneinteilung der menschl. "Bewußtseine") des H'schen Diskurs-Eiffelturms in solchen, sehr zahlreichen, Elogen wie dieser für's Publikum regelmäßig unterschlagen.
Ein Blick aus "linker Hand" mehr auf die politische Wirkung Habermas´und auch seine Sichtweise (Wandel) hinsichtlich der Rolle militärischer Gewalt.
Nein, das (die 98%) wäre ein Armutszeugnis für die Leser des Freitag bzw der FC, ich kann nicht sehen, daß dieser Beitrag den Lesern zu seicht vorkommt, und den meisten auch nicht zu abgehoben. Die Vergabe von Empfehlungen wurde ja schon öfters moniert, und ganz sicher mit mehr Berechtigung als hier.
Für mich ist eher monierenswert, daß, nachdem Spiegel und FAZ wohl eingesehen haben, daß sie es nicht mehr bringen können, nur noch die Zeit bereit ist, intellektuelle Debatten zu moderieren. Da könnte und sollte der Freitag aktiver werden. Daß dies vorrangig ein Meinungsmedium ist, ist ja durchaus in Ordnung, aber man muß sich nicht der allgemeinen Intellektuellenfeindlichkeit anschließen oder ihr durch Auslassen entgegenkommen. Immerhin, in der FC gibt es ein gesundes Interesse an solchen Debatten, daß sie vom Freitag unterstützt werden, ist diesem Blatt hoch anzurechnen. Und niemand ist gezwungen, sich an solchen Debattensetzungen zu beteiligen, wenn sie keine Reaktion provozieren, dann sind sie freilich überflüssig.
Auch mir scheint in der Gefolgschaft von Habermas, vielleicht sogar bei ihm selbst, Eitelkeit kein völlig abwegiger Begriff zu sein; aber wie sieht es mit der Knecht- und Magd-Perspektive bei dos aus?
Wieso "Auch mir ..."? Das ist wieder der typische Vereinnahmungstrick Ihrer Kaderrhetorik. MIR jedenfalls liegt nichts ferner, als die zynische Herrenreiterei der herrschenden Eliten der jeweiligen "mainstreams" von Friedrich Merz bis Thunberg/Dalai Habeck/Habermas/Lucke & Co. auf die allgemeingültige Binse von der Eitelkeit der Menschen zu verdünnen, - das wär' dann allein Ihre Sache.
Und was die KuMP bei mir angeht? Sieht gut aus.
Ich antworte - bzw. frage - auf Ihren Kommentar, weil Sie Habermas' Lehren offenbar kennen, Herr Endemann. Vielleicht sieht sich aber auch der Verfasser des Beitrags angesprochen.
Nur, weil „wir im Vollzug“ der Kommunikation „kontrafaktisch so tun“, „als sei“ eine Art „ideale Sprechsituation“, bei der jegliche Verzerrung der Kommunikation ausgeschlossen wird1 und eine symmetrische „Verteilung der Chancen“ zur Ausübung der Sprechakte und zur Kritik deren Geltungsansprüche gegeben ist, „nicht bloß fiktiv, sondern wirklich", können Täuschungen, argumentative Manipulationen und Lügen erfolgreich sein.
Das liest sich wie völlig neue Erkenntnisse, aber vielleicht liegt das nur am aktuellen Bezug auf Trump, Johnson etc.. Wie alt oder neu sind diese Überlegungen?
Erst durch Argumente kann über den Kampf der tendenziösen Meinungen hinausgegangen werden, in die sich die aktuelle politische Debatte verwandelt hat.
Wirklich erst die aktuelle politische Debatte?
„Der Glaube an Subjekte im Großformat und an die Lenkung großer Systeme ist zerfallen.
Was mich vermuten lässt, dass die Habermas zugeschriebenen Auffassungen neu sind - denn so lange geglaubt wurde, musste man ja nicht argumentieren, oder?
"Das liest sich wie völlig neue Erkenntnisse, aber vielleicht liegt das nur am aktuellen Bezug auf Trump, Johnson etc.. Wie alt oder neu sind diese Überlegungen?"
Nee, Sie haben einfach nicht weit genug gelesen. Es handelt sich um einen "dialektischen" Schlenker des Artikel-Autors, der allerdings höchst unentfaltet bleibt (WIE erleichtert die kontrafaktische, aber als Wirklichkeit vorausgesetzte "unverzerrte", besser: unvermachtete, Diskurssituation denn Lüge, Manipulation usw. und gegenüber welchen anderen D.-Situationen als Vergleichsmaßstab?) und der im nächsten Zug wieder auf den "zwangslosen Zwang" angeblicher Vernunftpositionen zurückgebogen wird:
"Wenn also die Lüge und die Manipulation von der Wahrheit – genauso wie die alternativen Fakten von den Fakten und die Unvernunft von der Vernunft – leben, kann Letztere immer mit Argumenten bzw. mit guten Gründen zurückschlagen. Jene Möglichkeit verankert sich in der stets vorausgesetzten idealen Sprechsituation und derer Geltungsbasis, die den Platz für den kooperativen Streit der Argumente bereitet.Erst in dem Moment kann sich laut Habermas der eigentümlich zwanglose Zwang des besseren Argumentes wieder erheben, der „die methodische Überprüfung von Behauptungen sachverständig zum Zuge kommen läßt und die Entscheidung über praktische Fragen rational motivieren kann“[11]"
Die "Vernunft" und das fiktive Diskursmodell werden also in ihre alten Rechte (nach H. Gusto) wiedereingesetzt, können also trotz der Lügen-Schlenkerei stets "zurückschlagen" (-> zunächst Pennäler-Geschubse und Ellbogengesellschaft/-diskurse, später dann schaffen solche Worte die in ihnen aufgehobene Brutalität realiter). Wie H. in erfreulicher Offenheit der Sprache darlegt, zielen die Vernunftgläubigen eben auf Zwang, wie er eben jeder Herrschaft, - und sei es der der "Gerechtigkeit", Richtigkeit usw. - nicht allein, aber stets auch anhängt, auch wenn er so adiskursiv wie nur möglich zur c.i.a. des "zwanglosen Zwangs" greift (Taschspielereien eben) statt auf Empfindung/Ästhetik des Handelns, subj. Willen, Tabus etc. zu setzen. Vielmehr zersetzt eben derartiger Begründungszwang letztlich jede humane Regung, die ja per se erstmal "irrational" aufgestellt ist, und deren nachgeschobene Rationalisierungen als evolutionäre o. sonstige "Vorteile" das Papier nicht wert sind (Bäume!), auf das sie gedruckt werden, und dementspechend auch keine Brutalisierung aufhalten können, siehe die "Judenwissenschaften" bis 1945.
Nein, mir liegt nichts ferner, als Sie für meine Argumente zu vereinnahmen. Mit „auch mir“ war nur die Übereinstimmung mit einer Kritik am bürgerlichen Idealismus einer Denkschule, eines auf dem hohen Roß des Moralismus Sitzens gemeint, welches ich vor allem als Eitelkeit deute, ich hätte vielleicht deutlicher machen müssen, daß ich damit keineswegs Ihren monomanisch in allen Kommentaren gebrauchten Begriff der Herrenreiterei paraphrasieren wollte (auch wenn das Bild vom hohen Roß das nahelegt). Das ist dann Ihre Eitelkeit, alles auf sich selbst zu beziehen.
Meine KuMP-Frage war nun allerdings eine rhetorische. Wäre sie ernst gemeint, würde ich jenseits Ihres – Entschuldigung, daß ich das so krass sagen muß – ins Leere gehenden Vernichtungskampfs gegen den Großteil des zeitgenössischen Denkens eine Darlegung einer Perspektive von Unten erwarten, aber ich bin ja noch nicht so lange in der FC, vielleicht haben Sie sich ja tatsächlich einmal darum bemüht.
Nein, ich kenne mich nicht en detail mit Habermas‘ Lehren aus, und habe wenig von dem Vielen, das er geschrieben hat, gelesen. Was die aktuellen Modifikationen, speziell die Bewertung der alternativen Fakten, das Sprechen im Netz betrifft, da könnte der Blogautor sicher weiterhelfen. Ich glaube, H‘s Konzept und seine wichtigsten Referenzpunkte verstanden zu haben.
Mit dem kontrafaktischen Tun-als-ob, mit der Unterstellung der idealen Sprechsituation ist ein von der linguistischen Wende unbeschädigtes transzendentales Apriori dieses kantschen Denkens gemeint. Auch mit Unwahrheiten erhebt man einen diskursiven Wahrheitsanspruch, der bestritten werden kann, die Getäuschten können nur getäuscht werden, weil sie keine Gegenargumente finden. Das wäre sogar richtig, wenn es in der Sprechsituation allseits (auch den Falschmünzern) primär um Wahrheit ginge. Das ist allerdings eine falsche Idealisierung. Diskurse sind immer auch Strategiespiele. Wie die Lüge sich der Wahrheit bedient, so bedient sich die Wahrheit der Lüge. Wenn schon, müßte man unterstellen, daß im Endeffekt die Wahrheit stärker ist.
Noch ein Wort zum Zwang, zu Gewalt und dem Idealismus als Totalitarismus. Anders als wie dos hier entlarven zu können meint, ist die Vernunft als eine versöhnliche gedacht. Die angebliche c.i.a. des zwanglosen Zwangs meint die Erotik des guten Arguments, das sich durch Vernunft verführen und bezwingen lassen, eine Selbstfesselung. Etwas anderes zu unterstellen tut Habermas unrecht.
||| In Zeiten von „alternativen Fakten“ scheint nur die Vernunft als Antidot zu wirken |||
In Zeiten, in denen die Realität anhand ihres Wertes für Narrative bemessen wird, wirkt gar nichts mehr als Antidot zu primordialen Absichten. "Alternative Fakten" sind nichts anderes als die konsequente Vollendung des Narrativ-Konzepts in einer Richtung, die sich dessen Schöpfer nicht vorstellen wollten.
Glücklicherweise gibt es nicht nur Habermas, sondern auch noch Luhmann. Der tut gut nach zuviel oder überhaupt Habermas.
<"Alternative Fakten" sind nichts anderes als die konsequente Vollendung des Narrativ-Konzepts in einer Richtung, die sich dessen Schöpfer nicht vorstellen wollten.>
Ja, so ist das mit der unfreiwilligen, unerbittlichen Dialektik.
Luhmann steht für die „Vernunft“ der Legitimation durch Verfahren. Das ist gewissermaßen ein Festhalten an einer subjektunabhängigen Objektivität. Allerdings ist Habermas gar nicht so weit von Luhmann entfernt, denn auch er vertraut auf die Objektivierung in Institutionen.
Aber wie man‘s auch drehen will, die Geltung „gemachter Wahrheiten“ bleibt kontext- und wissensabhängig, innerhalb dieses Rahmens kann das Subjekt nicht frei schalten und walten. Daher sollte man sich daran gewöhnen, so gut wie möglich die Bedingungen anzugeben, unter denen Geltung beansprucht werden kann. Der sprachanalytische Fehler ist nicht, daß man nach den sprachlichen Bedingungen der Möglichkeit richtigen Sprechens sucht, sondern daß man diese Bedingtheit für erschöpfend hält.
Nicht daß ich mit der allg. Eitelkeit als Teil des Humanums nicht auch bei mir selbst gut leben könnte, aber MICH DIREKT anzusprechen auf etwas hier kontextloses Anderes, das Sie im NACHGANG als " ... Übereinstimmung mit einer Kritik am bürgerlichen Idealismus einer Denkschule, eines auf dem hohen Roß des Moralismus Sitzens" 'meinen' und dass Sie "vor allem als Eitelkeit" 'deuten', - alles DINGE VON DENEN HIER BISHER NIE DIE REDE WAR, und die, das wissen Sie ja aus vorgängigen Diskursen, so von mir stets als viel zu kurz gesprungene und zu dünne/oberflächliche "Kritik" am dt. Idealimus ff. eingeschätzt wird -, um mir DANN zu unterstellen, ich würde vor Eitelkeit halt "alles auf mich selbst beziehen", wo ich doch so direkt wie anlaßfrei von Ihnen darauf angesprochen wurde - tja das ist wohl die allerletzte Schmierenversion Ihrer Kaderrhetorik! (Kennwa aba gut - gerade auch aus dem Frankfurt-Starnberger Umfeld ...)
"Die angebliche c.i.a. des zwanglosen Zwangs meint die Erotik des guten Arguments, das sich durch Vernunft verführen und bezwingen lassen, eine Selbstfesselung. Etwas anderes zu unterstellen tut Habermas unrecht."
Ja klar, und Mielke liiiiiiieeebt Euch doch alle!
[ Wenn es H. um Verführung, Erotik, Selbstfesselung u. ä. als im weitesten Sinne normatives Wirken ginge, - was ja sehr sinnvoll wäre - warum sucht er dann ständig nach Imperativen, beruft sich auf fragilste Überlegitimierungen und höchste Geltungsansprüche, insbesondere solche des "Rechtstaates", der staatl. Gewalt usw., hubert stets solche wie Steinmeier & seine Bandidos hoch, statt sich mal der Herzensbildung, dem Empfind(ungsvermög)en und einer Ästhetik des Menschlichen zu widmen?]
||| Allerdings ist Habermas gar nicht so weit von Luhmann entfernt, denn auch er vertraut auf die Objektivierung in Institutionen. |||
Auch Konzilien können irren ... ^^
Und das "richtige Sprechen" hat mit seinem Kumpel aus dem Nachbarnarrativ nur noch den Wortklang gemeinsam. Von weitem winken die Päpste, vulgo die Träger der Deutungshoheiten.
Ich werde hier nicht den advocatus H spielen. Ich habe H philosophisch kritisiert, als eine Radikallinke, der ich mich zugerechnet habe, meinte, ihn moralisch verdammen zu müssen. Aber ich habe nie verstanden, wie man als Gesamtbürger (bourgeois und citoyen) ein Verräter von links sein kann. Die Linkseinordnung von H war immer illusionär. Aber die Welt sieht H zurecht als citoyen, als Weltbürger, als Universalisten, hält ihn für einen bürgerlichen Aufklärer. Das ist in bürgerlichen Zeiten kein Grund zu maßloser Kritik.
„der Aufstand der Randgebiete gegen die Zentren, das Aufgebot des Außerordentlichen gegen die Trivialität – das alles darf nicht zur Ausflucht werden von Problemen, die, wenn überhaupt, nur bei Tageslicht, nur kooperativ, nur mit den letzten Tropfen einer beinahe ausgebluteten Solidarität gelöst werden können“ (J. Habermas. ''Die nachholende Revolution'')
Info.- Empfehlung:
Philosophie der Revolution
Studie zur Herausbildung der marxistisch-leninistischen Theorie der Revolution als marxistisch-dialektischer Entwicklungstheorie und zur Kritik gegenrevolutionärer Ideologien der Gegenwart. Eine Studie von Otto Finger. – VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1975
● Existenzialismus, Strukturalismus, „Kritische“ Theorie – Scheinkritizismus, pseudorevolutionäres Denken und Materialismusfeindschaft {...}
● Dialektik der Revolution {...}
22.06.2019, R.S.