Hasta siempre, Alirio

Kommentar Hingerichtet von der kolumbianischen Armee

Alirio Martínez, einer der historischen Führer der kolumbianischen Kleinbauernbewegung, begegnete mir erstmals im Juli 2003 in Bogotá. Er war wegen einer Augenerkrankung in der Hauptstadt. Der Befund der Ärzte war schrecklich: Martínez hatte ein Auge bereits verloren, auf dem zweiten würde er die stark eingeschränkte Sehfähigkeit nur bewahren, wenn er täglich teure und nur in Bogotá erhältliche Tropfen zu sich nähme. Doch Martínez machte einen gelassenen Eindruck. Trotz der Hiobsbotschaft berichtete er mir aus seiner Heimatregion und lud mich ein, gemeinsam mit einer schweizerisch-deutsch-brasilianischen Gewerkschafterdelegation nach Arauca zu kommen, um die dortige Agrarkooperative kennen zu lernen.

Im September 2003 konnte Martínez uns bereits nicht mehr am Flughafen Saravenas in Empfang nehmen. Im Rahmen einer Kriminalisierungswelle gegen die sozialen Bewegungen Kolumbiens war gegen ihn, wie gegen weitere 150 Aktivisten Araucas, ein Haftbefehl verhängt worden. Unsere Delegation verbrachte einige Tage in dem gespenstisch wirkenden Sitz der sozialen Organisationen, in dem alle Büros - mit einer einzigen Ausnahme - wegen der Verhaftungen und Morde geschlossen worden waren.

Die Situation in Arauca war schon zu diesem Zeitpunkt überaus dramatisch. Die Genossenschaftsläden und gemeinschaftlich betriebenen Stadtwerke ECAAS arbeiteten zwar noch und beeindruckten uns Delegationsteilnehmer sehr, doch die Angst war allgegenwärtig.

Nach einigen Tagen in der Kleinstadt Saravena traf ich Alirio Martínez dann zu einem Interview in dem etwa 50 Kilometer entfernt gelegenen Dorf Caño Seco. Dort, außerhalb des Aktionskreises der Polizei, erzählten er und 40 weitere Bäuerinnen und Bauern mir die Geschichte der Bewegungen Araucas, die in ihrem Department eine Agrarreform gegen den Staat durchgesetzt und ein engmaschiges Netz von genossenschaftlichen Einrichtungen geschaffen hatten.

In eben dieser Ortschaft wurden Alirio Martínez und zwei Gewerkschaftsführer nun am 5. August von der kolumbianischen Armee erschossen. Die Version der Militärs lautet, die Aktivisten hätten eine Armeepatrouille angegriffen und seien im Gefecht gefallen. Menschenrechtsgruppen berichten hingegen, Alirio Martínez und seine zwei Begleiter seien festgenommen worden, hätten vor den Soldaten hinknien müssen und wären dann exekutiert worden. Die Operation sollte offensichtlich der traditionell starken Linken im Grenzgebiet zu Venezuela dauerhaft das Genick brechen und eine über die Grenzen der Region hinaus abschreckende Wirkung entfalten.

Gracias por todo y hasta siempre, compañero Alirio.


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