Es gibt unzählige Ratgeber, Infoseiten und Coachings zum Thema „Die richtige Bewerbung“. Dort gibt es ebenso unzählige Verhaltenstipps, Kommunikationsregeln, „Dos“ und „Don‘ts“, Formulierungen, Floskeln und Anleitungen zu Respekt und Höflichkeit gegenüber dem Gegenüber. Aber was ist eigentlich mit diesem „Gegenüber“, den Personalverantwortlichen, potentiellen Vorgesetzten, Geschäftsführern, „Jury-Mitgliedern“ des Unternehmens? Befinden sich die etwa auf einem regelfreien, weil ihrem eigenen Territorium?
Auf den ersten Blick schon, denn derjenige, der einstellt, sitzt zunächst „am längeren Hebel“. Das lässt sich nicht leugnen. Es ist aber ebenso Fakt, dass auch Unternehmen und deren Repräsentanten einen Ruf zu verlieren haben – nämlich dann, wenn es ein weiteres Mal darum geht, die Belegschaft bei Bedarf mit geeigneten Kandidaten zu erweitern. Unternehmen, die vorher zahlreiche Mitarbeiter und Bewerber durch respektloses Verhalten enttäuscht haben, sinken unweigerlich im Ranking des angestrebten Bewerberpools. Auch Personalverantwortliche sind nur Menschen und machen Fehler, einige davon kommen aber dem gleich, was in der Bibel die „7 Todsünden“ wären. Oder: sieben todsichere Strategien, gegenüber Bewerbern „Rufsuizid“ zu begehen.
1. Die falsche Standardmail an den richtigen Bewerber (oder vice versa)
Personalverantwortliche sind im Stress. Das ist bekannt und in der Regel haben Bewerber auch dafür Verständnis. Selbst für die allseits unbeliebten Standardmails, die vor allem in Mailfächern von abgelehnten Kandidaten landen. No problem, life is a casting show. Mit Absagen kann man leben. Peinlich wird es dann, wenn einfach aus Unachtsamkeit eine falsche Standardmail gesendet wird! Einem von vornherein aussortierten Bewerber zu schreiben: „Wir danken Ihnen, dass Sie zum Vorstellungsgespräch erschienen sind, aber wir haben uns für einen Mitbewerber entschieden.“, das ist wirklich schon mehr als beleidigend.
2. Falschschreibung oder Auslassung von Namen
Ein kleines Gedankenspiel: Was macht jeder vernünftige Personaler mit einem Bewerbungsanschreiben, wo schon in der ersten Zeile sein Name nur halb oder in falscher Schreibung steht? Bingo, er schließt daraus auf eine nachlässige Arbeitsweise des Interessenten und entscheidet sich mit sofortiger Wirkung gegen den Verfasser dieses Dokuments. Mit gutem Grund – behandelt man den Namen einer Person ohne Respekt, steht dies pars pro toto für eine Missachtung der gesamten Person, zumindest im Kontext des Bewerbungsvorgangs. Drehen wir nun den Spieß einmal um: Welchen Eindruck hinterlässt der gleiche Fehler, der sonst als Absagegrund fungiert, wohl beim (abgelehnten) Bewerber?
3. Keine Antwort ist auch eine Antwort?
Der antike Philosoph und Redner Cicero konstatierte einst: Cum tacent, clamant! (Indem sie schweigen, applaudieren sie!) Leider ist bloßes Schweigen nicht immer „Gold“ und manche Statements verlangen nach einer Reaktion. Eingesandte Bewerbungsunterlagen zum Beispiel, deren Erstellung den Sender einiges an Zeit, Energie und persönliches Engagement gekostet haben. Es zeugt also von einem Mindestmaß an Respekt und Höflichkeit, in jedem Fall zumindest eine Standardmail zurückzuschicken. Somit weiß die andere Person dann, woran sie ist und kann weitere Schritte planen. Bewerber können nämlich so einiges – nur ganz sicher nicht hellsehen!
4. Unverschämte Kommentare und Fragen im Vorstellungsgespräch
Ja, es ist immer noch gesetzlich untersagt, Kandidatinnen und Kandidaten Fragen zu Religion, Weltanschauung oder gar Familienplanung zu stellen. Betreffende Kommentare mit abfälligem Unterton fallen unter die gleiche Kategorie.
5. „Vergessene“ Mails und Absagebriefe…
Oder solche, die ganz offenbar Wochen und Monate zu spät ankommen – ein weiteres großes Ärgernis für Bewerber. Diese, so freundlich sie auch formuliert sein mögen, senden nur eine Message zu den Betroffenen aus: „Eigentlich ist es uns total egal, dass Sie sich bei uns beworben und viel Mühe in Ihre Unterlagen investiert haben.“ Na, vielen Dank auch!
6. Funkstille nach dem Bewerbungsgespräch
Kandidaten, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, reisen manchmal stundenlang mit Bus, Bahn, Auto oder Flugzeug an. Sie machen sich ernsthafte Hoffnungen, den Job zu bekommen, investieren Geld, Zeit und Energie in ein Gespräch, das selten länger als eine halbe Stunde dauert. Daher ist das Wenigste, was Personalmanager diesen engagierten Menschen zurückgeben sollten, eine konstruktive, ehrliche Rückmeldung – ohne, dass diese extra erbeten werden muss!
7. Fragen, die offen bleiben
In seinen Unterlagen und im persönlichen Gespräch tut der Bewerber sein Möglichstes, seinen potentiellen Arbeitgeber nicht mit unklaren Antworten zu irritieren. Stellt der Arbeitgeber aber abschließend die „Frage der Fragen“, ob der Kandidat selbst noch etwas Bestimmtes über die Firma oder den Job wissen möchte, ist er ebenso dazu verpflichtet, Antworten zu liefern. Zumindest, solange die Fragen nicht unzumutbar sind – doch dies gilt für beide Seiten.
Der Erfolg eines Projekts oder eines Unternehmens lässt sich nicht nur, aber auch an einem respektvollen Miteinander messen. Wer Mitarbeiter in spe allerdings durch Mangel an eben diesem Respekt vergrault, den muss irgendwann das Karma treffen – wenn nämlich die Bewerberzahlen sinken oder die Ratings auf einschlägigen Seiten schlecht ausfallen.
Gemäß dem Motto: „What you give is what you get.”
Anna Katherina Ibeling
Kommentare 6
Nicht Hunderte von Feedbacks - um Gottes Willen, da dürfte eine einfache Standard-Benachrichtigung ausreichen. Aber bei z.B. insgesamt 5-10 ausgewählten Kandidaten für ein Gespräch könnte es doch theoretisch machbar sein, oder(nichts anderes war übrigens gemeint)? Gemeint sind übrigens auch keine ellenlangen Dokumente, sondern wenige, klare Sätze. Das Wissen um die Gründe erleichtert die Gedanken und hilft, eventuelle eigene Fehler beim Bewerben auszubügeln- ich denke, da gehen wir konform.
Illusorisch, Utopie? Vielleicht - vielleicht auch nicht. Es ist immerhin möglich, dass sich potentielle neue Mitarbeiter und Bewerber an bewertenden Webseiten wie kununu (erreichbar über XING) mit orientieren - natürlich nicht nur.
Nachtrag: Nachfragen hilft - auf eine Nachfrage sollte dann aber auch, der Fairness halber, eine schlüssige Antwort kommen.
Ok, agreed - auch wenn ich wenige Fälle in meiner Umgebung kenne, die NICHT wissen wollen, woran es liegt. Können wir uns eventuell darauf einigen, dass nach Nachfrage auch eine Antwort vorhanden sein sollte?
Ja, ich kenne die Bewerbersituation gut genug, steck da selbst derzeit mittendrin, sozusagen, und habe überlegt, was mir in meinem Bewerbungsprozess bisher an Dingen aufgefallen ist. Daraus keimten dann dieser und einige weitere Artikel in ähnlicher Richtung.
Dass eine Erklärung für manche Personalverantwortliche eine unangenehme Lage ist - verständlich. Andersrum ist es das für den Bewerber auch, wenn er ausdrücklich ein Feedback wünscht und keines bekommt. Erweckt dann gern den Eindruck: Gibt es überhaupt einen rational erfassbaren Grund für die Absage? Wie soll ich es denn beim nächsten Mal (noch) besser machen.... Gut... "Nächstes Mal" hat man da vielleicht sogar noch einen Menschen mit einem ganz anderen Fokus sitzen.
Ja, ich denke, dass es definitiv viele Gründe haben kann. Die Absicht des Artikels ist im Grunde, auch mal die "andere" Seite der viel benutzten Bewerbungsratgeber zu beleuchten und genauer zu hinterfragen: Wie siehts eigentlich auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches aus - oder eben der Internetleitung?
Ich denke, man kann dem Einzelnen auch kaum einen Vorwurf machen, es war eben mal eine generelle Fragestellung, die mich bewogen hat, das alles zu schreiben.
@Heinz: Ja klar ist Eigeninitiative auch wichtig- andererseits wäre es den Unternehmen auch nicht gerade recht, wenn da nach einer Ausschreibung 200 Leute anrufen und direkt nach dem Stand ihrer Bewerbung fragen ;) Ich glaube, das nervt jeden Personaler erstmal nur tot. Keine gute Ausgangsbasis also. Nach Bewerbungsgesprächen - agreed. Da kann man von vornherein um ein Feedback bitten oder aber nach Ablauf einer gewissen Frist notfalls nachfragen.
Oh ja, komm mir auch oft vor wie eine kaputte Schallplatte ;). Ich "arbeite die Punkte ab", die in der Ausschreibung stehen - also je nach Reihenfolge und Dringlichkeit. Bei den Social Skills verlier ich dann selten viele Worte und verweise lieber auf meine Praktikumszeugnisse.