Mein Kopftuch, meine Freiheit

Islam Das Kopftuch - ein Zeichen der Unterdrückung?

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Mein Kopftuch, meine Freiheit

Foto: Bulent Kilic/AFP/Getty Images

Im Alltag sieht man oft Frauen, die verhüllt durch die Gegend laufen. Brauchen wir als westliche Gesellschaft Mitleid mit ihnen haben? Müssen wir sie aus diesem „Gefängnis“ befreien?

Man sieht eine Frau mit einem Kopftuch in der S-Bahn und so viele Fragen kommen uns in den Sinn. Wieso zeigt sie bloß ihre Haare nicht? Wird sie von ihrem Mann befürwortet? Hat sie keine Rechte? Das arme Ding ist so hübsch, bestimmt wird sie von ihrem Mann oder ihren Eltern gezwungen, so raus zu gehen.

Da sage ich Ihnen, gehen sie doch hin und fragen sie einfach! So viele Fragen würden sich klären. Wir würden damit über unsere eigenen Schatten springen und Vorurteile aus dem Weg räumen.

In meiner Erklärung im Folgenden kann ich natürlich nicht über alle muslimischen Frauen sprechen, die ein Kopftuch bzw. ein Hijab tragen, jedoch möchte ich selbst aus der Perspektive einer Muslima mit Kopftuch berichten.

Je suis Hijabi

Die Antwort auf die Frage, wieso ich ein Kopftuch trage, ist für mich eindeutig: mein Kopftuch gibt mir Freiheit.

In der westlichen Gesellschaft wachsen wir mit den Werten auf, eine Frau ist attraktiv, wenn sie einen guten Körper hat und ihre Schönheit der Welt zeigt. Über eine Frau mit Kopftuch, die sich mit lockerer Kleidung bedeckt, würde ein Mann nie sagen: diese Frau ist für mich attraktiv. So habe ich eigentlich mein Ziel erreicht. Ich möchte als Frau nicht durch mein Äußeres die Aufmerksamkeit von Männern auf mich ziehen. An dieser Stelle fragen sich viele Frauen, wieso denn nicht? Was ist denn so schlimm, angeschaut zu werden und die Bestätigung, dass man hübsch sei, durch einen Mann zu bekommen?

Ja, in erster Linie scheint dieser Gedanke gar nicht so abwägig, doch bei einer genaueren Überlegung wird einem ganz schnell klar: Wer möchte denn als Mensch nur an seiner Oberfläche wahrgenommen werden? Ich möchte als Mensch mit einer Persönlichkeit und Charakter beachtet werden. Männer, die mich aufgrund meines Körpers oder meiner Schönheit im Allgemeinen anziehend finden, handeln nach ihrem angeborenen sexuellen Trieb. Gott hat die Menschheit so gemacht, dass der Mann die Frau in einer natürlichen Art und Weise attraktiv findet und daran ist auch nichts auszusetzen, doch inwieweit sich eine Frau davor schützt, das ist ihr selbst überlassen.

So gibt mir mein Glauben, der Islam, eine Richtlinie, die mir hilft, mich vor den Blicken der Männer zu schützen. Indem ich mir mein Kopftuch überziehe und meine Reize verdecke, distanziere ich mich automatisch von dieser oberflächlichen Sichtweise, dass ich nur all das bin, was man an mir sieht.

Nimmt jemand jetzt mit mir ein Gespräch auf oder freundet sich mit mir an, dann kann ich mir sicher sein, diese Person hat meinen Charakter mitsamt meinen Eigenschaften und Fehlern wahrgenommen, vielleicht sogar akzeptiert. Ist das nicht schön? Meine Religion gibt mir also die Sicherheit und den Weg, mein Wesen mit der Welt zu teilen. Alles, was mich wirklich ausmacht und worauf ich stolz bin.


Je suis Muslima

Ich bin stolz auf meine Religion und dass ich sie ausleben kann. Und genau das ist ein weiterer Aspekt, wieso ich mein Kopftuch trage: Ich kann mich dadurch identifizieren.

Mein Kopftuch zeigt der Welt, dass ich ein religiöser Mensch bin und dass ich bestrebt bin, mein Leben nach meiner Religion auszuleben. Ich brauche niemandem zu erklären, dass ich nicht wie andere Mädchen rauche oder trinke und auf Partys gehe.

Nicht nur, dass ich mich vor den Übeln der Welt schütze, ich schütze mich vor mich selbst. Das erscheint zuerst paradox, wie kann man sich vor sich selbst schützen?

Mein Kopftuch bewahrt mich davor, leichtsinnige Fehler zu begehen. Zwar ist mir bewusst, was für mich moralisch nicht richtig ist und was ich nicht möchte, doch die Verführung wartet an jeder Ecke. Indem ich mein Kopftuch trage, erinnere ich mich selbst daran, an was ich glaube und festhalte. Es beinhaltet also die Doppelfunktion des Schutzes nach außen und vor meinem eignem „ES“, wie Sigmund Freud sagen würde.

Je suis homme

Wie nun deutlich wird, bestimme ich ganz alleine darüber, ob ich mit Kopftuch aus dem Haus gehe oder nicht. Alles andere ist im Islam nicht so vorgegeben und erfüllt somit auch nicht den wahren Sinn dahinter.

Ist es nicht merkwürdig, wie ein Stück Kleidungsstoff die Sichtweise auf einen Menschen verändern kann. Wir sind im Eigentlichen nur in dem Sinne verschieden, dass ich auf meinem Kopf ein Stück Stoff trage. Eine andere Frisur oder andere Kleidung trennt uns nicht, auch ob klein oder groß, dick oder dünn macht uns nichts aus. Wieso unterscheiden wir uns dann um Welten, wenn ich mich verdecke? Heutzutage ist die Modewelt so ausgefallen, dass wir Mädchen mit bauchfreien Oberteilen sehen und gleichzeitig Frauen mit meterlangen Mänteln. Wenn uns die Mode trotz ihren exotischen Trends verbindet, wieso trennt uns dann ein Kopftuch? Ich bin auch nur ein Mensch genauso wie Sie. Ein Mädchen mit Gefühlen, Gedanken und vielen Träumen.

99,99 % ähneln wir uns alle in unserem Genmaterial, wieso bauen wir uns dann so eine große Mauer, nur weil jemand eine andere Denk- und Lebensweise hat?

Mein Kopftuch gibt mir Freiheit, Respekt und Selbstbeherrschung. Bin ich dennoch ein Opfer Ihrer Ansicht nach?

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