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Votum ProGroko, NoGroko? Warum der SPD-Mitgliederentscheid keine Lösung ist

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Die SPD sollte sich Gedanken um eine „vielleicht“-Option auf dem Wahlzettel machen
Die SPD sollte sich Gedanken um eine „vielleicht“-Option auf dem Wahlzettel machen

Foto: Sascha Schuermann/AFP/Getty Images

Derzeit befinden sich rund 460 000 Staatsbürger in der exklusiven Lage, eine Zeitreise zu erleben. Sie gehören zu den Auserwählten, die bis zum Freitag darüber abstimmen dürfen, wie sich die politische Zukunft Deutschlands für die nächsten dreieinhalb Jahre (denn mehr ist es nicht mehr) gestaltet. Hatten wir zwar schon am 24.09.2017 entschieden, aber weil das offensichtlich in Vergessenheit geraten ist, kommt es jetzt zu einer nachträglichen Gestaltung der Wahlergebnisse.

Die SPD hat Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Um sich später nicht mit „hätten wir nur“-Konjunktiven zu ärgern, hat sie sich dazu entschieden, die große Last auf den Schultern weniger auf die Schultern vieler zu verteilen. Die Basis soll also für die verfahrene Situation der Partei das sein, was man in anderen Fällen einen Mediator nennen würde.

Um den Unschlüssigen bei ihrer Entscheidung zu helfen, gleichen die momentanen Überzeugungsversuche beider Lager einem zweiten Wahlkampf, der angesichts der Intensität und medialen Aufmerksamkeit, die ihm entgegengebracht wird, ohne Anstrengung mit dem tatsächlichen Wahlkampf zur Wahl des 19. deutschen Bundestages konkurrieren kann, ihn vielleicht sogar übertrumpft.

Dabei wird übersehen, dass die Mitgliederbefragung ein historisch gewachsenes Wahlsystem unterläuft, dessen Bedeutung für eine funktionierende (repräsentative) Demokratie immens ist. Das Volk bringt gemäß Art. 20 II GG seinen Willen in Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck. Das Volk hat aber bereits am 24.09.2017 seine Stimme abgegeben. Zwar ist der SPD-Mitgliederentscheid (noch) nicht verfassungswidrig. Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten bereits 2013 entschieden, dass es sich bei der Mitgliederbefragung um ein rechtlich völlig unverbindliches Votum handelt.

Wenn die Partei dieses für verbindlich erklärt, ist das eine parteiinterne Sache, kein Akt der öffentlichen Gewalt, der im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Es mangelt daher bereits an der Zulässigkeit, ob eine Verfassungsbeschwerde begründet wäre, bleibt zweifelhaft. Auf lange Sicht kann ein Mitgliederentscheid jedoch nicht das Instrument sein, das dazu verwendet wird eine Regierung zu bilden (bzw. bilden zu können).

Diese Duplizierung des Wahlrechts für einen begrenzten Personenkreis kommt einer zweiten Runde im Wahlsystem gleich, die so vom Gesetzgeber nicht gewollt ist und nicht gewollt sein kann. Wenn eine Minderheit in einem zweiten Durchgang für oder gegen eine Regierung der Mehrheit abstimmen kann, wertet dies zum einen die Wahl aller ab. Zum anderen entsteht die Illusion, dass eine endgültige Beteiligung an der Demokratie nur in einer Partei ausgeübt werden kann.

Dies zeigt sich auch im rasanten Anstieg an Neueintritten in die SPD, eine Flut derer, die ein zweites Mal ihren Senf zur Lage der Nation geben wollen, derer, die es meinen besser zu wissen. Ob die Austrittswelle nach dem Votum ebenso groß wie die Eintrittswelle, ist offen aber wahrscheinlich. Das Votum spaltet die Partei und führt weder zu einer aktiven Erneuerung der SPD (die sie braucht, um sich den zweiten Platz auf dem Treppchen der Parteienwelt wieder zurückzuholen) noch zu einem Mehr an Demokratie, sondern zeigt die Unentschlossenheit einer ehemalgien Volkspartei auf großer Leinwand. Also liebe Basis, willst du mit mir gehen? Die SPD sollte sich Gedanken um eine „vielleicht“-Option auf dem Wahlzettel machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rebecca Militz

Themen rund um Recht und gegen rechts

Rebecca Militz

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