Das wichtigste Merkmal der baskischen Wahlen vom vergangenen Sonntag wird überwiegend unterschlagen: der durch und durch undemokratische Charakter des Votums. Es wirft kein gutes Licht auf den Zustand bürgerrechtlicher Öffentlichkeit in Europa, dass über den nicht-erklärten Ausnahmezustand in einer Region Spaniens nicht einmal mehr gesprochen wird.
Wahlen im Baskenland waren seit dem Tod Francos 1975 immer von Gewalt überschattet. In den ersten Jahren der parlamentarischen Demokratie drohte Madrid regelmäßig mit dem Einsatz der Armee, ab 1983 ermordeten von der PSOE-Regierung unter Felipe González aufgebaute Todesschwadronen baskische Linkspolitiker, seit den neunziger Jahren sind es nicht zuletzt systematische Folterungen, mit denen nicht nur ETA-Anhänger terrorisiert werden. Martxelo Otamendi, Chefredakteur der gewerkschaftsnahen Tageszeitung Berria, hat seine Foltererlebnisse 2003 im Parlament von Vitoria eindrücklich geschildert, ohne dass die spanische und europäische Öffentlichkeit diese skandalösen Zustände auch nur registriert hätten. Außerhalb des Baskenlands sind die in der Region herrschenden Verhältnisse, die lateinamerikanischen Staatsverbrechen in nichts nachstehen, weitgehend unbekannt.
In diesem Sinne kann man den Wahlgang vom 17. April nicht als regulär bezeichnen. Wahlkämpfer der Sozialisten wie auch der Volkspartei (PP) fürchteten um ihr Leben, der baskischen Linken wurden Wahlveranstaltungen polizeilich gesprengt und die gesetzlich verbrieften Auftritte in den Medien verweigert. Zudem gab es erneut Verbote. Zunächst traf es wie erwartet die Liste der illegalisierten Partei Batasuna, wenige Tage später die Kandidatur von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die unter dem Namen Aukera Guztiak (Alle Optionen) das Bürgerrecht verteidigen wollten, sich ohne Angst vor Gewalt politisch zu äußern.
Insofern erscheint es nicht als Zufall, dass mit dem Resultat des Urnengangs die schwierige Lage im Land auch parlamentarisch reflektiert wird. Die bisherige Koalitionsregierung aus baskischen Christ- und Sozialdemokraten (PNV/EA) sowie der föderalistischen Vereinigten Linken (IU) hat deutlich verloren. Die PNV-EA-Liste von Ministerpräsident Ibarretxe kann zwar noch immer die stärkste Fraktion bilden (sie verlor 150.000 von 600.000 Stimmen), aber mit 38,6 Prozent nur noch 29 Sitze beanspruchen. Klarer Gewinner sind die Sozialisten (PSOE), die nun 18 statt bisher 13 Abgeordnete stellen.
Völlig offen bleibt damit die Regierungsbildung. Falls die PNV/EA nicht mit der PSOE koaliert - im Vorfeld hatten beide Parteien eine solche Allianz ausgeschlossen -, wird eine Partei als Zünglein an der Waage fungieren, von der bis vor drei Wochen kaum jemand wusste, dass sie existiert. Die Kommunistische Partei der Baskischen Territorien (EHAK), eine kleine Formation aus dem Umfeld der sozialen Bewegungen, machte sich nach dem Verbot von Aukera Guztiak deren Minimal-Programm zu eigen. Bis zuletzt hatte die Generalstaatsanwaltschaft nach Möglichkeiten gesucht, die 2001 gegründete EHAK zu verbieten, doch konnten die baskischen Kommunisten darauf verweisen, seit Jahren im Parteienregister eingeschrieben zu sein, ohne dass sich an ihrem Programm etwas geändert habe. Ohne Finanzmittel und Fernsehwahlkampf schaffte es EHAK als Sprachrohr der Illegalisierten aus dem Stand auf einen Wähleranteil von 12,5 Prozent.
Die Wahlen waren auch deshalb mit Spannung erwartet worden, da sie als Votum über den "Plan Ibarretxe" galten. Der baskische Premier hatte 2004 eine freie Assoziation des Baskenlands mit Spanien vorgeschlagen, was in Madrid als Separatismus verteufelt wird, aber durchaus den Vorstellungen der baskischen Mehrheit entspricht. Dass mit dem vergleichsweise schlechten Abschneiden Ibarretxes, die Unabhängigkeitspläne nun obsolet seien, wie es spanische Zeitungen eilig interpretieren, ist deshalb längst nicht eindeutig zu sagen. Schließlich haben die für eine vollständige Unabhängigkeit eintretenden Listen EHAK und Aralar im Vergleich zu 2001 klar zugelegt.
Fast 30 Jahre nach dem Ende der für die Basken traumatischen Franco-Diktatur sollte man in Europa begreifen, dass sich das Problem in der Region nicht auf die Existenz von ETA reduzieren lässt und eine rigide Verbotspolitik daran schon gar nichts ändern wird. Die Hinterlassenschaft der Diktatur zerstört nicht nur in jedem Jahr Dutzende von Biographien auf beiden Seiten der Bevölkerung des Baskenlandes wird auch immer noch eine freie Entscheidung darüber verweigert, unter welcher Verfassung sie leben möchte.
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