Als ich das erste Mal nach Israel kam, war ich vier Monate alt. Während meiner gesamten Kindheit und als junge Erwachsene war ich dort regelmäßig zu Besuch: bei meinen Großeltern in Haifa und meiner Tante, meinem Onkel und meinen Cousins und Cousinen in einem religiösen Kibbuz nahe der jordanischen Grenze. Abgesehen von der US-Stadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es keinen Ort, dem ich mich stärker verbunden fühlte. Mein israelischer Mann und ich haben mit unseren beiden kleinen Töchtern, die ebenfalls die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, drei Jahre lang in Tel Aviv gelebt.
Das Grab der Großeltern
Im März des vergangenen Jahres hat die Knesset ein Gesetz verabschiedet, das Ausländern, „die zu wirtschaftlichen, kulturellen oder akademischen Boykotten Israels oder der Siedlungen aufrufen“, die Einreise verbietet. Am vergangenen Wochenende hat das Außenministerium erklärt, dass infolge jenes Gesetzes 20 Organisationen auf eine schwarze Liste gesetzt wurden. Vor allem deren Vorsitzenden sei die Einreise nach Israel von nun an untersagt. Jewish Voice for Peace (JVP), die Organisation, deren Geschäftsführerin ich bin, gehört zu den genannten Organisationen.
Obwohl meine Großeltern dort begraben sind, meine alternden Schwiegereltern dort leben und trotz meiner intensiven freundschaftlichen und familiären Beziehungen führt mein Engagement für die „Boycott, Divestment and Sanctions“-Bewegung (BDS) zugunsten der Rechte der Palästinenser nun dazu, dass ich nicht mehr nach Israel einreisen darf.
BDS geht auf einen Aufruf aus der palästinensischen Zivilgesellschaft zurück, eine weltweite Bewegung aufzubauen. Diese soll Druck auf Israel ausüben, seine Besatzung zu beenden, seinen palästinensischen Bürgern in Israel volle und gleiche Rechte einzuräumen und palästinensischen Flüchtlingen das Recht auf Rückkehr zu gewähren. Die BDS-Bewegung steht in der Tradition des gewaltfreien Widerstands gegen Unterdrückung und bezieht sich auf die Kampagne gegen Investitionen im Südafrika der Apartheid sowie andere Beispiele des gezielten ökonomischen und kulturellen Drucks, um Gerechtigkeit zu erlangen.
Der jüngste Schritt der israelischen Regierung macht sehr deutlich, dass die wachsende Unterstützung für BDS Israel zutiefst beunruhigt. Das wiederum weist die Kampagne als starkes Mittel aus, um etwas am Status quo zu ändern – an der Enteignung der Palästinenser als integraler Bestandteil israelischer Staatlichkeit.
Das Einreiseverbot erweitert die Beschränkungen, die Israel unter dem Radar bereits seit Jahrzehnten auf Grundlage von Staatsbürgerschaft, religiöser und ethnischer Identität erlässt, um den Aspekt der politischen Einstellungen; während Israel die Einreise bereits routinemäßig auf Basis von Racial Profiling verweigert hat, erklärt es nun stolz ein pauschales Verbot, das offenkundig undemokratisch ist.
Während ich zum ersten Mal spüre, wie sehr es schmerzt, von einem Ort ausgeschlossen zu sein, mit dem man tief verbunden ist, bin ich mir bewusst darüber, dass Palästinenser seit Israels Gründung mit Profiling und Einreiseverboten konfrontiert sind und Flüchtlingen kategorisch die Rückkehr verwehrt wird.
Hier in den USA setzt sich eine progressive Bewegung für die Rechte von Geflüchteten und Menschen, die aufgrund ihrer Identität angegriffen werden, ein. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass Israel seit Jahrzehnten in ähnlicher Weise vorgeht. Die vielen jüdischen Organisationen, die sich bewundernswerterweise dem Kampf für die Beendigung des US-Einreiseverbots für Araber und Muslime angeschlossen haben, sollten in der gleichen Lautstärke gegen die Entscheidung der israelischen Regierung protestieren, die Einreiseerlaubnis nach Israel von politischen Einstellungen abhängig zu machen.
Willkürliche Zurückweisung
Die schwerwiegendsten Auswirkungen wird Israels neues Gesetz wahrscheinlich für Palästinenser haben – in Israel, in den besetzten Gebieten und in der Diaspora. Palästinenser in der West Bank, in Gaza, in Ost-Jerusalem oder im Ausland, die mit israelischen Staatsbürgern verheiratet sind, könnten sich vor die Wahl gestellt sehen, entweder überhaupt nicht ins Ausland zu reisen oder sich beim Versuch, zurückzukehren, im Exil wiederzufinden. Diejenigen, die nach Israel einreisen wollen, um sich medizinisch behandeln zu lassen oder um ihre Familie zu besuchen, können das möglicherweise nicht mehr.
Palästinenser rund um die Welt, die für ihre Rechte eintreten und die bereits willkürlich zurückgewiesen wurden, als sie nach Israel einreisen wollten, sehen sich nun einer offiziellen Politik gegenüber, die sie aus ihrem Heimatland verbannt.
Die Nennung von JVP auf dieser Liste ist bezeichnend. Es ist klar, dass sich die israelische Regierung darüber im Klaren ist, dass immer mehr Juden und Nichtjuden weltweit die BDS-Bewegung unterstützen. Deshalb versucht sie, uns einzuschüchtern.
Doch das wird nicht funktionieren. JVP-Mitglieder zweifeln nicht daran, dass es gerecht ist, für Gleichheit und Freiheit für alle in Israel/Palästina zu kämpfen, und dass BDS ein legitimes und wirksames Mittel darstellt, um dem näherzukommen. Solange Israel die fundamentalen Rechte der Palästinenser verletzt, wird es in aller Welt Menschen geben, die dagegen das Wort erheben – Palästinenser, Juden und Menschen, die nach ihrem Gewissen handeln.
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